Eine Bioökonomie-Strategie für Bayern

Eine Bioökonomie-Strategie für Bayern

Der Freistaat hat sein Strategiepapier mit acht Hauptzielen und 50 Maßnahmen vorgestellt.

Nahaufnahme eines Pflanzenblattes
Pflanzliche Rohstoffe bilden eine wichtige Grundlage der Bioökonomie.

Als eines der ersten Bundesländer hat der Freistaat Bayern seine eigene Bioökonomiestrategie veröffentlicht. Das mit allen Landesministerien abgestimmte Papier wurde am 23. November von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger vorgestellt. Das Besondere: die Strategie ist nicht einfach eine Sammlung von Absichtserklärungen, sondern nennt acht Hauptziele und 50 konkrete Maßnahmen auf dem Weg in eine Bioökonomie. „Die Wissenschaft hat in den vergangenen Jahren die Weichen gestellt, dass wir wissen, was möglich ist“, begründete der Minister bei der Vorstellung. „Jetzt geht es darum, diese Dinge umzusetzen.“

Schwerpunkt auf stofflicher Nutzung

Einen Schwerpunkt legt die bayerische Regierung auf die stoffliche Nutzung: „Wir wollen fossile Import-Rohstoffe Schritt für Schritt durch heimische nachwachsende Rohstoffe ersetzen“, betonte Aiwanger. Davon profitierten die Land- und Forstwirtschaft genauso wie die Umwelt und die Wirtschaft mit neuen Produkten. „Von Treibstoff über Plastikfolien bis zu Innenverkleidungen von Autos können zahlreiche Produkte auf Biobasis produziert werden.“

Was die Umsetzung angeht, zeigte sich der Wirtschaftsminister zuversichtlich: „Hier in Bayern haben wir die besten Voraussetzungen für die ökologische Transformation. Land- und Forstwirtschaft stellen eine Vielzahl von hochwertigen biogenen Rohstoffen in großer Menge zur Verfügung. Hervorragende Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen garantieren die Entwicklung innovativer und nachhaltiger Produkte.“ Bayerns Industrie sei traditionell innovativ, zukunftsorientiert und mit hochleistungsfähigen Unternehmen für die neuen Herausforderungen gerüstet.

Die acht Hauptziele der Bioökonomiestrategie Bayern

  • Reduzierung des Verbrauchs fossiler Rohstoffe durch die Umsetzung einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Wirtschaftsweise und die Entwicklung nachhaltiger, biobasierter Technologien, Prozesse und Produkte
  • Beitrag zum Umwelt- und Ressourcenschutz sowie zum Schutz der Biodiversität
  • Beitrag zur Umsetzung der Zielsetzungen des Klimaschutzprogramms Bayern 2050 und der bayerischen Klimaschutzoffensive, insbesondere der gesetzlich bindenden Ziele eines Bayerischen Klimaschutzgesetzes
  • Förderung des offenen Dialogs und Ermöglichung der gesellschaftlichen Teilhabe, um Akzeptanz und Verständnis für die Bioökonomie in der Gesellschaft zu erreichen
  • Beitrag zum bayerischen Weg des „Schützens und Nutzens“ der heimischen nachwachsenden Rohstoffe. Durch die Bioökonomie werden diese in Wert gesetzt und neue Einkommensperspektiven sowie Arbeitsplätze im ländlichen und urbanen Raum geschaffen bzw. gesichert
  • Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Erschließung neuer Märkte durch richtungsweisende Verwendung nachwachsender Rohstoffe sowie Rest- und Abfallstoffe möglichst nach dem Prinzip der Koppel- und Kaskadennutzung. Dadurch werden die Entwicklung neuer Technologien, Materialien und Werkstoffe sowie der nötigen Verfahren für innovative Produkte angestoßen. Damit entstehen neue Arbeitsplätze im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems
  • Bestrebung führender Standort für nachhaltige Produkte und Produktionsweisen und damit Vorbild für andere Regionen zu sein
  • Stärkung der Wissenschaft zum weiteren Aufbau biologischen Wissens sowie eines zielgerichteten Wissenstransfers in die Wirtschaft

Bewusstsein für Bioökonomie schaffen

Ein großer Block der Strategie beschäftigt sich mit gesellschaftlichen Faktoren. So soll künftig schon in der Schule mehr Bewusstsein für die Bioökonomie geschaffen werden. Die Bevölkerung soll überzeugt werden, „damit Innovationen nicht immer nur über Subventionen möglich sind“, so Aiwanger. Dazu wolle die Regierung mit gutem Beispiel vorangehen und unter anderem bei Neubauten auf nachwachsende Materialien achten, auch wenn das etwas teurer sein sollte. Und auch wenn er „kein Verbotspolitiker“ sei, so dürfe man durchaus fossile Produkte auch gesetzlich aus dem Verkehr ziehen, beispielsweise „wenn die Bioplastiktüte ähnlich teuer ist wie die fossile“.

Lob gab es bei der Vorstellung der Strategie auch vom Vorsitzenden des Sachverständigenrats Bioökonomie Bayern, dem TU-München-Professor Volker Sieber: „Mit der bayerischen Bioökonomiestrategie folgt die Staatsregierung einer zentralen Forderung des Sachverständigenrates und stellt die Weichen für eine nachhaltige, biobasierte Wirtschaftsweise in Bayern.“ Obwohl in Bayern die Bioökonomie schon lange auf der Agenda steht, habe der Sachverständigenrat auf diese Strategie gedrungen: „Maßnahmen sind ohne Strategie nur halb so viel wert“, erläuterte er und nannte Aspekte wie Sichtbarkeit, Bündelung und Kooperation. „So ist das viel effektiver.“ Sieber betonte außerdem, Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltbelastung seien aktuelle Probleme, die die Bioökonomie adressiere, zu denen jetzt noch die beispiellose Herausforderung durch Corona hinzukomme – „aber das ist jetzt die Chance, Veränderungen herbeizuführen“.

Keynote zu wichtigen Trends

Auch Christian Patermann, einer der Wegbereiter der Bioökonomie in Europa, war in einem Impulsvortrag voll des Lobs für die bayerische Strategie. Unter anderem bezeichnete er das Technologie- und Gründerzentrum „BioCubator“ in Straubing, das nun einen zweiten Bauabschnitt erhalten soll, als „Juwel in Deutschland“. Außerdem benannte er Themenfelder, die seiner Einschätzung nach für die Bioökonomie an Bedeutung gewinnen werden – darunter Biofabriken, der urbane Raum und Low-Cost-Lösungen angesichts knapper Finanzen vieler Staaten nach der Pandemiebekämpfung.

Den Abschluss der Präsentation machte eine Diskussionsrunde, in der Patricia Eschenlohr vom Start-up Landpack den Hinweis gab, dass die oft benötigte Prozesstechnik mit hohen Investitionen verbunden sei, die Start-ups selten über Risikokapital decken können. Selbst große Unternehmen stünden bei neuartigen Anlagen vor einem großen Investitionsrisiko, ergänzte Wolfgang Kraus von Südzucker, weshalb die staatliche Förderung nicht nur Jungunternehmen im Blick haben dürfe. Eschenlohr empfahl außerdem klare gesetzliche Regelungen zur Werbung mit „Recycling“, da sich dahinter oftmals eher Greenwashing verberge. Klaus Richter von der TU München appellierte daran, die Grundlagenforschung nicht zugunsten kurzfristiger angewandter Forschung zu vernachlässigen, und sein Kollege Markus Vogt von der LMU München warb dafür, die sozialwissenschaftliche Forschung in der Bioökonomie nicht zu vergessen. Einig waren sich alle vier, dass die Abkehr von fossilen Rohstoffen zur CO2-Reduzierung das wichtigste Ziel der neuen Strategie sein müsse. Oder mit den Worten Vogts: „Die Bioökonomie ist die innovationspolitische Seite der Klimaschutzstrategie.“

bl