Debatten durchleuchten

Debatten durchleuchten

Sina Leipold

Beruf:
Sozialwissenschaftlerin

Position:
Junior-Professorin am Lehrstuhl für Gesellschaftliche Transformation und Kreislaufwirtschaft der Universität Freiburg

Sina Leipold, Junior-Professorin am Lehrstuhl für Gesellschaftliche Transformation und Kreislaufwirtschaft der Universität Freiburg
Vorname
Sina
Nachname
Leipold

Beruf:
Sozialwissenschaftlerin

Position:
Junior-Professorin am Lehrstuhl für Gesellschaftliche Transformation und Kreislaufwirtschaft der Universität Freiburg

Sina Leipold, Junior-Professorin am Lehrstuhl für Gesellschaftliche Transformation und Kreislaufwirtschaft der Universität Freiburg

Sozialwissenschaftlerin Sina Leipold will das Wirtschaften nachhaltiger machen. Dafür nimmt die 32-Jährige vor allem die Debatten zu relevanten Bioökonomie-Themen wie Kreislaufwirtschaft unter die Lupe, um Denk- und Handlungsoptionen aufzuzeigen.

In ihrer Jugend durchkämmte Sina Leipold die Wälder in Thüringen. Heute tourt sie mit ihrem Mountainbike durch die Freiburger Gegend. Mit ihrer Begeisterung für die Natur und ihrer Neugier hat es die 32-Jährige zur jüngsten Junior-Professorin der Universität Freiburg geschafft. Schon als Kind wollte sie immer alles ganz genau wissen: „Meine Eltern haben immer gesagt, ich bin so ein Warum-Kind, das nie nachgegeben hat“, sagt die Forscherin. Mittlerweile reicht es der gebürtigen Thüringerin nicht mehr nur aus, zu wissen. Sie will verstehen, warum es so und nicht anders ist.

Seit 2016 leitet die junge Wissenschaftlerin an ihrem Lehrstuhl für gesellschaftliche Transformation und Kreislaufwirtschaft eine eigene Nachwuchsforschergruppe. Das Projekt „Circulus - Transformationspfade und -hindernisse zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft in der Bioökonomie“ wird im Rahmen der Förderinitiative „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel“ vom Bundesforschungsministerium bis 2021 mit 2 Mio. Euro gefördert.

Gesellschaftliche Zusammenhänge verstehen lernen

Der Wunsch, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen, keimte bei Leipold eher langsam. Ihr Interesse für gesellschaftliche Zusammenhänge wurde bereits frühzeitig geweckt. Von 2004 bis 2007 studierte sie Politik und Geschichte an der Universität Bochum. „Es hat mich besonders interessiert, wie unsere Gesellschaft funktioniert, was sie zusammenhält und warum sie so ist wie sie ist“, sagt Leipold. Ausschlaggebend für Ihren Fokus auf Politik für nachhaltiges Wirtschaften war ihre Studienzeit im „Global Studies“ Master in Freiburg, Buenos Aires, Delhi und Brüssel. Insbesondere die Zeit in Indien hinterließ bei der jungen Studentin einen nachhaltigen Eindruck. „Prägend war zu sehen, wie die Leute darunter leiden, wie sie ihre eigene Umwelt schädigen, kein sauberes Trinkwasser haben, die Natur mit Plastikmüll verschmutzen, den dann die Tiere fressen und verenden. Das war ein Wendepunkt, warum ich mich auf Umweltpolitik und nachhaltiges Wirtschaften spezialisiert habe“.

Von Klöstern Nachhaltigkeit lernen

Nachhaltiges Wirtschaften wurde dann auch zum Thema ihrer ersten wissenschaftlichen Projektarbeit an der Universität für Bodenkultur in Wien. „Ich wollte wissen, wie können wir Prozesse wie in Indien aufhalten. Was können wir tun, um zu vermeiden, dass wir Probleme kriegen, die wir nicht mehr lösen können“. Im Rahmen eines Forschungsprojektes untersuchte sie damals, warum Klöster so nachhaltig agieren. Sie lernte, wie stark das menschliche Miteinander das Verhältnis zur Umwelt und ein nachhaltiges Leben beeinflussen. „Das wichtigste Ergebnis war, dass vor allem die sozialen Strukturen der Klöster ausschlaggebend sind für ihren nachhaltigen Umgang mit sich selbst und der Natur. Sie schätzen nicht nur was sie besitzen, sondern vor allem die Gemeinschaft, und versuchen diese zu erhalten“, sagt Leipold. Das habe ihr gezeigt, dass der Schritt vom Umgang mit anderen Menschen zum Umgang mit der Natur sehr klein ist.

Gesetze für nachhaltigen Holzhandel hinterfragt

In der Wiener Forschergruppe entstand dann auch bei Leipold immer mehr der Wunsch, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. 2012 fand sie durch Zufall eine Doktorandenstelle an der Uni Freiburg und fokussierte sich auf das Thema Holzhandel. Hier untersuchte sie, welche Auswirkungen neue gesetzliche Rahmenbedingungen zum nachhaltigen Holzhandel in den USA, Australien und Europa haben und inwiefern sie tatsächlich zur ökologischen Nachhaltigkeit beitragen können. Dabei musste die Doktorandin feststellen, dass die neuen Gesetze hinter den hohen Ansprüchen zurück blieben.

Studienpreis für Doktorarbeit

„Statt nachhaltige Holzwirtschaft einzufordern, beschränken sich die Vorgaben auf legale Holzwirtschaft. Es gibt zwar bei Verstößen auch Strafen. Aber die Nachhaltigkeit ist etwas auf der Strecke geblieben“, resümiert Leipold. Warum sich härtere Vorgaben für nachhaltige Holzwirtschaft in den Gesetzen nicht durchsetzen konnten, untersuchte Leipold anhand der Debatten in den USA, Australien und Europa. „Ich konnte herausfinden, wie Wirtschafts- und Umweltlobbyisten und Politiker die politischen Prozesse in allen drei Weltregionen sprachlich manipulierten, um sich durchzusetzen und damit Politik zu schaffen, die die globale Holzwirtschaft grundlegend beeinflusst“. Für ihre Doktorarbeit wurde Sina Leipold mit dem Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung 2017 ausgezeichnet.

Juniorprofessur in Freiburg

Noch während ihrer dreijährigen Doktorarbeit nahm die junge Wissenschaftlerin eine neue Herausforderung an. Mentor und Doktorvater Georg Winkel motivierte Leipold dazu, sich Mitte 2015 an einer BMBF-Ausschreibung für Nachwuchsgruppen im Rahmen der Förderinitiative „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel“ zu bewerben. Dafür beschäftigte sie sich mit einem für sie ganz neuen Themenfeld, der Kreislaufwirtschaft. „Ich habe festgestellt, dass der Zusammenhang von gesellschaftlicher Debatte, gesellschaftlichem Handeln und Umweltauswirkungen im wissenschaftlichen Diskurs kaum verankert ist“. Mit diesem brisanten Thema traf die Forscherin den Nerv der Zeit und konnte das BMBF überzeugen und eine Millionenförderung für fünf Jahre einwerben. Die Überraschung war groß: „Weil ich damals noch nicht promoviert war und die Konkurrenz natürlich groß, war ich zunächst überwältigt. “, erinnert sich Leipold. Um für die Gruppe beste Bedingungen zu schaffen, folgte Leipold im April 2017 dem Ruf auf eine Juniorprofessur für »Gesellschaftliche Transformation und Kreislaufwirtschaft« an die Universität Freiburg.

Risiken und Chancen der Kreislaufwirtschaft ausloten

Als eine der jüngsten Nachwuchsgruppenleiterinnen untersucht Sina Leipold im Rahmen des Projektes „Circulus“ nun, wie in Deutschland, Europa und China Kreislaufwirtschaft im Hinblick auf nachwachsende Rohstoffe geregelt ist, wie diese Regularien umgesetzt werden und welche Auswirkungen sie auf die Umwelt haben. „Ich will auf die Agenda bringen, wie man unsere Wirtschaft nachhaltiger gestalten kann“, betont Leipold. Dafür will sie Risiken und Chancen der Kreislaufwirtschaft ausloten und am Ende auch der Politik Empfehlungen geben. Im Fokus der Untersuchung stehen dabei Forst- und Agrarwirtschaft.

Alternative Kreisläufe aufzeigen

Gerade hinsichtlich der extrem vielfältigen Nutzung, Lebensdauer und Möglichkeiten der Wiederverwendung von Holz offenbarten sich dem Projektteam bereits erste Reibungspunkte, wie Leipold berichtet. „Da ist immer die Frage, über welchen Kreislauf sprechen wir eigentlich, den der Natur oder den innerhalb der Wirtschaft? Und können wir bestimmte Kreisläufe wie etwa bei Holz schließen ohne extrem hohe energetische, ökologische und personelle Kosten sowie Einbußen an verfügbarem Material? Das ist gerade hochgradig unklar“, sagt die Forscherin. Mithilfe der Analyse von Experten-Debatten identifiziert Leipold’s Gruppe alternative Möglichkeiten und Grenzen solcher Kreisläufe. Verschiedene Kreislauf-Strategien werden zudem auf ihre Umweltauswirkungen untersucht. Zusammen liefern die Ergebnisse politische und praktische Entscheidungshilfen für den Weg in eine Kreislaufwirtschaft.

Klar ist für Sina Leipold: Die Kreislaufwirtschaft muss so gestaltet werden, dass Verteilungskonflikte vermieden werden und die Umwelt keinen Schaden nimmt. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Forscherin also auch weiterhin mit bohrenden Fragen nach Antworten und Lösungen suchen.

Autorin: Beatrix Boldt