Mehr Diversität innerhalb einer Art

Mehr Diversität innerhalb einer Art

Nach extremer Verschmutzung hat sich das Ökosystem Bodensee wieder erholt. Doch laut Biologen der Uni Konstanz trifft dies nur auf bestimmte Bewohner des Sees zu.

Die Bodenseefelchen haben schnell neue Nischen erschlossen, doch der Artenverlust bleibt.

Es war eine der größten ökologischen Katastrophen im 20. Jahrhundert in Deutschland: Seit den 50er Jahren belastete vor allem die Landwirtschaft den Bodensee immer stärker mit Phosphat, was letztlich zu einer Eutrophierung des Gewässers führte. Insbesondere die Algen haben sich daraufhin so explosiv vermehrt, dass der Sauerstoff in den Tiefen des Sees nicht für deren Abbau reichte. Die Folge: Badegäste fanden keine algenfreien Flächen mehr, Motorboote blieben in den Algenmatten stecken – und die Eier der Felchen konnten sich nicht mehr entwickeln. Zwei dieser fünf nur im Bodensee lebenden Fischarten starben daraufhin aus.

Neustart in den 80er Jahren

Massive Anstrengungen in den 80er Jahren versetzten den Bodensee schließlich in einen gesünderen Zustand zurück. Aber würde sich die Artenvielfalt des Sees auch wieder erholen? Das haben Biologen der Universitäten Konstanz und Glasgow am Beispiel des Gangfisches – einer Felchenart – untersucht. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher nun im Fachjournal „Nature Ecology and Evolution“.

Überraschenderweise zeigten dabei äußere und genetische Merkmale des Gangfisches, dass diese Art nach der Erholung des Bodensees eine ungewöhnliche und schnelle Diversifizierung erfahren hat, also schon bald eine große Vielfalt innerhalb der eigenen Art zeigte. So konnte sich die Art beispielsweise eine breite ökologische Nische erschließen, weil sie in weniger als zehn Generationen eine große Vielfalt an Kiemenreusendornen entwickelt hatte. Mit diesen Dornen filtern die Fische Nahrung aus dem Wasser.

Diversität durch Hybridisierung

Als Ursache dafür, dass sich die Gangfische so schnell genetisch diversifizieren konnten, vermuten die Biologen Hybridisierungen – also Paarungen mit anderen Arten – in der Zeit der Eutrophierung. Zwar paaren sich die Hybridnachkommen meist wieder mit der zahlenmäßig dominanten Elternart, weshalb die Hybridisierung nur in Ausnahmefällen zu neuen Arten führt. Doch kann auf diese Weise der Genpool einer Art aufgefrischt werden, wodurch deren Fähigkeit, sich an eine veränderte Umwelt anzupassen, verbessert wurde.

Die Vielfalt einzelner Bewohner eines Lebensraumes könne sich somit nach dessen Wiederherstellung relativ schnell erholen, resümieren die Forscher. Wie sehr das gelingen kann, hänge aber von der genetischen Architektur, dem ökologischen Kontext und der Evolutionsgeschichte ab. Die Konstanzer Biologin Jasminca Behrmann-Godel, die die Studie geleitet hat, betont zudem: „Diese neue Vielfalt an Gangfischen ist eine Variation innerhalb einer Art und ersetzt nicht den Verlust des Artenreichtums durch Eutrophierung.“

bl