„Baumrinden sind eine unzureichend genutzte Ressource“
Charlett WenigBeruf:
Werkstoffwissenschaftlerin und Industriedesignerin
Position:
Post-Doc am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam
Beruf:
Werkstoffwissenschaftlerin und Industriedesignerin
Position:
Post-Doc am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam
Charlett Wenig erforscht das Potenzial von Baumrinden, um den bisher wenig beachteten Rohstoff als Biomaterial für neue Anwendungen zu etablieren.
Holz ist ein begehrter Rohstoff. Doch die Rinde des Baumes wird bisher kaum beachtet und meist als Abfall entsorgt. In ihrer Doktorarbeit hat Charlett Wenig daher das Potenzial von Rinden verschiedener Baumarten genauer untersucht. Sie ist überzeugt: Rinde ist mehr als Abfall und könnte als Biomaterial sowohl in der Bau- als auch Textilindustrie zum Einsatz kommen.
Warum wurde die Baumrinde bisher vernachlässigt und was macht Rinden für Sie interessant?
Die Struktur von Baumrinde variiert stark - sowohl zwischen unterschiedlichen Baumarten als auch innerhalb eines einzelnen Baumes, wie beispielsweise bei der dicken Borke von Kiefern im Vergleich zu deren Spiegelrinde. Diese Vielfalt erschwert es, allgemeingültige Aussagen über Baumrinde zu treffen. Dennoch macht sie etwa 5-20% des Gesamtvolumens eines Baumes aus und stellt somit eine erhebliche, bisher nicht ausreichend genutzte Ressource dar. Für mich liegt das Potenzial darin, Baumrinde hochwertig, langfristig und nachhaltig nutzbar zu machen, um sie zu einem wertvollen Material für verschiedene Anwendungsbereiche zu entwickeln.
Sie untersuchten in Ihrer Doktorarbeit die Eigenschaften von Rinden verschiedener Bäume. Zu welchen Erkenntnissen sind Sie gelangt?
Jede Baumrinde weist spezifische Eigenschaften auf, die gezielt genutzt werden können. So kann beispielsweise die Spiegelrinde der Kiefer durch eine Behandlung mit einer Wasser-Glycerin-Lösung flexibilisiert werden. Das resultierende Material erinnert in seiner Haptik und Flexibilität an eine Mischung aus Leder und Holz. Diese Eigenschaften eröffnen vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, etwa für die Herstellung von Accessoires oder für temporäre textile Strukturen in der Architektur.
Was haben Ihre Tests hinsichtlich der Verarbeitung der Borke ergeben? Welche Produkte und Anwendungen betrifft es konkret?
Die Testergebnisse zur Verarbeitung von Baumrinde zeigen, dass die Ergebnisse je nach Rindenart stark variieren. Aus Eiche, Lärche, Kiefer und Birke konnten Plattenmaterialien gepresst werden, die ohne den Zusatz von Klebstoffen auskommen und potenziell in der Möbelindustrie Anwendung finden könnten. So könnten Rindenplatten im Bereich der Innenausstattung, beispielsweise als Bodenbeläge, zum Einsatz kommen. Ihre natürliche Ästhetik und Stabilität eröffnen vielseitige Möglichkeiten für nachhaltige Anwendungen. Auch die flexibilisierte Rinde zeigt Potenzial, etwa für dekorative oder temporäre Oberflächen in der Bau- und Innenarchitektur. Neben den Rindenplatten und der flexibilisierten Rinde wurden auch Porzellanglasuren aus der Asche hergestellt, die nach dem Verbrennungsprozess der Rinde übrig bleibt. Die chemische Zusammensetzung der jeweiligen Rindenart beeinflusst dabei die Färbung der Glasur und eröffnet weitere Anwendungsmöglichkeiten, etwa im Bereich des Keramikdesigns.
In welchen Bereichen könnte Borke künftig auch als Biomaterial traditionelle Rohstoffe wie etwa Holz ersetzen?
Rinde sollte nicht primär als Ersatz für Holz betrachtet werden, sondern vielmehr in Anwendungsfeldern genutzt werden, die ihren spezifischen Materialeigenschaften entsprechen. Besonders erstrebenswert sind hochwertige Anwendungen, bei denen die Rinde nur minimal verändert wird. Dies begünstigt eine langfristige Kaskadennutzung und ermöglicht eine nachhaltige Wertschöpfung aus diesem lokalen Biomaterial.
Interview: Beatrix Boldt