Das Bioökonomie-Monitoring langfristig ausrichten

Das Bioökonomie-Monitoring langfristig ausrichten

Im Juni dieses Jahres erschien der Pilotbericht zum Monitoring der deutschen Bioökonomie. Jetzt entwickeln Forschende das Instrument weiter.

Die Forst- und Landwirtschaft liefert Rohstoffe für eine biobasierte Wirtschaft.

Die Bioökonomie soll helfen, die UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Doch die biobasierte Wirtschaftsform ist vielschichtig und komplex. Am Beispiel des Themas Flächenkonkurrenz wird deutlich, dass der Beitrag der Bioökonomie zur Nachhaltigkeit stetig beobachtet werden muss. Deshalb wurde 2016 gemeinsam von den Bundesministerien für Forschung, Wirtschaft und Landwirtschaft ein Bioökonomie-Monitoring gestartet. Das Bundesforschungsministerium fördert dazu den Verbund „Systemisches Monitoring und Modellierung der Bioökonomie", kurz SYMOBIO.

Der erste Bericht zum deutschen Bioökonomie-Monitoring

Wo und unter welchen Bedingungen werden biogene Rohstoffe erzeugt und verbraucht? Wie trägt die Bioökonomie zu Beschäftigung und Wertschöpfung, aber auch zu globaler Ernährungssicherung bei? Welchen Nutzen und welche Auswirkungen hat sie für Klima und Umwelt? Der Verbund SYMOBIO hat dazu im Juni 2020 erste Ergebnisse vorgelegt. Dabei haben sich die Forschenden vornehmlich an den Nachhaltigkeitszielen orientiert und liefern eine Übersicht über die wichtigsten Stoffströme in der Land- und Forstwirtschaft beispielsweise von Getreide, Zucker, Fisch und Holz. Berücksichtigt wurden auch internationale Verflechtungen. Zudem zeigt der Bericht Innovationspotenziale, die sozioökonomische Entwicklung und Treiber der Bioökonomie auf. Insgesamt in fünf ökologischen Fußabdrücken (Material, Agrar, Forst, Wasser und Klima) gehen die Forschenden detailliert darauf ein, wie sich die Bioökonomie auf Klima und Umwelt auswirkt.

Der Pilotbericht bietet eine Grundlage für eine breite öffentliche Diskussion. Als nächster Schritt werden Reaktionen und Kommentare von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen eingeholt. Sie werden ausgewertet und für die Weiterentwicklung des Monitorings genutzt. Der Pilotbericht stellt eine Momentaufnahme der Entwicklung hin zur biobasierten Wirtschaft da

Bessere Datenbasis und neue Parameter für die Trendprojektion

„Mit dem Monitoring ist es uns erstmals gelungen, die deutsche Bioökonomie und ihre Auswirkungen breit abzubilden. Damit haben wir ein Werkzeug entwickelt, mit denen sich der Weg in eine nachhaltige, biobasierte Wirtschaft umfassend messen und bewerten lässt“, so Stefan Bringezu, Projektkoordinator von SYMOBIO und Direktor des Center for Environmental Systems Research der Universität Kassel. Jetzt geht das Monitoring weiter. „Wir werden jetzt noch stärker Klima- und Biodiversitätseffekte sowie die Entwicklungen in der Landwirtschaft einbringen. Damit können wir unsere Trendprojektionen bis 2030 noch erweitern. Insgesamt ergibt sich damit ein noch besseres Bild der deutschen Bioökonomie. Schließlich stellen wir das Monitoring als Webtool auf, so dass sich auch Interessierte außerhalb der Forschung informieren können.“ Das soll ermöglichen, selbst tiefergreifende Zusammenhänge in der Bioökonomie zu erkunden und dessen Entwicklung besser abzuschätzen.

Kern des Monitorings ist natürlich die Datenbasis. Diese soll jetzt noch weiter verbessert werden. So vergleichen die Forschenden beispielsweise Daten aus den bisher genutzten Datenbanken wie EXIOBASE, welche die physischen Außenhandelsverflechtungen abbildet, sowie LandSHIFT und WaterGAP3, welche räumlich aufgelöst für alle Kontinente die Landnutzung bzw. die Wassernutzung abbilden, mit verschiedenen anderen Datenbanken bei Destatis, Eurostat und FAO. Verglichen werden so wichtige Parameter wie bilaterale Handelsverflechtungen, die Nutzung von Biomasse für Bioenergie, oder Treibhausgasemissionen einzelner Wirtschaftszweige. So können mögliche Mängel oder Inkonsistenzen in den Daten ermittelt und das Monitoring noch verlässlicher werden. Zudem sollen alternative Daten und auch mögliche Zusammenarbeiten beispielsweise mit der Gruppe Umweltökonomische Gesamtrechnung (UGR) des Statistischen Bundesamtes eruiert werden. Die Datenbasis ist enorm wichtig für das Bioökonomie-Monitoring, damit Effekte und Trends verlässlich bewertet werden können.

Das Monitoring untersucht, welche Effekte die Bioökonomie auf Klima und Umwelt hat.

Klima, Umwelt und die Entwicklung der Landwirtschaft besser im Blick

Hinsichtlich der Nachhaltigkeitsziele sind besonders die Effekte der Bioökonomie auf Klima und Umwelt von Bedeutung. In welchen Bereichen und unter welchen Bedingungen ist die Bioökonomie klimaschonender und ressourcenschonender als herkömmliche Produktionsweisen? Um dies noch besser zu erkennen, schließen die Forschenden jetzt weitere Parameter in ihre Berechnungen ein. Beruht der Wasserfußabdruck bisher auf dem Wasser, das bei der Bewässerung der Pflanzen genutzt wird, so sollen jetzt auch die Wasserqualität beeinflussende Faktoren wie Düngemittel und Pestizide aus der Landwirtschaft berücksichtigt werden. Bei der Berechnung der Treibhausgasemissionen beziehen die Forschenden nun explizit auch Landnutzungsänderungen ein. Vorher beruhte diese vor allem auf der Emission, die während der Produktion entsteht. Damit werden auch die für die Herstellung von Biokraftstoff viel diskutierten Klimabilanzänderungen stärker einbezogen.

Die Entwicklung der Landwirtschaft ist im Bioökonomie-Monitoring von besonderer Bedeutung. Denn der Agrarsektor steht aktuell vor sehr großen Herausforderungen. Das erste Bioökonomie-Monitoring zeigt, dass Deutschland weit mehr agrarische Rohstoffe nutzt, als auf der in Deutschland verfügbaren Fläche erzeugt werden können. Biomasseimporte können durchaus sinnvoll und nachhaltig sein. Doch teils stammen die Rohstoffe aus Gebieten mit starker Wasserknappheit. Zudem wird über die Hälfte des in Deutschland angebauten bzw. importierten Getreides als Tierfutter genutzt. Wie nachhaltig die Landwirtschaft der Zukunft ist, hängt in besonderem Maße auch davon ab, wozu die landwirtschaftlichen Produkte, aber auch landwirtschaftliche Reststoffe genutzt werden.

Nicht nur die Produktion, sondern auch die spätere Nutzung der Rohstoffe wird unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit beobachtet.

„Welche Biomasse - ob für Bioenergie oder andere Nutzungen - der Landwirt auf seiner Fläche anbaut, wird auch von rechtlichen Regelungen beeinflusst“, sagt SYMOBIO-Projektpartner Stefan Majer vom Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ). So fordere beispielsweise die Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie, die vorsieht, ab 2020 mindestens zehn Prozent der fossilen Kraftstoffnachfrage durch regenerative Energien zu ersetzen, den Anbau von Pflanzen für Bioenergie. „Hinsichtlich der Umsetzung der EEG-Richtlinie gab es einige Unsicherheiten. Mit Inkrafttreten der Richtlinie können wir jetzt verschiedene Szenarien für die Nachfrageentwicklung nach Biomasse für Bioenergie in Deutschland bis zum Jahr 2030 entwickeln. Dabei berücksichtigen wir natürlich auch damit verbundene Effekte hinsichtlich Änderungen in der Landnutzung, Treibhausgasemissionen und andere Auswirkungen auf Klima und Umwelt.“

Schnittstellen und Anwendbarkeit des Monitorings

Mit der Fortführung des Monitorings sollen auch Schnittstellen zu anderen Monitoring-Systemen und seine Anwendbarkeit in der Praxis geprüft werden. Denn zwischenzeitlich sind weitere Instrumente wie ein allgemeines Rohstoffmonitoring und ein Monitoring der Energiewende vorhanden,  und auch mehrere Initiativen für ein Biodiversitätsmonitoring befinden sich im Aufbau. „Wir müssen uns ansehen, welche Überlappungen es zum deutschen Bioökonomie-Monitoring gibt, aber auch wo wir abgrenzen müssen. Biodiversität bestimmen wir derzeit nur indirekt über die Landnutzung, das Monitoring kann uns hier sicher noch weiterbringen“, so SYMOBIO-Projektpartnerin Daniela Thrän, Leiterin des Departments Bioenergie (BEN) am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. „Darüber hinaus werden wir das Monitoring aber auch in die Community der Nutzer hereintragen. Wir verstehen das Monitoring als lernendes System: Neben der wiederkehrenden Berichterstattung können die Berichtsgrößen noch genauer auf die Fragestellungen angepasst und erweitert werden.“ Dazu befragen die Forschenden derzeit Stakeholder, ob wichtige Fragen hinreichend beantwortet werden.

Autorin: Sonja Jülich-Abbas

Verbundprojekt SYMOBIO

In SYMOBIO haben acht Partnerinstitutionen zusammengearbeitet, deren Ergebnisse die Grundlage für den ersten Bericht zur deutschen Bioökonomie lieferten. Nach dieser ersten Pilotphase führen fünf Institutionen das Monitoring nun über ein weiteres Jahr fort. Parallel beraten die bisher beteiligten Ministerien gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium über die Fortführung des Monitorings. Denkbar ist, an die Pilotphase zunächst eine weitere Forschungsphase anzuschließen.

Ergänzende Initiativen des BMEL und des BMWi förderten Forschungsvorhaben des Johann Heinrich von Thünen-Instituts zur Produktion in Landwirtschaft, Forst und Fischerei, des DBFZ zu einem umfassenden Reststoffmonitoring sowie eines Konsortiums unter Leitung des ifo Instituts zu wirtschaftlichen Kennzahlen der Bioökonomie.