Biogas aus Champignons

Biogas aus Champignons

Thomas Helle

Beruf
Doktor der Sozialwissenschaften

Position
Geschäftsführer der Novis GmbH in Tübingen

Vorname
Thomas
Nachname
Helle

Beruf
Doktor der Sozialwissenschaften

Position
Geschäftsführer der Novis GmbH in Tübingen

Thomas Helle, Geschäftsführer der Tübinger Novis GmbH, entwickelt im Rahmen des EU-Projektes „Smartmushroom“ eine Biogasanlage, die mit Champignonkompost betrieben wird.

Die Tübinger Novis GmbH hat sich der Weiterverarbeitung von und der Energiegewinnung aus Reststoffen verschrieben. So erzeugt sie beispielsweise bereits Biogas aus Stallmist, Hühnerkot, Obst- und Gemüseresten sowie aus Schlachtabfällen. Jetzt soll ein weiterer Reststoff hinzukommen: Champignonkompost (Champost). Im Rahmen des EU-Projektes „Smartmushroom“, das mit 3 Mio. Euro dotiert ist, will das Team um Novis-Geschäftsführer Thomas Helle eine Biogasanlage entwickeln, die mit Champost betrieben wird. Hintergrund: Für den Anbau von Champignons sind große Mengen an Substrat nötig, das überwiegend aus Pferde- und Hühnermist besteht. Doch der Einsatz als Dünger ist mengenmäßig begrenzt. Europaweit fallen so jährlich mehrere Millionen Tonnen Champost als ungenutzter Abfallstoff an. Das Projekt wird im Rahmen des EU-Programms Horizon 2020 – Fast Track to Innovation – gefördert und umfasst vier europäische Partner.

 

Frage

Wie kamen Sie auf die Idee, aus Champost Biogas herzustellen?

Antwort

Novis hat sich auf den Bau von Biogasanlagen mit ungewöhnlichen, oft schwer vergärbaren Einsatzstoffen spezialisiert. Champignonkompost ist so ein schwieriges Substrat. Das hat uns gereizt, damit zu experimentieren. In unseren Versuchen hat sich gezeigt: Wenn man die richtigen Additive und Enzyme hinzugibt, erhöhen sich die Erträge dramatisch. Wir haben 200–300% höhere Biogaserträge erzielt als mit konventionellen Verfahren.

Frage

Welche Eigenschaften zeichnen den Champost für die Biogasherstellung aus?

Antwort

Champost fällt in großen Mengen an – in Europa etwa fünf Millionen Tonnen pro Jahr. Das heißt, es gibt genügend Material. Für die Pilzzüchter lösen wir mit unserem Projekt ein Entsorgungsproblem. Champost ist durch seine Hygienisierung und das Pilzwachstum schon ziemlich gut aufgeschlossen, allerding sind auch die meisten Nährstoffe schon verbraucht. Deshalb wird biotechnologisches Hightech benötigt, um die verbleibenden vergärbaren Anteile voll aufzuschließen.

Frage

Worauf muss bei der Weiterverarbeitung zu Biogas und Düngepellets geachtet werden?

Antwort

Wir führen derzeit Tests mit der Hochschule Hamm-Lippstadt durch. Champignonsubstrat besteht überwiegend aus Pferde- und Hühnermist, mit länderspezifischen Variationen. Wir optimieren die biotechnologischen Parameter, also die verwendeten Enzyme und Pilzadditive so, dass wir am Ende den höchsten Biogasertrag erzielen und möglichst viele Salze aus dem Champost entfernen. Je höher wir in der Temperatur gehen, desto verträglicher ist das Material später als Dünger.

Frage

Die Pilotanlage steht in Spanien. Wann sind die ersten Anlagen in Deutschland geplant?

Antwort

Die Pilotanlage wird in der spanischen Region La Rioja gebaut – Spaniens größtes Anbaugebiet für Champignons. Bis 2025 sollen weitere Anlagen in insgesamt sechs europäischen Ländern folgen, darunter auch in Deutschland.

Frage

Woran arbeiten Sie gerade?

Antwort

Wir haben zwei sehr spannende Projektansätze, die auf Champost und auch auf normalen Gärresten basieren: Zum einen konnten wir in Wachstumsversuchen nachweisen, dass Champost nach der Hydrolisierung – der ersten Stufe des Biogasprozesses – sich perfekt als Deckerde für die Pilzzucht eignet. Üblicherweise wird Deckerde mit einem sehr hohen Anteil an Torf verwendet. Wir sind sicher, dass man mit unserem Verfahren große Teile der Torfnutzung durch modifizierten Champost bzw. Gärreste ersetzen kann.

Zum anderen haben Gärreste eine weitere tolle Eigenschaft: Aus ihnen lassen sich kostengünstig Fasern extrahieren. Wir arbeiten daran, aus diesen Fasern, gemeinsam mit einem großen europäischen Faser- und Textilforschungsinstitut, Naturfaserverbundwerkstoffe unter Einsatz von biobasierten Harzen herzustellen. Von ihren Eigenschaften her sind diese Naturfaserplatten besser als Holzwerkstoffplatten und können idealerweise am Ende ihrer Lebenszeit einfach kompostiert werden. Die hergestellten Faservliese aus Gärresten könnten außerdem zu ökologischen Formteilen für die Automobilindustrie verarbeitet werden.

Interview: Judith Reichel