Neue Archaeen-Art sichert Trinkwasser aus dem Bodensee

Neue Archaeen-Art sichert Trinkwasser aus dem Bodensee

Umweltmikrobiologen zeigen erstmals, dass Ammonium-oxidierende Mikroorganismen auch im Bodensee aktiv sind.

Blick vom Pfänder auf den Bodensee
Der Bodensee ist der drittgrößte Binnensee in Mitteleuropa und ein wichtiges Trinkwasserreservoir und Ökosystem zugleich.

Archaeen zählen zu den ältesten Lebewesen der Erde. Die Einzeller sind anspruchslos und leben oft in extremer Umgebung wie etwa in heißen Quellen, Salzseen oder in der Tiefsee. Eine weltweit verbreitete Art, die Ammonium umwandeln kann, haben Forschende nun auch im drittgrößten Binnensee Europas, dem Bodensee, nachgewiesen. Diese Spezies von Mikroorganismen namens Candidatus Nitrosopumilus limneticus dominiert mit bis zu 39% die Mikrobengemeinschaft in den Tiefen des Bodensee und sichert so die Trinkwasserversorgung von über fünf Millionen Menschen in der Region mit ab, wie das Team in der Fachzeitschrift "The ISME Journal“ der Nature Publishing Group schreibt. An der Studie beteiligt waren Forschende der Technischen Universität Braunschweig, des Leibniz-Instituts DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH, des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie und der Universität Konstanz.

Neue Archaeen-Art an Ammoniumoxidation beteiligt

In nährstoffarmen Seen mit großen Wasserkörpern wie etwa dem Bodensee leben eine Vielzahl von Archaeen. Bisher ging man davon aus, dass diese an der Umwandlung von Ammonium zu Nitrat beteiligt sind, das in Sedimenten und anderen sauerstoffarmen Habitaten in harmlosen Stickstoff (N2) – einen Hauptbestandteil der Luft – umgewandelt wird. Das Forschungsteam konnte nun aber erstmals nachweisen, dass Candidatus Nitrosopumilus limneticus tatsächlich an der Ammoniumoxidation beteiligt und im Bodensee aktiv ist.

Mikrobielle Nitrifikation für Ökosystem entscheidend

Das Forschungsteam zeigte zudem, wie wichtig Ammonium-oxidierende Mikroorganismen für die Trinkwasserversorgung und das Ökosystem sind. Damit Seen ihre Ökosystemleistungen erfüllen können, ist es wichtig, dass die mikrobielle Nitrifikation aufrechterhalten wird. Sie verhindert, dass sich Ammonium anreichert und wandelt es über Nitrit zu Nitrat um. Obwohl die Nitrifikation die Menge an anorganischem Stickstoff (N) in Süßwasserökosystemen nicht direkt verändert, stellt sie den Forschenden zufolge eine entscheidende Verbindung zwischen der Mineralisierung von organischem Stickstoff oder der Ammoniumverschmutzung und seiner letztendlichen Umwandlung zu harmlosem Stickstoff (N2) durch anaerobe Prozesse dar.

Archaeen produzieren große Mengen Biomasse

In ihrer Studie zeigten die Forschenden, dass im Bodensee Ammonium-oxidierende Archaeen bis zu 1.760 Tonnen Ammonium-Stickstoff pro Jahr umsetzen. Der in ihrer Biomasse gebundene Kohlenstoff entspricht in etwa zwölf Prozent des jährlich vom Phytoplankton gebildeten organischen Kohlenstoffs. Archaeen sind damit wichtige Mitspieler beim Erhalt des Ökosystems. Denn der Bodensee ist – wie die meisten Seen – für Trinkwasserversorgung, Binnenfischerei und als Erholungsgebiet gleichermaßen wichtig. Eine Überversorgung mit Nährstoffen etwa durch die Anreicherung von Ammonium durch landwirtschaftliche Düngemittel könnte das Ökosystem durch ein übermäßiges Algenwachstum zum Kippen bringen und damit die Trinkwasserversorgung gefährden. Wie dieser neue Mikroorganismus auf die Klimaerwärmung reagiert, ist jedoch noch unklar.

bb