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Wissenschaftliche Entdeckungen sind mitunter umstritten. Jüngstes Beispiel: die Designernuklease CRISPR-Cas9. Mithilfe des genchirurgischen Präzisionsinstruments hatten chinesische Forscher erstmals menschliches Erbgut von Embryonen bearbeitet. Für viele Molekularbiologen weltweit war damit eine ethische Grenze  überschritten. "Darf die Wissenschaft, was sie kann?" – ist daher eine Frage, worüber Nobelpreisträger und Nachwuchswissenschaftler  aus aller der Welt noch bis zu 3. Juli bei der Nobelpreisträgertagung in Lindau diskutieren. Neben der Humangenetik steht auch das Thema Nachhaltigkeit im Fokus der Traditionsveranstaltung.

Einmal im Jahr wird das beschauliche Städtchen Lindau am Bodensee zu einem Mekka der klügsten Kopfe der Welt. Nobelpreisträger und herausragende Nachwuchsforscher aus aller Welt treffen sich hier seit 1951, um über bedeutsame globale Themen der Wissenschaft zu diskutieren, Erfahrungen auszutauschen und Kontakte zuknüpften. Zum 65. Jubiläum glänzen die „Tagungen der Nobelpreisträger“ mit einer Rekordbeteiligung. Insgesamt 65 preisgekrönte Forscher, darunter Max-Planck-Forscher Stefan Hell, der im vergangenen Jahr den Chemie-Nobelpreis für Mikroskopie erhielt und Krebsforscher Harald zur Hausen, sind zum Bodensee gekommen, um mit 650 Nachwuchsforschern aus 88 Ländern zu debattieren. „Kernanliegen der Tagung ist die Inspiration und Motivation junger Wissenschaftler und Forscher“, sagte die Präsidentin des Kuratoriums der Nobelpreisträgertagungen, Bettina Gräfin Bernadotte in ihrer Eröffnungsrede.

Anders als in den Vorjahren stehen wieder  alle drei naturwissenschaftlichen Nobelpreiskategorien – Chemie, Physik, Physiologie/Medizin – gleichberechtigt im Mittelpunkt der Lindauer Veranstaltung. Das Programm geht unter anderem der Frage nach, inwieweit vom Zusammenspiel unterschiedlicher Forschungszweige künftig Durchbrüche in Schlüsselbereichen zu erwarten sind. Ein Schwerpunktthema bildet dabei die Humangenetik und die ethische Frage: Darf die Wissenschaft, was sie kann? Das sogenannte Embryonen-Experiment chinesischer Forscher hat erst kürzlich die Debatte um die ethischen Grenzen der Forschung neu entflammt. Mit Hilfe eines neuen genetischen Werkzeuges, der Designernuklease CRISPR-Cas9, hatten die Forscher erstmals menschliches Erbgut in Embryonen bearbeitet. Weltweit distanzierten sich Wissenschaftler von dem Eingriff in die Keimbahn und .

Ktitischen Blick bei gentechnischen Fragen behalten

Bundespräsident Joachim Gauck mahnte in seiner Eröffnungsrede, dass gerade in Fragen der Gentechnologie die „schleichende Veränderung unserer gesellschaftlichen Leitbilder“ kritisch beobachtet werden müsse. Die schwierige Debatte über „die Grenze zwischen Machbarkeit und Wünschbarkeit“ dürfe nicht nur in Ethikkommissionen und Parlamenten geführt werden, sagte Gauck.

Mit Bakterien Bioplastik herstellen

Auch die Bioökonomie hat beim Treffen der klügsten Köpfe der Welt einen festen Platz im Programm. So wird auch in diesem Jahr das Thema Nachhaltigkeit Vorträge und die Diskussionsrunden der Lindauer Tagungen bestimmen. Auf Einladung der Landesregierung Baden-Württemberg wird Hartmut Grammel von der Hochschule Biberach über die Entwicklung von Photosynthesebakterien als neuartige Produktionsorganismen für die Biotechnologie referieren.

Im Rahmen des Forschungsprojektes der BMBF-Förderinitiative Biotechnologie 2020+  experimentieren Gammel und Magdeburger Forscher mit Bakterien, um CO2 zu verbrauchen und so das Klimagas aus der Atmosphäre zu entfernen. Darüber sucht der Forscher nach Lösungen, mikrobielle Stämme für industrielle Anwendungen wie die Produktion von Bioplastik durch den systematischen Einsatz natürlicher Evolutionsmechanismen zu verbessern.

BMBF unterstützt Nobelpreisträgertreffen

Das traditionelle Nobelpreisträgertreffen wird vom Bundesforschungsministerium mit jährlich einer Million Euro unterstützt. Im Rahmen des Treffens lud Bundesforschungsministerin Johanna Wanka alle Akteure zum Sommerfest. „Diese Perle müssen wir in Deutschland halten“, hatte Wanka bereits  im Vorfeld der Tagung in einem Interview mit der Schwäbischen Zeitung erklärt. Bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Science Education“ am Freitag auf der Insel Mainau wird Forschungsstaatssekretär Georg Schütte sprechen.

Mikroorganismen tummeln sich zuhauf im Erdboden und machen mit 70 Prozent den größten Teil der Biomasse aus.  In Land- und Forstwirtschaft  übernehmen sie wichtige Funktionen im Stoffkreislauf. Doch welchen Einfluss hat die intensive Landnutzung auf die Mikroben und wie wirken sich die veränderten Lebensbedingungen auf die mikrobielle Vielfalt aus? Diesen Fragen gehen Forscher der Universität Hohenheim im Rahmen eines Schwerpunktprogramms zur Biodiversitätsforschung nach. Das Teilprojekt zu den „mikrobiellen Besiedlungsstrategien in Grünlandböden“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit knapp einer halben Million Euro gefördert.

Sie sind mit dem bloßem Augen nicht zu sehen und uns Menschen doch zahlenmäßig überlegen: Mikroorganismen. Bakterien, Pilze, Algen und Einzeller sind auch in Böden präsent und hier nützliche Helfer: sie machen den Acker fruchtbar, zersetzen organische Schadstoffe und verbessern die Bodenstruktur. Doch der Mensch setzt den Winzlingen mit Dünger, Rodung oder Bebauung mitunter ganz schon zu. Wie sich das Zusammenspiel der Mikroorganismen in Grünlandböden unter veränderten Lebensbedingungen verhält, wird von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim seit einiger Zeit erforscht.

Biologische Vielfalt im Ökosystem

Im Projekt „Mikrobielle Besiedlungsstrategien und Ressourcennutzung in Grünlandböden mit unterschiedlicher Landnutzungsintensität“ untersucht das Team von Ellen Kandeler und Sven Marhan die Besiedlung von neuen Lebensräumen des Bodens. Das Projekt  ist  Teil eines Großvorhabens zur Biodiversitätsforschung und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über drei Jahre mit rund einer halben Million Euro unterstützt. Die Wissenschaftler untersuchen darin unter anderem die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Bodenorganismen sowie den Einfluss der Biodiversität auf das Ökosystem.

Denn Mikroorganismen haben einen großen Einfluss auf das Klima, da sie CO2, Lachgas oder Methan freisetzen oder binden. Häufiges Mähen, übermäßiges Düngen oder die Beweidung mit Tieren verändert jedoch die Lebensbedingungen der Winzlinge. Diese Veränderungen wollen die Forscher aus Hohenheim genau analysieren. „Dazu gehen wir der Frage nach, wie neue Bodenoberflächen unter dem Einfluss von unterschiedlicher Grünlandnutzung durch Mikroorganismen besiedelt werden. Dafür vergraben wir bestimmte Mineralien und Wurzeln in kleinen Beuteln in unterschiedlich genutzten Grünlandböden“, erläutert Ellen Kandeler,  Leiterin des Instituts für Bodenbiologie an der Universität Hohenheim und Leiterin des DFG-Forschungsprojektes.

Tipps für Landwirte

Nach der Entnahme der Beutel untersuchen die Forscher dann, welche Mikroben und in welcher Menge sich auf den Oberflächen wie Tonminerale oder Streu niedergelassen haben. Darüber hinaus werden auch Bodenproben zu unterschiedlichen Zeiten in den ausgewählten Projektregionen Brandenburg, Thüringen und Baden-Württemberg entnommen. Darüber hoffen die Forscher zu erfahren, ob die Intensität der Grünlandnutzung die Funktionen der Mikroben generell und wie beeinflusst. „Unser Ziel ist es, allgemeingültige Aussagen zu treffen und daraus Empfehlungen, beispielsweise für Landwirte, ableiten zu können“, erklärt Kandeler.

Landkarte zu Bodenmikroben geplant

An dem Großprojekt zur Biodiversitätsforschung sind bundesweit mehr als 40 Projekte und rund 330 Wissenschaftler von verschiedenen Universitäten und Forschungseinrichtungen beteiligt. Alle Daten der beteiligten Projekte fließen in ein zentrale Datenbank und sollen im Ergebnis die Basis für eine Art Landkarte bilden, auf der die Verteilung der Bodenorganismen dargestellt wird.

Durch die Schlote der Stahlwerke dringen täglich große Mengen Abgase, die Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO2) enthalten. Etwa 1,8 Tonnen Kohlendioxid entstehen etwa bei der Produktion nur einer Tonne Stahl. Das Gas entweicht in der Regel ungenutzt. Doch in den berüchtigten Klimagasen steckt durchaus mehr Potenzial: Fraunhofer-Forscher erforschen einen Weg, um die Kohlenstoffmengen zu verwerten - mithilfe von Biotechnologie. Gentechnisch veränderte Bakterien nutzen hierbei die Abgase für ihren Stoffwechsel und verwandeln sie in Kraftstoffe und Spezialchemikalien.

Mit dem im vergangenen Jahr von der Bundesregierung verabschiedeten Klimapaket sollen die Treibhausgase bis 2020 um 40 Prozent reduziert werden. Neben der Vermeidung von CO2 ist eine alternative Strategie, die Abgase durch intelligente Verfahren stofflich weiter zu nutzen. Fraunhofer-Wissenschaftler haben nun einen vielversprechenden Weg gefunden,  die Abgase von Stahlwerken besser zu nutzen. Dafür entwickelten sie ein biotechnologisches Fermentierungsverfahren, das die kohlenstoffreichen Abgase in interessante Chemikalien verwandelt. 

Bakterien verputzen Abgase

Die Forscher nutzen sogenanntes Synthesegas - ein Mix aus Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Wasserstoff - um damit Mikroben zu füttern. Der Stoffwechsel von Bakterienstämmen der Gattung Clostridium wurden mit Methoden der Synthetischen Biologie so umfunktioniert, dass sie das Abgasgemisch nun verwerten können. So fermentieren die Zellfabriken die Stahlwerkabgase zu Alkoholen wie Butanol oder Hexanol sowie Aceton. Die Produkte werden in weiteren chemisch-physikalischen Schritten noch weiter umgewandelt, bis ein Zwischenprodukt aus längerkettigen Alkoholen und Ketonen entsteht. Dieses Zwischenprodukt eignet sich, um daraus Kerosin und Spezialchemikalien herzustellen. „Allein die Mengen an Kohlenstoff, welche in Form von Kohlendioxid aus den Duisburger Stahlwerken rauchen, würden aus unserer Sicht ausreichen, um den kompletten Kerosinbedarf einer großen Airline zu decken“, so Stefan Jennewein vom Fraunhofer IME in Aachen, der das Projekt koordiniert.

Weitere Anwendung im Blick

Dass tatsächlich Flugzeuge damit angetrieben werden, davon sind die Wissenschaftler noch ein ganzes Stück entfernt. Noch funktioniert das Verfahren nur im Labor. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, welche Möglichkeiten die neue Verwertungsmethode mit sich bringt. „Neben den Abgasen der Stahlherstellung können auch Synthesegas-ähnliche Gasgemische aus der Haus- und Industriemüll-Verbrennung für das entwickelte Verfahren genutzt werden“, so Jennewein weiter. An dem Projekt sind die neben dem Fraunhofer IME in Aachen auch die Frauenhofer-Institute für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen und für Chemische Technologie ICT in Pfinztal beteiligt.

Ersatz für Erdöl

Die IME-Forscher haben die molekularbiologische Seite des Verfahrens entwickelt und ihre Synthesegas-Fermentationsanlage ausgebaut. Am Oberhauserer UMSICHT wurde die noch restwasserhaltigen Fermentationsprodukte zu dem Zwischenprodukt umgewandelt. Daraus konnten die Forscher der Abteilung Umweltengineering am ICT schließlich Spezialchemikalien gewinnen. „Die von uns künstlich hergestellten Produkte können sowohl als Kraftstoffe als auch für Spezialchemikalien eingesetzt werden. Genau wie das bislang mit Erdöl als Rohstoffquelle funktioniert“, erklärt Jennewein. Nach dem Erfolg im Labor will das Fraunhofer-Trio zeigen, dass ihre neue Technologie auch für größere Mengen geeignet ist. „Unser Ziel ist es, die Kraftstoffe für Zertifizierungsprozesse anzumelden. Dort wird ihre Praxistauglichkeit von offizieller Seite bestätigt. Das dauert für Fahrzeugdiesel etwa ein und für Kerosin etwa drei Jahre", sagt Jennewein.

Produkte aus dem Biokunststoff Polymilchsäure (PLA) haben in der Verpackungsindustrie und bei Herstellern von Kinderspielzeug schon länger ihren Platz gefunden. Wegen der leichten Verformbarkeit  ist der Einsatz des biologisch abbaubaren Materials jedoch begrenzt. Das könnte sich aber bald ändern. Fraunhofer-Forscher aus Potsdam haben gemeinsam mit Partnern aus der Kunststoffbranche zwei neue Typen von PLA entwickelt, die hitzebeständiger und äußert stabil sind. Im Chemieunterricht könnten Molekül-Modelle aus dem neuen Biokunststoff als innovatives Anschauungsmaterial dienen.

Folien, Dosen, Jogurtbecher, Flaschen oder Bauklötzchen für Kinder werden schon länger aus Polymilchsäure hergestellt. Doch das biologisch abbaubare Material hat einen Nachteil: schon ab 60 °C verändert Polylactat (PLA) seine ursprüngliche Form. Der Grund für die relativ geringe Wärmebeständigkeit liegt in der Zusammensetzung von rechts- und linksdrehenden Milchsäureeinheiten. PLA besteht danach bis zu 98 Prozent aus rechtsdrehenden Milchsäuremolekülen, wie sie auch in Jogurt zu finden sind. Der Rest sind linksdrehende Einheiten, die zufällig über die Ketten verteilt sind.

Milchsäureeinheiten neu verknüpft

Gemeinsam mit drei Unternehmen aus der Kunststoffbranche haben Forscher vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Potsdam-Golm das Problem gelöst. In einem vom Land Brandenburg und der EU geförderten Projekt entwickelten die Wissenschaftler mit der Uhde Inventa-Fischer aus Berlin zwei völlig neue PLA-Typen des Biokunststoffes.  „Wir haben Milchsäureeinheiten auf neuartige Weise miteinander verknüpft“, erklärt Polymerforscherin Antje Lieske. Abhängig von der jeweiligen Zusammensetzung entstanden so die Typen c-PLA  und sb-PLA. C-PLA besteht danach zu 100 Prozent aus rechtsdrehenden Milchsäureeinheiten, während sb-PLA aus zwei Sorten Perlenschnüren besteht, die entweder 100 Perlen rechts- oder 100 Perlen linksdrehender Milchsäureeinheiten umfassen. „Die beiden Schnüre sind immer abwechselnd miteinander verbunden“, sagt Lieske.

Molekül-Baustein als Testobjekt

In einem weiteren Schritt wurden die zwei neuen Polymilchsäure-Kandidaten in Forst bei der Firma Linotech durch spezielle Zusätze schlagzäh gemacht, also abgehärtet. »Dieser Schritt ist sehr wichtig, damit das PLA-Produkt auch sehr hohen mechanischen Belastungen standhalten kann“, erklärt Geschäftsführer Cord Grashorn. Bei der Hesco GmbH in Luckenwalde wurde schließlich aus beiden neuen PLA-Typen ein erstes Objekt hergestellt: ein Schwefelmolekül für einen Chemiebaukasten. Der abschließende Test ergab: beide Typen sind bis 75°C bzw. 90°C formstabil und kristallisieren schneller als herkömmliches PLA. Das sb-PLA lässt sich zudem fast genau so verarbeiten wie der herkömmliche erdölbasierte Kunststoff Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS). Trotz des Erfolgs - noch ist das neue PLA-Material in der Herstellung teuer. Als nächstes sollen daher das Spritzgießverfahren verbessert und die Produktion von sb-PLA stark vereinfacht werden.

Haustiere haben in der Regel einen Namen. Dass die Namensgebung auch in der Nutztierhaltung funktioniert, haben Forscher vom Leibniz-Institut für Nutztierhaltung jetzt bei Schweinen bewiesen.  In der Experimentieranlage in Dummersdorf wurden Sauen mit jeweils eigenen Namen vertraut gemacht und marschierten erst nach namentlichem Aufruf zum Futtertrog. Diese Art der Fütterung vermeidet Stress und soll bald schon in bundesdeutschen Schweineställen Alltag sein. Die Weiterentwicklung des erfolgreich getesteten Aufrufsystems wird mit 253.000 Euro vom Bundeslandwirtschaftsministerium gefördert.

Massentierhaltung bedeutet in der Regel Stress für das Tier. Vor allem das Drängeln am Futtertrog sorgt buchstäblich für Chaos im Schweinestall. Aber es geht auch anders. Im  Experimentierstall der Nutztierbiologen vom Dummersdorfer Leibniz-Institut geht es durchaus geordnet und stressfrei zu. Der Grund: Ein Aufrufsystem managt das Leben im Schweinestall. Das heisst: jedes Tier hat einen Namen und hört auf ihn. Nach zwei bis drei Wochen Dressur trotteten die Säue Beate, Susi und Auguste gemächlich nach einander zum Trog, sobald ihr Name aufgerufen wurde. Nun soll das Projekt „Füttern nach Plan“ auch in anderen Ställen Schule machen. „Die bisherigen Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass Technik einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung des Tierwohls in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung leisten kann“, so Clemens Neumann vom Bundesminsterium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bei der Übergabe des Förderbescheids. Mit 253.000 Euro wird die Weiterentwicklung des vielversprechenden  Aufrufsystems von der Deutschen Innovationspartnerschaft Agrar (DIP) gefördert.

Weniger Stress am Futtertrog

Zwölf Jahre forschten und testeten die Dummersdorfer Wissenschaftler das neue Verfahren. Sie sind überzeugt: Der namentliche Aufruf von Schweinen zur Fütterung kann erheblich dazu betragen, unerwünschte Stresssituationen am Futtertrog zu verhindern, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und das Tierwohl insgesamt zu verbessern. Bei der Aufruffütterung handelt es sich um die Weiterentwicklung der elektronischen Futterstationen, die zur Versorgung von in Gruppen gehaltener trächtiger Sauen  zum Einsatz kommt. Hier werden bis zu 60 Tiere zentral nacheinander versorgt. Über Ohrmarkentransponder können sich die trächtigen Tiere Futteranteil „abholen“. 

Tiere auf Namen dressiert

„Unsere Weiterentwicklung setzt im Gegensatz dazu auf ein Futtermanagement per Aufruf, das heißt, die Sauen werden mit ihrem Namen zur Futteraufnahme aufgerufen. Das Verfahren der Aufruffütterung basiert auf einer automatisierten Konditionierung der trächtigen Sauen, also dem Training auf einen Namen, das ca. zwei bis drei Wochen dauert“, erläutert der Leiter des Instituts für Verhaltensphysiologie am FBN, Birger Puppe. Hier lernen die Tiere, auf ein individuelles Signal zu reagieren und sich der Futterstation zu nähern. „Der wesentliche Effekt des Aufrufverfahrens ist die Vermeidung von Futterkämpfen in der Sauengruppe sowie das Setzen von Beschäftigungsanreizen“, erklärt der FBN-Projektleiter Christian Manteuffel.

Erste Tests auch im Kuhstall

Vor allem vom Einsatz des  Verfahrens  bei der Haltung von großen Tierbeständen rechnen die Forscher mit einem echten Mehrwert für den Halter. „Bei der Aufruffütterung wird dieser Mehrwert durch die Möglichkeit geschaffen, mit gesünderen Tieren länger arbeiten zu können. Die Langlebigkeit der Sauen wird dadurch für die Halter zu einem Faktor von direktem wirtschaftlichem Interesse“, so Manteuffel.  Die  Rostocker pironex GmbH wird im Rahmen des Projektes das Aufrufsystem zu einem kostengünstigen Seriengerät fertigen. Das System wird auch bei der Haltung von Kühen erprobt.

Bäume und Sträucher auf Ackerflächen oder Weideland sind charakteristisch für sogenannte Agroforstsysteme. Diese Art der mehrschichtigen Landnutzung ist zwar nicht neu. In Mitteleuropa gilt Frankreich als Vorreiter. Dagegen steckt Deutschland noch im Versuchsstadium fest. Ob diese Form der Landwirtschaft nachhaltig ist und welche Folgen diese auf den Boden haben, ist für Deutschland noch nicht systematisch untersucht. Diese Lücke wollen Göttinger Bodenforscher nun in einem neuen Projekt schließen. Drei Millionen Euro stellt das Bundesforschungsministerium dafür bereit.

Grüne Pappeln oder Sträucher durchziehen in mehreren Reihen das Getreidefeld. Während der Mähdrescher die goldenen Ähren jedes Jahr abmäht, bleiben Bäume und Hecken noch Jahre stehen. Die Kombination von Gehölzen mit landwirtschaftlicher Nutzung wird seit rund 30 Jahren in Ländern mit gemäßigtem Klima sowie am Mittelmeer praktiziert. Der Vorteil dieser multifunktionalen Landnutzung: Im Vergleich zu Monokulturen kann unter einer agroforstlichen Bewirtschaftung durch eine verbesserte Ausnutzung von Nährstoffen und Wasser ein Mehrertrag von bis zu 40 Prozent erzielt werden. Bäume und Sträucher dienen zudem als Windschutz und Schattenspender sowie als Wasser- und Erosionsschutz.

Basis für Agrofortstwirtschaft in Deutschland schaffen

In Deutschland ist die Agroforstwirtschaft jedoch noch nicht verbreitet, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, weil der Nutzen für hiesige Verhältnisse noch nicht ausreichend untersucht ist. Mit dem neuen Verbundbprojekt „Sustainable intensification of agriculture through agroforestry (SIGNAL)“ unter Federführung der Universität Göttingen soll diese Lücke nun geschlossen werden.

Millionen für Verbundprojekt

In den nächsten drei Jahren werden neue, speziell an die Bedürfnisse mitteleuropäischer Regionen angepasste agroforstliche Anbausysteme untersucht, die der herkömmlichen Landwirtschaft sowohl ökonomisch als auch ökologisch überlegen sind. Das Projekt wird im Rahmen des Programms „BonaRes – Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 2,7 Mio. Euro gefördert. Koordiniert wird das Vorhaben von Bodenforschern an der Universität Göttingen.

Kurzumtriebsplantagen auf den Grund gehen

Dafür werden die Wissenschaftler vier Acker- und drei Grünlandflächen im nord-ostdeutschen Raum ins Visier nehmen, auf denen so genannte Kurzumtriebsplantagen mit Pappeln und Weiden zur Gewinnung von Energieholz angebaut wurden. Bundesweit gibt es vier Agroforstflächen, die zu Versuchszwecken genutzt werden -  in der Thüringer Ackerebene, dem Rekultivierungsgebiet Lausitz und den Regionen Braunschweig und Göttingen. „Bislang fehlt es an einer systematisch vergleichbaren und längerfristigen Auswertung mit Blick auf die Ressource Boden. Deshalb bringen wir die Forscherteams, die an diesen Standorten bereits wertvolle Ergebnisse erarbeitet haben, erstmals in einem sorgfältig geplanten und abgestimmten Verbundprojekt mit einheitlichem experimentellem Design zusammen“, so Edzo Veldkamp von der Universität Göttingen, Sprecher des Verbundprojekts SIGNAL.

Welche Faktoren beeinflussen das Pflanzenwachstum? Antworten auf diese Fragen liefern neben dem Blick ins Erbgut von Nutzpflanzen vor allem Untersuchungen ihrer Gestalt und ihrer unmittelbaren Umgebung. Pflanzen vor Ort auf dem Acker vermessen, das ist jedoch noch immer sehr aufwendig. Bald schon könnte diese zeitintensive Arbeit ein Hightech-Fahrzeug übernehmen, das jetzt seinen ersten Feldtest erfolgreich bestanden hat. Die im Rahmen des Projektes PredBreed von verschiedenen Partnern entwickelte selbstfahrende Messplattform beruht auf einem ausgeklügelten Sensorsystem, das Daten erfasst, kombiniert und auswertet und somit eine wissensbasierte Züchtung verschiedenster Kulturarten erleichtern soll. Die Phänotypisierungsplattform namens BreedVision soll zunächst zur Züchtung einer Getreideart als Energiepflanze eingesetzt werden. Das Projekt wurde vom  Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert.

Die hochgelegte Messstation ähnelt einem Traktor. Doch das vierrädrige Gefährt hat mehr als herkömmliche Agrarmaschinen zu bieten: Es ist ausgestattet mit hochsensibler und modernster Technik und kommt gänzlich ohne Fahrer aus. Bei „BreedVison“ handelt es sich eine Phänotypisierungsplattform, die bisher weltweit einmalig ist. Das Besondere: Mithilfe eines neuartigen Sensorsystems wird eine schnelle, nicht-invasive und präzise Phänotypisierung von Pflanzen im Feld möglich. Die Weltneuheit wurde im Rahmen des vom BMEL geförderten Projektes Predbreed seit 2012 von verschiedenen Partnern entwickelt. Daran beteiligt waren die Landessaatzuchtanstalt an der Universität Hohenheim, die Hochschule Osnabrück sowie die Unternehmen, Saatzucht Dr. Hege und HYBRO Saatzucht, Nordsaat Saatzucht und W. von Borries-Eckendorf der Saaten Union Gruppe. Koordinator des Forschungsprojektes war die Gemeinschaft zur Förderung von Pflanzeninnovation e. V. (GFPi)

Präzise Vorhersage mit sensorbasierten Messdaten

Im Zusammenhang mit der Zucht von Pflanzen zur Biomasseproduktion sind exakte Messdaten Voraussetzung, um das Verfahren wirtschaftlich zu machen. Mit Breedvision haben die Wissenschaftler nun eine Präzisionsphänotypisierungsplattform entwickelt, die den Phänotyp verschiedener Zuchtstämme im Feldversuch zerstörungsfrei erfassen kann. Dafür entwickelten sie einen Multifunktions-Geräteträger mit zahlreichen Sensoren, die sowohl morphologische als auch Daten zu den Inhaltsstoffen der Pflanzen erheben können.

Rückschlüsse zum Feuchte- und Trockengehalt der Pflanze

So erstellen Lichtgitter eine Art Schattenbild der Parzellen, aus denen sich indirekt die Pflanzenhöhe und -dichte bestimmen lässt, und mit einer Hyperspektralkamera kann man über den Feuchtegehalt der Pflanzen Rückschlüsse auf deren Trockenmassegehalt ziehen. Weitere verwendete Sensortypen sind u.a. Laserdistanzsensoren, Time-of-flight-Kameras und Multireflex-Ultraschallsensoren. Die Innovation liegt jedoch in der Bündelung der Sensordaten, die jeweils mit einem Zeit- und Positionsstempel versehen sind und so zur Vorhersage von Zielmerkmalen wie den Jahreeffekt genutzt werden.

Triticale als neue Energiepflanze nutzen

Das Projekt PredBreed wird darüberhinaus auch einen Beitrag zur Entwicklung eines Zuchtprogramms für die relativ neue Getreideart Triticale - eine Kreuzung aus Weizen und Roggen – als Energiepflanze leisten. Hierfür wollen die Wissenschaftler das Potenzial der genomischen Selektion zur Vorhersage der Biomasse erforschen und bis 2017 eine Trainings- und eine Validierungspopulation mit über 1.000 Bioenergie-Triticale-Zuchtstämmen aufbauen und diese mit genomweiten molekularen Markern genotypisieren. Kombiniert mit den mittels der Phänotypisierungsplattform erhobenen Daten können dann biometrische Modelle getestet werden, die es erlauben, den Zuchtwert der Triticale-Zuchtstämme zu schätzen, um diese zukünftig anhand der genotypischen Daten frühzeitig selektieren zu können.

Durch Domestikation wurden Wildpflanzen in kultivierbare Formen verwandelt. Durch diese Anfänge der Züchtung wurde der Ackerbau und Sesshaftigkeit möglich. Das geschah vor etwa 10.000 Jahren im Nahen Osten – dem sogenannten fruchtbaren Halbmond, einer Region, die sich sichelförmig von Israel über Syrien, die Südosttürkei bis in den Nordirak und -iran erstreckt. Hier wurden unsere heutigen Getreidearten aus Wildgräsern gezüchtet. Allen voran die Gerste. Ein internationales Wissenschaftlerteam unter Leitung japanischer Forscher und unter maßgeblicher Beteiligung von Forschern des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben, hat nun die molekulargenetischen Grundlagen des wichtigsten Domestikationsmerkmals der Gerste – die Spindelfestigkeit – aufklären können. Die Forscher berichten im Fachjournal Cell (2015, Bd. 162, S.527).

Die Wildform der Gerste ist bei der Ausbreitung ihrer Nachkommenschaft darauf angewiesen, dass die Ähre zum Zeitpunkt der Samenreife auseinander fällt und dadurch alle Körner unabhängig voneinander verbreitet werden können. Dieses Merkmal macht eine effiziente Ernte des Korns allerdings unmöglich. Seit Beginn der landwirtschaftlichen Nutzung der Gerste wurde daher Saatgut von Pflanzen, die eine stabile Ährenachse aufwiesen, bevorzugt. Auf diese Weise wurde die Urform der Kulturgerste mit einer entsprechend höheren Spindelfestigkeit domestiziert.

Begehrtes Merkmal: eine stabile Ährenachse

In Cell berichten die Forscher, dass zwei chromosomal eng benachbarte Gene unabhängig voneinander durch spontane genetische Veränderung (Mutation) ihre Wirkung verloren, wodurch eine stabile Ährenachse ausgebildet wird. Das Team von Jochen Kumlehn konnte durch Hinzufügen nichtmutierter Genvarianten aus Wildgerste in eine heutige Kulturgerste den Beweis dafür führen. Für eines dieser beiden Gene wurde die ursprüngliche, nichtmutierte Variante in einer Wildgerstenpopulation aus Israel identifiziert, womit der wahrscheinliche Ursprungsort der Domestikation der Gerste eingegrenzt werden konnte. Jedes der beiden identifizierten Gene bewirkt in reinerbig mutierter Form einen Verlust der Ährenspindelbrüchigkeit. Interessanterweise kam es durch die Ausbreitung des Ackerbaus nach Westen (Europa) bzw. Osten (Asien) zu einer Auftrennung von Kulturformen deren Ährenfestigkeit entweder auf dem einen oder dem anderen Gen beruht.

Erklärung für spindelbrüchige Nachkommen in heutigen Züchtungen

„Deshalb“, so Nils Stein „kommt es heutzutage in der Pflanzenzüchtung durchaus vor, dass bei der Kreuzung west-europäischer Gerstensorten mit solchen aus Ostasien spindelbrüchige Nachkommenschaften entstehen“.Diese bahnbrechenden Ergebnisse des internationalen Forscherteams helfen,  die Domestikationsgeschichte unserer heutigen Getreidearten besser zu verstehen. Auf dieser Grundlage ist es etwa möglich, zu untersuchen ob in den anderen, nahe verwandten Getreidearten Weizen und Roggen dieselben Gene eine Veränderung durchliefen oder andere Faktoren an der Herausbildung der Spindelfestigkeit beteiligt waren

Regensburger Forscher haben zusammen mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston Nanopartikel entwickelt, die Schadstoffe aus Wasser und Erdreich absorbieren können. Die Partikel selbst sind biologisch abbaubar. Nach dem Gebrauch lassen sie sich relativ einfach beseitigen, da sie verklumpen, wenn man sie UV-Licht aussetzt. Über ihre Erfindung berichten sie im Fachjournal Nature Communications (2015, Online-Veröffentlichung).

Der Kontakt mit bestimmten Chemikalien, z.B. mit Pestiziden oder Arzneimittelrückständen, steht im Verdacht, die Entwicklung von Krankheiten wie Krebs oder Diabetes zu begünstigen. Zwar ist die Möglichkeit, Nanopartikel zur Reinigung von kontaminiertem Wasser oder Erdreich einzusetzen, schon länger bekannt. Allerdings gibt es erhebliche Vorbehalte gegen diese Technologie, da die Nanopartikel nach ihrem Einsatz häufig in der Umwelt verbleiben und die Bildung von giftigen Nebenprodukten nicht ausgeschlossen werden kann. Deshalb ist es besonders wichtig, Wege zu finden, um die Nanomaterialien nach ihrem Einsatz einfach und effektiv zu entfernen.

Auf Licht-Kommando verklumpen die Partikel

Ferdinand Brandl vom Institut für Pharmazie der Universität Regensburg hat gemeinsam mit Rob Langer vom MIT neuartige Nanopartikel, sogenannte  amphiphile Diblock-Copolymere entwickelt. Sie können die Chemikalien aus kontaminiertem Wasser und Erdreich binden. Nach der Behandlung mit UV-Licht verlieren die Nanopartikel ihre stabilisierende Hülle und vereinigen sich zu Klumpen, die mit den Schadstoffen angereichert sind und die einfach zu beseitigen sind. Das System kombiniert somit das hohe Absorptionsvermögen von Nanopartikeln mit einem einfachen Weg zur Entsorgung der Abfälle.Erste Experimente mit Abwasser, Thermopapier und kontaminiertem Erdreich waren sehr vielversprechend und haben gezeigt, dass bei dem neuen Verfahren keine giftigen Nebenprodukte entstehen. Es erlaubt somit die künftige Entwicklung von risikoarmen und hochaktiven Materialien für die Abwasserbehandlung und die Sanierung von kontaminieren Böden.

Ob im Garten, auf Feldern und Wiesen oder im tropischen Regenwald: Regenwürmer sind überall zu finden. Auch wenn sie nicht jeder mag, die Tiere leisten einen enorm wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Böden. Denn Regenwürmer ernähren sich auch von giftigen Stoffen, die sie aus totem Pflanzenmaterial ziehen. Max-Planck-Forscher aus Bremen fanden nun heraus,  wie sich die Würmer gegen gefährliche Bestandteile ihrer Kost schützen. Ihre Studie ist im Fachjournal Nature Communications (2015, Online-Veröffentlichung) erschienen.

Was Pflanzen zum Schutz gegen Frassfeinden dient, ist für Regenwürmer ein überlebenswichtiger Nahrungsbestandteil: Polyphenole. Die Stoffe wirken als Antioxidantien und sind für die Farbgebung der Pflanze verantwortlich. Gleichzeitig sind Polyphenole für viele Pflanzenfresser nur schlecht bekömmlich, weil sie deren Verdauungsprozesse blockieren. Für Regenwürmer machen die giftigen Pflanzenstoffe einen großen Anteil ihrer Nahrung aus.  Doch wie gelingt es ihnen, die Polyphenole zu verdauen, ohne Schaden zu nehmen? Dieser Frage sind Forscher vom Bremer Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie auf den Grund gegangen. Das Team um Manuel Liebeke identifizierte dabei im Darm der Regenwürmer Moleküle, die dem Wurm als schützendes Gegenmittel dienen. Die sogenannten Drilodefensine setzen danach die pflanzlichen Abwehrstoffe außer Gefecht und kurbeln so die Nahrungsverdauung an.

Schutzmolekül setzt Giftstoffe außer Gefächt

„Es gibt weltweit eine Menge von diesen Wirkstoffen, weil es sehr viele Regenwürmer gibt, teilweise bis zu 300 pro Quadratmeter. Die Gesamtmasse der Drilodefensine ist beträchtlich, verteilt auf die Weltbevölkerung ungefähr ein Kilogramm pro Mensch“, erklärt Manuel Liebeke. Liebeke und sein Team stellten fest: Je mehr Polyphenole in der Nahrung der Würmer stecken, desto mehr Drilodefensin wird im Regenwurmdarm gebildet. Der Studie zufolge umhüllt das Schutzmolekül Drilodefensin die Nahrungseiweiße und Enzyme im Wurmdarm und verhindern so, dass die Polyphenole daran binden können. Anderenfalls würden die pflanzlichen Polyphenole auch den Darm des Wurmes schädigen.

Massenspektrometrie weist Schutzmolekül nach

Mittels Massenspektrometrie konnten die Forscher das Schutzmolekül im Darm der Würmer nachweisen und genau verfolgen, wo sich das Defensin ansammelte. Liebeke ist überzeugt, dass dieses neue bildgebende Verfahren MALDI-MS das Verständnis in der Biologie auf vielen Ebenen revolutionieren wird. „Wir sind nun in der Lage, fast jedes Molekül in einem Lebewesen wie dem Regenwurm zu lokalisieren. Und wenn wir wissen, wo sich das Molekül anreichert, hilft es uns dabei seine mögliche Funktion zu verstehen.“

Alte Fernseher, Handys oder Tablets gehören nicht in den Hausmüll, sondern müssen vorschriftsmäßig entsorgt werden. Der Grund liegt auf der Hand: Schadstoffe werden verbreitet und Ressourcen verschwendet. Nachwuchsforscher in Karlsruhe arbeiten nun an biologisch leicht abbaubaren Materialien, die auch zum Druck von Elektronikteilen geeignet sind. Diese Bioelektronik, so die Idee, könnte  später einfach auf dem Biomüll entsorgt werden. Am Projekt „Biolicht“ sind auch Partner aus der Industrie beteiligt. Das Bundesforschungsministerium stellt  1,7 Millionen Euro zur Verfügung.

2 Millionen Tonnen Elektroschrott fallen jährlich in Deutschland an. Die Möglichkeit, Elektronik wie organische Leuchtdioden für Bildschirme jeder Art kostengünstiger zu drucken, hat den Wegwerftrend noch beflügelt. Denn Elektronik aus dem Drucker liegt im Trend und lässt Geräte wie Fernseher, Smartphones und Computer immer billiger werden. Eine Entwicklung, die den Verbraucher freut, Umweltschützer jedoch mit Sorgen verfolgen. Dem wollen junge Forscher vom Karlsruher Institut für Technologie nun entgegenwirken. Geht es nach den Vorstellungen der Nachwuchsforscher, könnten Halbleiter und Farbstoffe bald schon aus biologisch leicht abbaubaren Materialien wie Pflanzenextrakten und Isolatoren aus Gelantine bestehen. „Diese sind zwar nicht so langlebig wie die anorganischen Alternativen, doch die Lebensdauer von Einwegelektronik überstehen sie schadlos“, sagt Gerado Hernandez-Sosa, der die Nachwuchsforschergruppe Biolicht leitet. Das Projekt wird über einen Zeitraum vom vier Jahren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,7 Millionen Euro unterstützt. Projektpartner sind neben dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Unternehmen BASF SE, Merck, Heidelberger Druckmaschinen AG und SAP AG sowie die Universität Heidelberg .

Elektronik verrottet auf dem Kompost

Der Vorteil liegt auf der Hand: Ausgediente Elektronik aus biologisch abbaubarem Material könnte problemlos wie Kartoffeln- oder Bananenschalen in den Biomüll oder Kompost geworfen werden und dort verrotten. Für herkömmliche gedruckte Elektronik wie die in Fernseh- und Computerbildschirmen verwendeten organischen Leuchtdioden (OLEDs) könnte diese Entsorgungsmethode bald möglich sein. Noch besteht die Trägerfolie der OLEDs aus der gleichen Plastik, aus der Getränkeflaschen hergestellt sind. Die Nachwuchsforscher wollen dafür Naturstoffe wie Speisestärke, Zellulose oder Chitin einsetzen. Auf Metalle und Halbmetalle wie Silizium verzichten sie fast vollständig.

In drei Jahren zur Marktreife

Diese kompostierbare Trägerfolie wird  – ähnlich wie Papier- mit elektronischen Bauteilen bedruckt. Die Funktion dieser Bauteile hängt von der dafür verwendeten Tinte ab. Anstelle von Farbpartikeln sind darin leitende, halbleitende oder nichtleitende, also isolierende, Materialien gelöst. Nach dem Auftragen trocknet das flüssige Lösemittel und die zurückbleibende Schicht bildet das entsprechende Bauteil.

Die Nachwuchsforscher von „Biolicht“ wollen dafür biologisch abbaubare Tinten entwickeln, die auf das neue Folienmaterial abgestimmt sind. Zugleich sollen die Tinten mit den in der Industrie bereits bestehenden Geräten gedruckt werden können. „Hersteller organischer Elektronik können so auf die umweltfreundlichen Materialien umsteigen, ohne ihr Druckerarsenal auszutauschen“, sagt Hernandez-Sosa. Doch zunächst müssen die Forscher umweltverträgliche Materialien finden, welche die erforderlichen elektrischen Eigenschaften besitzen. Geeignet wäre danach Hartgelantine, aus der Medikamentenkapseln bestehen. Auch muss die Tinte den druckfähigen Temperaturen standhalten, darf also werden zu flüssig noch zu dick sein. Denn die Dicke, die weniger als ein tausendstel Millimeter beträgt, darf maximal um fünf Prozent schwanken. Trotz der noch hohen Herausforderungen: Das Karlsruher Team ist zuversichtlich, dass in den nächsten drei Jahren die kompostierbare Elektronik marktreif ist.

PLA - auch als Polymilchsäure bekannt - ist derzeit der wohl aussichtsreichste Kandidat unter den biologisch abbaubaren Werkstoffen. Das Biomaterial ist vor allem aus der Kunststoffindustrie nicht mehr wegzudenken und verdrängt konventionelle Verpackungen zunehmend aus den Regalen. Viele PLA-Hersteller verwerten Biomasse, die auch für Lebensmittelzwecke genutzt werden könnte.  Forscher vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen haben nun gemeinsam mit internationalen Kollegen ein Verfahren entwickelt, das auf algenbasierte Abfälle setzt. Die hierdurch gewonnene Biofolie hat erste Praxistests bereits bestanden.

Joghurtbecher, Einkaufstüten, Cremedosen, Blumenfolie oder Kugelschreiber werden zunehmend aus Polymilchsäure hergestellt. Der Grund: die Milchsäuremoleküle sind auf Grund ihrer Eigenschaft leicht abbaubar. Sogar in der Medizintechnik hat sich der PLA-Werkstoff bei der Herstellung biokompatibler Implantate daher durchsetzt. Basierend auf landwirtschaftlichen Abfallprodukten wie Molke kommen auch Mais als Stärke-Substrat bei der PLA- Herstellung neben Milchsäure zum Einsatz. Die Lebensmittelindustrie ist somit der stärkste Konkurrent bei der PLA-Produktion.

PLA aus Algen mit Bananen- und Mandelschalen gestärkt

Materialforscher vom Fraunhofer-Institut „UMSICHT“ haben nun im Rahmen des von der Europäischen Kommission geförderten, internationalen Konsortiums Eclipse eine alternative Biomassequelle entdeckt: algenbasierte Biomasse, die bei der Biodieselproduktion anfällt. Aus den hierin enthaltenen Algen haben die beteiligten Forscher zunächst PLA extrahiert. Durch den Einsatz von nanoskaligen Fasern und Füllstoffen aus Bananen- und Mandelschalen oder Fischereiabfällen wie Chitin aus Krustentieren wurden dann die Eigenschaften des Materials noch einmal verbessert und daraus zwei biobasierte und zugleich bioabbaubare Kunststofffolien hergestellt. Zum einen handelte es sich um Agrarfolien und um Standbeutel-Verpackungen für Feuchttücher. Beteiligt waren Partner aus Chile, Kolumbien, Spanien, Deutschland, Belgien, Schweden und Großbritannien. Im Mai lief die Förderung durch die EU aus.

Fest,widerstandfähig und biologisch abbaubar

„Die Herstellung der homogenen Blasfolie erfolgte zuerst im Technikum von Fraunhofer UMSICHT und anschließend als industrieller Prozess auf einer konventionellen Blasfolienanlage für Folien aus Polyethylen beim Projektpartner Banacol in Kolumbien. Hier konnte erfolgreich eine bis zu 10 µm dünne Mono-Blasfolie bei einem Durchsatz von 100 kg/h produziert werden", erläutert Hendrik Roch von der Abteilung Biobasierte Kunststoffe beim Fraunhofer UMSICHT. Die Vorteile der Biofolie aus Algen: Das Material besitzt auf Grund der nanoskaligen Chitin-Schalen eine hohe Festigkeit sowie Flexibilität und ist daher sehr widerstandsfähig gegen Materialschädigungen. Auch aufgrund seiner antifungiziden Eigenschaften können daraus auch biologisch abbaubare Agrarfolien in industriellem Umfang hergestellt werden. Das milchig-transparente Material ist zudem UV-beständig und sogar bei Temperaturen, die sonst für Polyethylen-Folien üblich sind, zu verarbeiten. Einen ersten Praxistest hat die Biofolie aus Algen bereits bestanden: In Feldversuchen zur Reifung von Bananen wurde der Kunststoff auf zwei klimatisch unterschiedlichen Plantagen beim Projektpartner in Kolumbien eingesetzt.

Biofolie noch nicht konkurrenzfähig

Darüber hinaus testeten die Wissenschaftler, ob die PLA-basierte Biofolie auch als Standbeutel-Verpackung für Feuchttücher geeignet ist. Auch hier erwies sich das transparente Material als äußerst fest und undurchdringlich gegenüber Feuchtigkeit und Sauerstoff. Außerdem konnte sie problemlos auf einer konventionellen Flachfolienanlage verarbeitet werden. „Das Material ist immer noch etwas steifer als beispielsweise konventionell eingesetzte PET/PE-Folien (Polyethylenterephthalat/ Polyethylen-Folien) für Standbeutel, generell stehen die Werkstoffeigenschaften der Biofolie denen der erdölbasierten Produkte aber in nichts nach“, fasst Roch zusammen. Noch ist die Biofolie allerdings nicht konkurrenzfähig. Auf Grund ihres hohen Energieaufwandes bei der Materialherstellung können die Gesamtkosten des Herstellungsprozesses zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mit konventionellen fossilen Kunstoffen mithalten. Daran wollen die ECLIPSE-Forscher nun weiter arbeiten.

Ob Lebensmittelhersteller, Energiefirmen oder Kosmetikindustrie - Algen sind vielfältig einsetzbar und gewinnen zunehmend als Biomasselieferant an Bedeutung. Dass in Algen auch heilende Kräfte schlummern, zeigt eine aktuelle Studie der CRM- Coastal Research & Management GmbH aus Schleswig-Holstein. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Wirkstoffe der heimischen Braunalge Fucus vesiculosus  das Wachstum von Krebszellen in der Bauchspeicheldrüse dämmen. Damit unterstreicht die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Studie das Potential der Algen als Medikamentenlieferant.

Ihr hoher Anteil an Proteinen und Kohlenhydraten hat der Alge den Ruf als gesunde Kost beschert. In Ländern wie Japan steht der Seetang traditionell auf jeder Speisekarte.  In Deutschland ist die exotische Kost noch eine Ausnahme. Ihr Potenzial als Biomasse gewinnt dagegen zunehmend an Bedeutung. In dem im Mai eröffneten Algenforschungszentrum in Jülich werden Auch im EU-Projekt „EnAlgae“ („Energetic Algae“) arbeitet ein internationales Team daran, die Entwicklung der Biomasseproduktion aus Algen voranzutreiben. In der Kosmetikindustrie haben sich Algenextrakte ebenfalls bereits durchgesetzt. Das auf Marine Biotechnologie spezialisierte Kieler Unternehmen oceanbasis nutzt seit mehreren Jahren die Wirkstoffe von Seegras zur Herstellung von Hautpflege- und Nahrungsmittelprodukten.

Heimische Braunalge als Krebstherapeutika

Am privaten Meeresforschungszentrum CRM, einem Schwesterunternehmen von oceanbasis, wurden Inhaltsstoffe aus heimischen Makroalgen nun auch auf ihre medizinische Wirkung untersucht. Dabei konnten die Forscher zeigen, dass sie offenbar eine wirksame Waffe gegen Krebs sein können. Dies geht aus einer Studie hervor, die im Rahmen des vom BMBF geförderten Verbundprojektes „Algen gegen Krebs“ durchgeführt wurde. Als Basis diente die in der Ostsee beheimatete Braunalge namens Fucus vesiculosus, deren therapeutische Wirkung mithilfe von mehreren Krebszellinien untersucht wurde. An dem vom CRM geführten Projekt waren neben Unternehmen wie oceanbasis auch Forscher von Universitäten aus Deutschland und Italien beteiligt. Über das Ergebnis der dreijährigen Forschungsarbeit berichtet das Team nun im Fachjournal Marine Drugs (2015, Online-Veröffentlichung).

Algenextrakt hemmt Krebswachstum

Demnach ist es den Wissenschaftler gelungen, die Wirkstoffe aus der Braunalge so aufzureinigen, dass sie das Zellwachstum verschiedener Zelllinien des aggressiven Bauchspeicheldrüsenkrebses (Pankreaskrebs) mit einem speziellen Wirkmechanismus eindämmt. Der verwendete Algenextrakt führte dazu, dass die Krebszellen vermehrt Enzyme produzierten, welche die Prozesse der Zellvermehrung behinderten. Das betraf insbesondere die sich stark vermehrenden Krebszellen - hingegen weniger die gesunden Zellen. Auch in Kombination mit bekannten Krebsmedikamenten zeigte der Algenextrakt der Studie zufolge eine hohe in-vivo-Wirksamkeit. Auf Basis der Ergebnisse sind die CRM-Forscher nun auf der Suche nach Partnern, mit denen die Algenextrakte als Wirkstoffe zur Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs weiterentwickelt werden können.

Ginster ist in Europa eine weitverbreitete Pflanze. Die leuchtend gelben Blüten sind das Markenzeichen des Strauchgewächses und die ersten Sommerboten. Doch auch weit weg vom beheimateten Territorium ist der Schmetterlingsblütler zu finden: im mediterranen Afrika genauso wie in West-Asien. Für diese und andere Pflanzen liefert nun ein Weltatlas erstmals einen globalen Überblick. Die Datenbank gibt an, welche Pflanzenarten sich wo angesiedelt haben und wo sie eigentlich beheimatet sind. Die Datenbank „Global Naturalized Alien Flora (GloNAF) wurde in vierjähriger Forschungsarbeit von einem internationalen Biologen-Team unter Leitung der Universität Koblenz und unter Mitwirkung von Göttinger Nachwuchsforschern zusammengestellt. Mit Hilfe der Daten kann nun vorhergesagt werden, welche Pflanzenarten wo besonders dominant werden könnten. Die beteiligten Forscher berichten darüber im Fachjournal Nature (2015, Online-Veröffentlichung).

Pflanzen wie der Steckginster (Ulex europaeus) mit seinen typisch gelben Blüten prägen das Bild heimischer Wiesen und Felder.  Doch auch in Neuseeland gehören die leuchtend gelben Felder seit langem zum Landschaftsbild. Wie der in Europa beheimatete Stechginster sind auch andere zahlreiche Pflanzenarten inzwischen weit weg von ihrem ursprünglichen Territorium zu finden. Mithilfe der ersten globalen Datenbank, der „Global Naturalized Alien Flora“ (GloNAF)  konnten Forscher mindestens 13.168 Pflanzenarten identifizieren, die heute außerhalb ihres heimischen Lebensraums sesshaft sind. Das entspricht 3,9 Prozent der Flora weltweit.

Weltkarte zu eingewanderten Pflanzen

Die Datenbank ist eine internationale Gemeinschaftsarbeit, an der Wissenschaftler von 83 Forschungseinrichtungen beteiligt waren. Unter der Leitung von Mark van Kleunen von der Universität Konstanz wurden hier Daten aus 481 Festlandgebieten und 362 Inseln  - dies entspricht rund 83 Prozent der weltweiten Landfläche - zusammen getragen. „Die größte Herausforderung bestand darin, die Namen der Pflanzenarten zu standardisieren. Sie beschreibt, wo sich fremde Pflanzenarten weltweit ausgebreitet haben und wo sie herkommen“, berichtet van Kleunen.

Europa ist Pflanzen-Exporteur Nr. Zwei

Im Fachjournal Nature berichten die Forscher nun über erste Ergebnisse, die sich aus der Sammelarbeit ergeben. Demnach gibt es in Nordamerika mit knapp 6.000 gebietsfremden Arten die meisten eingebürgerten Pflanzen. Auf Platz Zwei folgt Europa mit über 4.000 Pflanzenarten, die ursprünglich aus anderen Gefilden stammen. Im Verhältnis zu ihrer Fläche verzeichnen jedoch die pazifischen Inseln den größten Zuwachs an fremden Pflanzenarten, während die Länder der nördlichen Hemisphäre die größten „Exporteure“ sind, angeführt von Europa und dem nicht-tropische Teil Asiens. „Mit dieser Datengrundlage können wir nun beginnen, stärker Fragen nach den biologischen Zusammenhängen zu stellen“, erklärt van Kleunen.

Die Wissenschaftler der Göttinger Universität Holger Kreft und Patrick Weigelt von der Free Floater-Nachwuchsgruppe Biodiversität, Makroökologie und Biogeographie stellten für die Studie Daten zu zahlreichen Inselfloren bereit. „Die große Zahl eingebürgerter Pflanzenarten auf Inseln ist besonders besorgniserregend, weil sie dort wegen vieler freier Nischen leichtes Spiel haben und die endemischen Arten zunehmend verdrängen“, erläutert Kreft.

Datenbank als Hilfsmittel für Vorhersagen

Mit der globalen Datenbank wurde nun erstmals eine wissenschaftliche Grundlage geschaffen, um offene Fragen wie nach den Faktoren, die zur Verbreitung der Pflanzenarten  beitragen oder den Eigenschaften, welche die Ausbreitung in den jeweiligen Gebieten begünstigen, beantworten zu können. „Die Daten können nun auch dazu genutzt werden, um Vorhersagen zu treffen, welche Arten in welchen Gebieten dominant werden könnten“, betont van Kleunen

Ein Jahr nach Baubeginn ist Ende August im brasilianischen Regenwald des Amazonas der Klima-Messturm "Amazonian Tall Tower Observatory" (ATTO) eingeweiht worden. Mithilfe des über 300 Meter hohen Giganen wollen Forscher fortan in luftiger Höhe Klimadaten sammeln und so die Grundlage für verbesserte Klimamodelle liefern. Er soll auch dazu beitragen, die Rolle des Amazonas im weltweiten Klimageschehen besser zu verstehen. Die Kosten für das deutsch-brasilianische Gemeinschaftsprojekt von insgesamt 8,4 Millionen Euro wurden jeweils zur Hälfte von beiden Ländern übernommen. Von deutscher Seite aus wurde das Vorhaben vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz koordiniert und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert.

Mit seinen 325 Metern ragt der Stahlkoloss weit über die Wipfel der Urwaldbäume heraus und übertrumpft damit um 24 Meter sogar den Pariser Eiferturm. Die Planung der Klimamessstation im brasilianischen Amazonasgebiet begann vor sechs Jahren. Vor einem Jahr wurde Nun ist der Stahlturm "Amazonian Tall Tower Observatory" (ATTO) 150 km von der Hauptstadt Manaus entfernt im Regenwald offiziellen der Wissenschaft übergeben worden. Zukünftig können die Forscher mithilfe der Messdaten von ATTO  Fragen beantwortetn werden, die im Zusammenhang mit der Entstehung von Treibhausgasen stehen. Für Bundesforschungsministerin Johanna Wanka ist die neue Messstation daher nicht nur ein „weithin sichtbares  Zeichen“ für die gute wissenschaftliche Zusammenarbeit beider Länder. "ATTO hilft, Klimaveränderungen besser zu verstehen und die grünen Lungen unseres Planeten zu schützen. Zudem ist der Turm Ausdruck für das Engagement Deutschlands, dem Klimawandel entgegen zu treten und durch eine verbesserte Wissensgrundlage die internationale Klimapolitik zu unterstützen", sagte die Ministerin anlässlich der Einweihung am 22. August in Brasilien.

Unverfälschte Klimadaten aus luftiger Höhe

Das Besondere an der neuen Klimastation ist vor allem seine geografische Lage. Das Amazonasgebiet ist bekannt für seinen Artenreichtum, aber auch für seinen Einfluss auf das Wetter. Schließlich ist der Regenwald eing großer CO₂-Speicher und umfangreiches Süßwasserreservoir. Mithilfe des ATTO-Turms werden deutsche und brasilianische Wissenschaftler fortan von hier aus, weit ab von Straßenlärm und anderen menschlichen Einflüssen, Klimabeobachtungen durchführen und unverfälschte Daten erhalten können.

Die neue Forschungsbasis wird ihnen auch dazu dienen, Klimavorgänge in unterschiedlichen Höhenlagen und den Einfluss des Amazonasgebietes auf das globale Klimageschehen besser analysieren und verstehen zu können. „Mit ATTO erreichen wir einen Meilenstein in der Erforschung des Erdsystems. Alle Daten, die wir an diesem neuen Messturm generieren, fließen in Modelle zur Vorhersage der Klimaentwicklung ein“, so der Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft, Ferdi Schüth.

Messwerte als Basis für neue Klimaschutzmodelle

Die Forscher sind zuversichtlich, dass der Messturm dazu beitragen wird, die klimarelevanten chemischen und physikalischen Prozesse über dem Amazonasgebiet zu erfassen, zu bewerten und damit neue Grundlagen für den Klimaschutz zu schaffen. „Bisher wissen wir nur unzureichend, welche Rolle der Urwald bei der Bildung von Aerosolpartikeln und somit der Wolkenbildung spielt. Es wartet somit eine ganze Palette von Geheimnissen darauf, mithilfe unseres neuen Messturms aufgedeckt zu werden“, so der Projektkoordinator der Max-Planck-Gesellschaft, Jürgen Kesselmeier.

Bessere Klimaprognosen möglich

Der Stahlkollos wurde in den vergangenen Monaten auf verschiedenen Ebenen mit Sensoren, Sendern und Pumpen ausgestattet, um Luft anzusaugen und so den Anteil an Aerosolen messen zu können. Von der Spitze des Messturms aus können die Forscher zudem nun  nachvollziehen, welche Veränderungen große Waldgebiete in Luftmassen auslösen, die den Regenwald überqueren. Daraus können wiederum Rückschlüsse über die Bedeutung des Regenwaldes auf die Chemie und Physik der Atmosphäre gezogen werden. „Mithilfe der Daten werden wir einen großen Fortschritt bei der Darstellung der tropischen Regenwälder in meteorologischen sowie Erdsystemmodellen erreichen. Es wird zukünftig möglich sein, viel detaillierte Wettervorhersagen und Klimaprognosen zu erstellen“, erklärt INPA-Wissenschaftler und Koordinator des ATTO Projekts auf der brasilianischen Seite, Antonio Manzi.

An dem Gemeinschaftsprojekt „ATTO“ waren neben dem Max-Planck-Institut für Chemie als Koordinator, das Max-Planck-Institut für Biogeochemie, das brasilianische Bundesinstitut für Amazonasforschung INPA (Instituto Nacional de Pesquisas da Amazônia) und die Universität des Staates Amazonas UEA (Universidade do Estado do Amazonas) beteiligt. Die Kosten von rund 8,4 Millionen Euro für den Bau der Klimamessstaion teilen sich Deutschland und Brasilien jeweils zur Hälfte. Eine vergleichbare Klimastation namens ZOTTO wurde bereits 2006 in Sibirien unter Leitung vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie errichtet.