Seit ihrer Entwicklung vor mehr als 30 Jahren hat sich die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) als eine der wichtigsten Standardmethoden der Biotechnologie behauptet. Mit ihrer Hilfe lässen sich einzelne oder wenige DNA-Abschnitte gezielt vermehrt. Finanziert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat die Firma GNA Biosolutions in einem Projekt der Förderinitiative KMU-innovativ ein neues Turbo-Verfahren entwickelt: Der Schritt der DNA-Vervielfältigung wurde massiv beschleunigt, statt Stunden braucht die sogenannte Laser-PCR nur noch rund 15 Minuten.
Im Jahr 1983 schlug die Geburtstunde der Polymerasekettenreaktion. An dem Prinzip der Methode hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum etwas geändert: Durch eine geschickte Temperaturführung lässt sich DNA mit bestimmten molekularen Werkzeugen vervielfältigen. „Obwohl eigentlich nur ein paar wenige DNA-Moleküle aufgeheizt werden sollen, musste man bisher immer die gesamte Reaktionsflüssigkeit erwärmen", sagt Joachim Stehr, Forschungschef der Biotech-Firma GNA Biosolutions GmbH. Auch wenn das Aufwärmen und Abkühlen in der klassischen PCR nur jeweils einige Sekunden dauert – weil der Schritt dutzende Male wiederholt wird, dauert das Verfahren insgesamt trotzdem recht lang.
Im Rahmen eines Projekts in der Fördermaßnahme KMU-innovativ hat das Unternehmen in Martinsried nun den PCR-Prozess massiv beschleunigt. Das BMBF hat die Entwicklung mit rund 300.000 Euro gefördert. „Wir halten die gesamte Flüssigkeit auf einer konstanten Temperatur. Mit kurzen Laserpulsen heizen wir Goldnanopartikel auf, an denen die zu vervielfältigenden DNA-Abschnitte hängen", beschreibt Stehr das von ihm mitentwickelte Laser-PCR-Verfahren. Das kurze – nur wenige Mikrosekunden dauernde – Aufheizen der Nanopartikel funktioniert etwa eine Million Mal schneller als das bisherige Heizen der gesamten Flüssigkeit. Binnen 15 Minuten kann so der gesamte Prozess abgeschlossen werden, heißt es von GNA Biosolutions.
Ein Primer ist an den Goldnanopartikeln befestigt (grün), so dass die Vervielfältigung der Ziel-DNA (rot) dort abläuft.
Zeitgewinn kann Leben retten
Für die wissenschaftliche Forschung mag sich der Zeitgewinn häufig vor allem in einem höheren Komfort niederschlagen: Statt auf Ergebnisse warten zu müssen, können im Labor direkt neue Experimente geplant werden. In der Medizin jedoch könnte die gesparte Zeit im Extremfall die Entscheidung zwischen Leben und Tod bringen – zum Beispiel in der Sepsisdiagnostik. Beim Erregernachweis mittels klassischer Zellkultur müssen Ärzte heutzutage noch ein bis zwei Tage auf ein Analyseergebnis warten – viel zu lang, steigt die Sterblichkeit bei dieser lebensbedrohlichen Erkrankung doch stündlich. Ultraschnelle PCR-Analysen könnten das Ergebnis innerhalb von Minuten liefern.
Ursprünglich ist GNA Biosolutions als Ausgründung aus der Abteilung für Photonik und Optoelektronik der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität entstanden. Das Bundeswirtschaftministerium leistete mit Fördergeldern aus dem Programm EXIST-Forschungstransfer Starthilfe. „Die erste Idee war, zu untersuchen, wie man die vom Laser erzeugte Wärme in der Umgebung von Nanopartikeln messen kann ", erinnert sich Mitgründer Stehr. Weil DNA-Moleküle einen genau definierten Schmelzpunkt haben, nutzten die Physiker sie als molekulares Thermometer. „Wenn Nanopartikel DNA-Moleküle binden, ändern sie ihre optischen Eigenschaften. Das lässt sich für die ultraschnelle DNA-Detektion nutzen", erläutert Stehr.
Aus diesem Detektionsverfahren, Nanostove genannt, ist letzten Endes die Idee zur Laser-PCR entstanden. Künftig könnten die beiden Systeme auch kombiniert angeboten werden: Zunächst eine schnelle DNA-Vervielfältigung mit Laser-PCR und anschließend die gezielte Detektion ausgewählter Erbgut-Fragmente mittels Nanostove. Bis es soweit ist, wird es allerdings wohl noch etwas dauern. Denn auch wenn GNA-Biosolutions die DNA-Vervielfältigung massiv beschleunigen konnte – in Sachen Forschung und Entwicklung sind die Martinsrieder wie alle anderen auch zu normalem Tempo gezwungen.
KMU-innovativ: Biotechnologie
Seit 2007 gibt es die BMBF-Förderinitiative "KMU-innovativ", um risikoreiche, aber kommerziell interessante Forschungs- und Entwicklungsprojekte in der Biotechnologie zu finanzieren. Die Stichtage sind halbjährlich am 15. April und 15. Oktober.
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Marktstart für 2015 geplant
Noch ist die Laser-PCR nicht auf dem freien Markt erhältlich. „Wir wollen 2015 mit der Vermarktung beginnen", sagt Stehr. Um eine einheitlich hohe Qualität zu gewährleisten, soll die das Verfahren im Komplettsystem angeboten werden, so die derzeit bevorzugten Pläne. Ein eigens konstruiertes Gerät, welches auch den Laser beinhaltet, ersetzt dabei den bisher üblichen Thermocycler. Die notwendigen Reagenzien und die DNA-beschichteten Goldnanopartikel stellt GNA-Biosolutions in Kartuschenform zur Verfügung. Damit lassen sich dann beispielsweise Krankenhauskeime oder Antibiotikaresistenzen erkennen.
Autor: Bernd Kaltwasser