„Wie gelingt die Umsetzung einer Bioökonomie-Strategie?“
Maria ProestouBeruf:
promovierte Agrarwissenschaftlerin und Institutionen-Ökonomin
Position:
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Agrarökonomie der Humboldt-Universität zu Berlin und Leiterin der Nachwuchsforschungsgruppe BIOPOLISTA
Beruf:
promovierte Agrarwissenschaftlerin und Institutionen-Ökonomin
Position:
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Agrarökonomie der Humboldt-Universität zu Berlin und Leiterin der Nachwuchsforschungsgruppe BIOPOLISTA
Im Projekt BIOPOLISTA erforscht eine Nachwuchsgruppe unter Leitung von Maria Proestou und Nicolai Schulz ob, wann und warum die Umsetzung von Bioökonomiestrategien gelingt oder scheitert.
Als Teil der Fördermaßnahme „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel“ unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Nachwuchsgruppen, die das biobasierte Wirtschaften aus sozial- , politik- und wirtschaftswissenschaftlicher Sicht erforschen. Zu den 2023 gestarteten Nachwuchsgruppen zählt ein Team unter Leitung von Maria Proestou und Nicolai Schulz. Im Projekt BIOPOLISTA untersuchen die Forschenden an der Berliner Humboldt-Universität, wie Bioökonomiestrategien in Deutschland, Frankreich, Kolumbien, Malaysia, Südafrika und den USA konkret umgesetzt werden sowie ob, wann und warum sie gelingen oder scheitern. Das Projekt wird in den kommenden fünf Jahren vom BMBF mit 3,1 Mio. Euro gefördert.
Welche Ziele verfolgt das Forschungsprojekt und welche Forschungsansätze haben Sie zu deren Erreichung gewählt?
Um ihre Bioökonomie zu fördern, haben Staaten weltweit Bioökonomiestrategien verabschiedet. Ob und wie diese Strategien umgesetzt werden, ist jedoch kaum oder gar nicht erforscht. Diese Lücke will die Nachwuchsgruppe BIOPOLISTA schließen. Konkret wollen wir wissen, inwieweit, wann und warum die Implementation von Bioökonomiestrategien und ihrer Instrumente gelingt oder scheitert. Dazu kombiniert das Projekt Ansätze der Politik-Analyse mit dem Konzept des Bioökonomie-Staates sowie qualitativ vergleichenden Methoden, um unterschiedliche Muster der Politik-Implementation innerhalb und zwischen sechs Länder-Fallstudien zu erklären.
Was steht hinter dem Konzept des Bioökonomie-Staates und wie wollen Sie dies für Ihre Forschung nutzen?
Staaten sind die treibende Kraft in der Politik-Implementation und damit auch in den bestehenden Ansätzen der Politik-Implementationsforschung. Wir definieren den Bioökonomie-Staat als einen Staat, der über eine Vielzahl von Institutionen und Praktiken verfügt, die sich der Governance seiner Bioökonomie und den Wechselwirkungen zwischen Bioökonomie und Gesellschaft widmen. Von besonderer Relevanz sind dabei die vier Dimensionen des Bioökonomie-Staates: die regulative, die administrative, die diskursive und die autoritative Dimension. Diese beeinflussen im Zusammenhang mit staatlichen Merkmalen (zum Beispiel politisches System eines Landes) und Kontextfaktoren auf nationaler und internationaler Ebene (zum Beispiel transnationale Handelsabkommen) die Implementation der Instrumente der Bioökonomiestrategien.
Sie werden politische Instrumente und Instrumenten-Mixe der Bioökonomie in Deutschland, Frankreich, Kolumbien, Malaysia, Südafrika und den USA näher untersuchen. Warum haben Sie diese Länder ausgewählt?
Wir haben diese Länder ausgewählt, weil sie alle dedizierte Bioökonomie-Strategien haben, regional führend und repräsentativ in der Förderung der Bioökonomie sind, vergleichbare Ziele verfolgen und Policy-Instrumente einsetzen wollen, sich aber in ihren staatlichen Merkmalen erheblich unterscheiden, was wichtige Variationen verspricht, die wir für unsere Forschung nutzen können. Dieses länder- und instrumentenübergreifende Design ermöglicht es uns, tiefgehende qualitative Vergleiche auf mehreren Ebenen durchzuführen.
Aufbauend auf den Erkenntnissen Ihres vorherigen Forschungsprojektes (PolDeRBio), welche Faktoren würden Sie bei der Erstellung eines effektiven Policy-Designs für eine nachhaltige Bioökonomie in Deutschland als besonders wichtig herausstellen und warum?
Im Projekt PolDeRBio wurden unterschiedliche Prioritäten und Orientierungen der Resilienz der Bioökonomie durch die Evaluierung von Bioökonomiestrategien analysiert. Unsere Analyse für die deutsche Fallstudie zeigte, dass Resilienz-Herausforderungen – ausgelöst durch Schocks wie Klimawandel, geopolitische Konflikte sowie Energie- und Finanzkrisen – in der Bioökonomiestrategie wenig und vage adressiert wurden. Insbesondere wurden ökologische Resilienz-Herausforderungen wenig berücksichtigt. Gründe dafür sind die Betrachtung der Bioökonomie als ein auf Biotechnologie und wirtschaftliches Wachstum ausgerichtetes Projekt, das soziale und ökologische Herausforderungen wenig thematisiert und der Ausschluss von bestimmten Akteuren wie Umweltorganisationen an den Politikgestaltungsprozessen. Insofern ist unsere wichtigste Schlussfolgerung für ein effektives Policy-Design für eine nachhaltige Bioökonomie, dass soziale und ökologische Probleme von Anfang an explizit mitgedacht werden müssen, Umweltakteure und zivilgesellschaftliche Organisationen in den Designprozess integriert werden müssen.
Wie kann das durch Ihre Forschung entstandene Wissen zukünftig helfen, notwendige Transformationsprozesse hin zu einer nachhaltigen Bioökonomie zu initiieren, zu gestalten und zu verstetigen? Welche Rolle spielt für Sie in diesem Zusammenhang die gesellschaftswissenschaftliche Forschung in der Bioökonomie?
Bioökonomiestrategien und deren Implementation sind von entscheidender Bedeutung für die Transformation zu einer nachhaltigen Bioökonomie. Ohne staatliche Unterstützung bei der Implementation wird eine schnelle und adäquate Transformation kaum möglich sein. Konkret wird unser Projekt dazu beitragen, empirisch fundierte und kontextbezogene Erkenntnisse und Leitlinien für politische Entscheidungen zu entwickeln, wie Bioökonomiestrategien erfolgreich implementiert werden, wie sich Bioökonomie-Staaten gut entwickeln, aber auch wie besser umsetzbare Policy-Ziele und -Instrumente formuliert werden. Dies kann unmittelbar zu einer erfolgreicheren Initiierung und Verstetigung nachhaltiger Transformationsprozesse beitragen. Die Erarbeitung dieser Erkenntnisse und Leitlinien ist nur durch die Anwendung sozial- und insbesondere politikwissenschaftlicher Ansätze möglich.
Interview: Beatrix Boldt, Philipp Graf