Viele Pflanzen leben in Symbiose mit Mykorrhizapilzen. Diese Lebensgemeinschaft ist nicht nur für die Pflanze, sondern auch für den Pilz vorteilhaft. Über das Feinwurzelsystem im Boden, die sogenannten Hyphen, gelangen wichtige Nährstoffe wie Phosphate und Stickstoff in die Pflanze. Im Gegenzug wird der Symbiose-Pilz von seinem Wirt mit Kohlenhydraten versorgt, die dieser aus der Photosynthese gewinnt. Diese Fähigkeit macht Mykorrhizapilze seit langem zu begehrten Kandidaten für eine nachhaltige Pflanzenproduktion, da sie gleichzeitig zu einer natürlichen Verbesserung der Böden beitragen können.
Im Projekt Mycotom wollten Partner aus Forschung und Industrie den Mykorrhizaeffekt in der hydroponischen Tomatenzucht etablieren. Zum Einsatz kamen die am häufigsten verbreiteten Symbiose-Pilze, die arbuskulären Mykorrhizapilze, kurz AMP. Unter der Leitung der Inoq GmbH – einem Hersteller für Mykorrhizainokulum – entwickelte ein Team um Projektleiterin Imke Hutter gemeinsam mit Forschenden vom Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) und dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) eine Methode, die es ermöglicht, die beliebteste Gemüsepflanze der Deutschen auch unter hydroponischen Bedingungen im Gewächshaus stabil zu mykorrhizieren. Das Vorhaben wurde im Rahmen der Fördermaßnahme KMU-Innovativ vom Bundesforschungsministerium von Februar 2017 bis Oktober 2020 mit insgesamt 700.000 € gefördert.
Stabile Mykorrhizierung von Tomaten im hydroponischen Anbau
Das Anliegen der Inoq war es, ein Nährstoffverhältnis zu finden, das eine stabile Mykorrhizierung bei Tomatenpflanzen ermöglicht. Dafür musste zunächst ein geeigneter Pilzstamm gefunden werden. Hier konnte das Mycotom-Team zum einem auf die Kultursammlung von Inoq zurückgreifen. Zum anderen vermehrte das IPK im Labor Pilzstämme und übernahm die Analyse der Nährstoffe in den mykorrhizierten Tomatenpflanzen. Das IPB-Team war hingegen auf der Suche nach molekularen Markern für einen einfachen Schnelltest, der anzeigt, ob eine Pflanze mykorrhiziert ist oder nicht.
In einem ersten Schritt suchte das Mycotom-Team in seiner Kultursammlung nach Mykorrhizapilzen, die gut mit kommerziellen Tomatensorten interagieren. Bis zu 15 AMP wurden an vier verschiedenen Tomatensorten getestet. Als geeignet erwies sich schließlich Rhizophagus irregularis. Dieser Mykorrhizapilz ist weitverbreitet und Hutter zufolge ein „Allrounder“, der sich leicht vermehren lässt und daher besonders gut für die Produktion von Mykorrhizainokulum geeignet ist. Bei den Tomatenpflanzen überzeugte schließlich die Sorte Picolino. Hier wurde die beste Symbiose etabliert.
Keine Symbiose ohne Notlage
Tomatenpflanzen im Gewächshaus zu mykorrhizieren, war bisher schwierig. Im Vergleich zum Freilandanbau herrschen hier optimale Produktionsbedingung, was eine Symbiose mit dem Pilz erschwert: „Jeder Produzent ist daran interessiert, dass die Pflanze Höchstleistung bringt. Diese Höchstleistungstomaten werden wie in einem 5-Sterne-Hotel behandelt. Eine Pflanze, die aber so optimal mit Nährstoffen versorgt ist, will nichts abgeben und geht auch keine Symbiose ein“, erläutert Imke Hutter.
Pflanzen gehen also nur eine Bindung ein, wenn Nährstoffe knapp sind – also eine Notsituation besteht. Die Herausforderung im Projekt: Die Tomatenpflanzen mussten erst in solch eine Notlage gebracht werden, damit sie sich auf eine Bindung mit dem Mykorrhizapilz einlassen.
Damit das gelingt, drehten die Forschenden an Stellschrauben des hydroponischen Systems. Sowohl das Substrat, die Kokosfasermatten, als auch der Gehalt der Nährstofflösung, in der die Tomatenpflanzen wachsen, erwiesen sich als problematisch. „Im Laufe des Projektes stellten wir fest, dass Mykorrhizapilze mit den Kokosfasermatten nicht klarkommen. Um eine stabile Mykorrhizierung hinzubekommen, haben wir den Kokosfaseranteil im Substrat reduziert und mit Torf ergänzt“, erläutert Hutter. Zudem musste der Phosphatanteil in der Nährstofflösung heruntergefahren werden, damit Pilz und Pflanze interagieren. „Wenn Sie 20% Phosphat reduzieren, können Sie schon eine Mykorrhizierung erreichen. Besser ist jedoch, man reduziert es auf 50 bis 60%“, erklärt Projektleiterin Hutter.
Höherer Zucker- und Aminosäuregehalt durch Mykorrhiza
Unter den so veränderten Bedingungen konnte der Mykorrhizapilz auch in Hydrokultur seine volle Wirkung entfalten und das, ohne den Ertrag zu schmälern. Im Vergleich zu nicht mykorrhizierten Pflanzen hatte die mykorrhizierte Variante zudem einen höheren Zucker- und Aminosäuregehalt. „Wir konnten den Tomatenproduzenten beweisen, dass durch die Mykorrhiza die Tomaten in Bezug auf den Zuckergehalt einen besseren Geschmack haben und der höhere Aminosäuregehalt in den roten Früchten für eine besonders hohe Stoffwechselaktivität sorgt und die Pflanzen daher auch gesünder sind“, resümiert Hutter. Außerdem können Produzenten mit Hilfe der AMP auch Phosphat als Dünger sparen, weil der Pilz den Nährstoff liefert. Mykorrhiza könnte also einen Teil der künstlichen Nährstoffe ersetzen, ohne dass die Produktivität darunter leidet, was für Tomatenproduzenten ein wesentlicher Faktor ist.
Aber nicht nur das: „Mykorrhizapilze haben den zusätzlichen Effekt, dass sie auch den Wasserhaushalt der Pflanze mit regulieren. Pflanzen, die mykorrhiziert sind, kommen viel besser mit Trockenstress zurecht.“ Das zeigte sich Hutter zufolge bereits bei früheren Versuchen im Freiland. „Gerade in den Trockenjahren hatten wir beim Sojaanbau 20% mehr Ertrag durch die Mykorrhizierung.“
Mykorrhiza reduziert Düngemittel im Tomatenanbau
Im Ergebnis der dreijährigen Projektarbeit kann Inoq nun Produzenten, Züchtern und Gärtnern ein Mykorrhizainokulum vorlegen, das auch im Tomatenanbau funktioniert. Bei dem Substrat handelt es sich um ein Pulver, das in Hydrokultur als Bodenhilfsstoff auf natürliche Weise das Pflanzenwachstum ankurbelt. Inwiefern der Einsatz der Symbiosepilze im Tomatenanbau auch finanzielle Ersparnisse bringt, konnte im Projekt nicht abschließend geklärt werden. Dafür wären Hutter zufolge weitere Untersuchungen nötig. Auch an der Entwicklung eines Mykorrhiza-Schnelltests mittels molekularer Marker wird weitergearbeitet. Fest steht jedoch: Der Einsatz von Mykorrhizapilzen hat sich im Tomatenanbau bewährt und kann den Einsatz von künstlichen Düngemitteln erheblich reduzieren.
Autorin: Beatrix Boldt