„Farbstoffe aus Pilzen sind eine Alternative zu synthetischen Farben“

„Farbstoffe aus Pilzen sind eine Alternative zu synthetischen Farben“

Friederike Hoberg

Beruf:

Biochemikerin
Position:

Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Stipendiatin im Projekt MycoColors, Fachgebiet für Angewandte und Molekulare Mikrobiologie der TU Berlin

Friederike Hoberg
Vorname
Friederike
Nachname
Hoberg

Beruf:

Biochemikerin
Position:

Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Stipendiatin im Projekt MycoColors, Fachgebiet für Angewandte und Molekulare Mikrobiologie der TU Berlin

Friederike Hoberg

Im Projekt MycoColors erforscht ein Team um Friederike Hoberg das Potenzial pilzbasierter Farbstoffe für die Mode- und Textilindustrie.

Nicht nur Pflanzen, auch Pilze bieten ein breites Spektrum an Farben. Anders als die pflanzlichen Naturstoffe ist ihr Potenzial als Farbstoffproduzent nicht nur kaum bekannt. Es fehlt auch an geeigneten biotechnologischen Verfahren, um Farbstoffe aus dem Myzel zu kultivieren. Diese Hürde will ein Team um die Berliner Biochemikerin Friederike Hoberg im Projekt MycoColors meistern. Die Forschenden wollen darin das Potenzial von Pilzfarbstoffen unter die Lupe nehmen und diese in der Textil- und Modeindustrie etablieren. Mithilfe molekulargenetischer Methoden wird dafür der Schimmelpilz Aspergillus niger als Produktionsplattform ausgebaut. Im Labor hat sich die Pilzart bereits als vielversprechender Farbstoffproduzent erwiesen.

Frage

Wie groß ist das Spektrum pilzbasierter Farben? Und welche Hürden gibt es derzeit, sie als Farbproduzenten industriell zu nutzen?

Antwort

Das Spektrum pilzbasierter Farbstoffe deckt alle Farben des Regenbogens ab. Man kann sich die Farbvielfalt im Reich der Pilze so divers vorstellen wie in der Tier- oder Pflanzenwelt. Dabei gibt es einige Farbmoleküle, die Licht absorbieren und somit für uns farbig erscheinen, die nur in Pilzen zu finden und somit von großem Interesse sind. Um diese Pilze allerdings biotechnologisch und somit industriell nutzen zu können, müssen wir sie im Labor kultivieren und dabei müssen Hürden überwunden werden. Einige für die Farbstoffproduktion spannende Pilzarten weisen eine parallele Produktion von Mykotoxinen, eine relativ langsame Wachstumsrate oder die Farbstoffproduktion nur unter bestimmten, potenziell unvorteilhaften Bedingungen auf. Wir forschen derzeit daran, diese Hürden mittels molekularer Methoden zu umgehen.

Frage

Wie groß ist das Potenzial pilzbasierter Farbstoffe für die Gestaltung neuer nachhaltiger Materialien – insbesondere für die Textil- und Modeindustrie?

Antwort

In der Textil- und Modeindustrie kommen mittlerweile fast ausschließlich chemisch synthetische Farbstoffe zum Einsatz, die aus nicht nachwachsenden, erdölbasierten Rohstoffen bestehen. Viele davon sind zusätzlich sowohl für den Menschen als auch bei Umweltfreisetzung für diverse Ökosysteme potenziell schädlich und müssen durch natürliche Alternativen ersetzt werden. Neben Pflanzen, die allerdings Agrarflächen, Wasser, Dünge- und Pflanzenschutzmittel benötigen sowie wetter- und saisonabhängig sind und somit weder ökologisch noch ökonomisch einen sinnvollen Ersatz darstellen, kommen Mikroorganismen wie Pilze, Bakterien und Algen als natürliche Farbstoffproduzenten infrage. Insbesondere jene Mikroorganismen, die mittels Bioreaktorkultivierung natürliche Farbstoffe produzieren, haben ein sehr großes Potenzial, ökologisch und ökonomisch eine ernsthafte Alternative zu synthetischen Farbstoffen darzustellen. Hinzu kommt, dass wir bislang erst schätzungsweise 5 % aller existierenden Pilzarten kennen und daher das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist.

Frage

Worauf zielt Ihre Forschungsarbeit ab? Was wollen Sie erreichen?

Antwort

Ein Lösungsansatz, um die genannten Hürden zu überwinden, ist die Verlagerung der Farbstoffproduktion in einen industriell etablierten heterologen Wirtsorganismus. Dafür eignet sich die gut erforschte und stoffwechselstarke Pilzart Aspergillus niger, die mit der Produktion von Zitronensäure jährlich ein Marktvolumen von mehreren Millionen Tonnen erreicht. Darüber hinaus hat sich A. niger bereits als effizienter heterologer Produzent von Sekundärmetaboliten, also Naturstoffen erwiesen, die enzymatisch in den Zellen produziert werden, aber nicht für den lebensnotwendigen Stoffwechsel des Organismus zuständig sind. Die meisten natürlichen Farbstoffe sind Sekundärmetaboliten und können mit dem geeigneten genetischen Repertoire in dem passenden Wirt produziert werden. A. niger soll dementsprechend als Plattform für die Herstellung farbgebender Naturstoffe ausgebaut werden.

Frage

Welche Methoden kommen zum Einsatz, um die Farbpigmente im Pilz aufzuspüren und zu gewinnen?

Antwort

Es sind bereits in der Literatur einige pilzbasierte Farbstoffe und Pigmente identifiziert worden, allerdings wurden die wenigsten davon weiter erforscht. In den meisten Fällen sind die Gene, die für die Produktion der Farben verantwortlich sind, noch nicht beschrieben und so werden mithilfe von RNA-Sequenzierungen und bioinformatischen Analysen die verantwortlichen Gene vorhergesagt. Darauf folgend kommen verschiedene molekulargenetische Methoden für den Einbau der Gene in den Zielorganismus zum Einsatz. Genetische Veränderungen müssen verifiziert werden und wenn alles wie geplant funktioniert, folgt die Farbstoffproduktion während der Kultivierung und die anschließende Extraktion.

Frage

Was sind die Herausforderungen bei der Extraktion der Pilzfarbstoffe und der Farbstoffoptimierung? Wie kann die Farbstoffproduktion im Pilz und damit die Ausbeute gesteigert werden?

Antwort

So divers wie die Farben sind, so divers auch die Moleküle, die dahinter stehen. Somit variieren für jeden Farbstoff die Extraktionsmittel, die Aufreinigung, die Farbstabilität und der Anwendungsbereich. Auch hinsichtlich dieser Herausforderungen ist es leichter, mit dem gleichen Wirtsorganismus zu arbeiten, insbesondere in Bezug auf die Farbstoffextraktion, aber auch hinsichtlich der Optimierung der Ausbeute. Die Ausbeute kann dabei mithilfe von Gentechnik, der Manipulation von Stoffwechselwegen sowie der Optimierung von Wachstumsbedingungen und Prozessparameter beeinflusst werden. Eine der größten Herausforderungen bislang ist allerdings die Akzeptanz neuer Farbstoffe und den damit potenziell einhergehenden Veränderungen in den Färbeprozessen und den Farbeigenschaften. Dazu muss erwähnt werden, dass natürliche Farbstoffe ähnliche Licht- und Waschechtheiten erreichen können wie synthetische Farben.

Frage

Was haben Sie bisher erreicht? Und was sind Ihre nächsten Aufgaben?

Antwort

Am Fachgebiet für Angewandte und Molekulare Mikrobiologie der TU Berlin konnte bereits gezeigt werden, dass sich Aspergillus niger als Produzent verschiedenster Farbstoffe eignet. Ebenso konnten verschiedenste Gene in diese Pilzart eingebracht werden, die für eine heterologe Farbstoffproduktion nötig sind. An den genetischen Veränderungen werden wir auch in Zukunft arbeiten, um A. niger als Plattform weiter auszubauen. Des Weiteren spielen die Produktionsoptimierung und Extraktionsmethoden eine entscheidende Rolle in der aktuellen Forschung, um spannende nachhaltige Farbstoffe in die industrielle Anwendung zu bekommen.

Interview: Beatrix Boldt