Strategien und Programme
Klima- und Umweltschutzmaßnahmen erfahren im politischen Handeln der indischen Regierung einen steten Bedeutungszuwachs, von dem auch die Bioökonomie profitiert. Im Mittelpunkt stehen neben der Biotechnologie, die schon seit vielen Jahren Beachtung und gezielte Unterstützung erfährt, vor allem die Themen Agrar- und Umweltinnovationen, Bioenergie und Biopharmazeutika.
Die übergeordnete politische Steuerung liegt im Bioökonomiebereich beim Ministry of Science and Technology, insbesondere beim Department of Biotechnology (DBT), das dem Ressort untergeordnet ist. Das DBT fungiert als wichtigstes Regierungsorgan für Forschung, Entwicklung und Förderung. Bis zum Jahr 2024 wurde das Handeln beider Akteure vor allem von zwei DBT-Ausarbeitungen zur Biotechnologie geleitet: der National Biotechnology Development Strategy 2015–2020 und der bisher nicht offiziell verabschiedeten National Biotechnology Development Strategy 2020–2025. Die frühere Version legt den Fokus auf den Aufbau von Exzellenzzentren, Bio-Clustern, Innovationsinfrastruktur, Fachkräfteentwicklung und internationale Kooperationen. Der Nachfolger betont stärker präzisionsbiologische Technologien und die Verknüpfung mit Klimazielen.
Darüber hinaus sind wesentliche Elemente des Anschlussdokuments in das Strategiepapier BioE3 Policy eingeflossen. Ziel dieses politischen Rahmenwerks ist, Indien als globalen Vorreiter in der Biotechnologie zu positionieren und gleichzeitig wirtschaftliches Wachstum, Umweltverantwortung und Beschäftigung in Einklang zu bringen. Wichtiger Teil dessen ist die Absicht, eine zirkuläre Bioökonomie zu verstetigen, in der fossile Ressourcen durch biobasierte Alternativen ersetzt werden. Dabei rücken die Verantwortlichen biobasierte Chemikalien, Enzyme, funktionelle Lebensmittel, alternative Proteine, präzisionsmedizinische Biotherapeutika sowie eine klimaresiliente Landwirtschaft in den Mittelpunkt. Durch die Förderung innovativer Technologien zur Kohlenstoffbindung und -nutzung sowie nachhaltige Biomasseverwertung beabsichtigt man außerdem, einen wichtigen Beitrag zu den Netto-Null-Klimazielen ab 2070 zu leisten. Die soziale Dimension wird vor allem mit der Errichtung von Bioproduktionszentren und Innovationsclustern in kleineren Städten bedacht, um hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen und den ländlichen Raum zu stärken. Wichtige Bestandteile der konkreten Umsetzungspläne sind die Einrichtung spezialisierter Bio-AI-Zentren, Biofoundries und Technologieplattformen, um Forschung und Kommerzialisierung zu beschleunigen.
Die BioE3-Politik ist eng mit mehreren übergeordneten Regierungsprogrammen verknüpft, die Indiens wirtschaftliche und ökologische Transformationsziele bündeln. Dazu zählt insbesondere die Initiative Make in India, die der Biotechnologie bereits 2014 ein hohes Export- und Innovationspotenzial zuschrieb. Ein weiterer strategischer Baustein ist das Programm Startup India, das ein innovationsfreundliches Ökosystem für Gründer schaffen soll – inklusive steuerlicher Anreize, vereinfachter Regulierung und Finanzierungsmöglichkeiten. Für die Biotechnologie sind diese Förderoptionen besonders wichtig, da viele neue Entwicklungen, etwa in der synthetischen Biologie, von forschungsnahen Start-ups getrieben werden.
Monitoring
Seit 2016 geben die beiden wichtigen Institutionen BIRAC (Biotechnology Industry Research Assistance Council) in Zusammenarbeit mit ABLE (Association of Biotechnology Led Enterprises) jährlich ein umfassendes Bioökonomie-Monitoring heraus. Mit Analysen zur wirtschaftlichen Leistung der Bioökonomie stellt dieses für Regierung, Industrie und Forschung ein wichtigstes Planungs- und Steuerungsinstrument dar. Die jüngste Version wurde im März 2025 veröffentlicht: India BioEconomy Report 2025.
Indiens Wissenschaftslandschaft gilt international als wachsend wettbewerbsfähig, insbesondere in den Bereichen Biotechnologie, Umweltwissenschaften und Agrarforschung. Das DBT gilt auch in diesem Bereich als zentraler Akteur, dem 13 autonome Institute untergeordnet sind. Dazu zählen die Departments für Plant Genome Research (NIPGR), Immunology (NII) sowie Bioresources and Sustainable Development (IBSD). Für die Koordination ist der Dachverband Biotechnology Research and Innovation Council (BRIC) zuständig.
Eine Schlüsselposition kommt ebenso dem Indian Council of Agricultural Research (ICAR) zu, der dem Agrarministerium zugeordnet ist. Mit über 100 Forschungsinstituten und 75 landwirtschaftlichen Universitäten fördert ICAR Technologien in Bereichen wie Pflanzenzüchtung, Tierhaltung und Ernährung und ist somit etwa für die Entwicklung von Biopestiziden, Biodüngemitteln, gentechnisch verbesserten Nutzpflanzen und klimaresilienten Anbausystemen verantwortlich. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit DBT und BRIC.
Zahlreiche Universitäten und Technikinstitute bieten spezialisierte Studiengänge zu Bioökonomiethemen an, häufig mit Biotechnologiefokus. Beispiele dafür sind Industrial Biotechnology, Bioinformatics, Bioprocess Technology, Environmental Biotechnology und Food Technology. Bereitgestellt werden diese von renommierten Einrichtungen wie der Jawaharlal Nehru University (JNU), dem Indian Institute of Science (IISc) sowie von mehreren IITs (Indian Institutes of Technology), die sich etwa in den Metropolen Delhi und Mumbai befinden.
Mit steigender Tendenz ist die Bioökonomie ein wichtiger Teil Indiens Wirtschaft. Laut dem India BioEconomy Report 2025 erreichte der Sektor 2024 einen Umfang von 165,7 Milliarden US-Dollar und trug damit 4,25 % zum BIP bei. Biopharmazeutika (z. B. in Form von Biosimilars und rekombinanten Proteinen), agrarbasierte und industrielle Biotechnologieanwendungen sowie die Bioenergie besitzen die größte wirtschaftliche Bedeutung.
Im Agrarsektor werden zunehmend biobasierte Düngemittel, Biopestizide und Biostimulanzien entwickelt und eingesetzt, z. B. mikrobenbasierte Produkte zur Ertragssteigerung oder klimaresiliente Pflanzensorten. Im Bereich industrielle Biotechnologie wird die Fermentation für die Herstellung von Biokunststoffen, Enzymen, Bioethanol und Biochemikalien eingesetzt. Wachsende Bedeutung erlangt auch die Verwertung von Biomasse und Agrarabfällen für die Herstellung von Bioenergie und Biokohlenstoffen, beispielsweise über Anlagen zur Biomethanproduktion aus Zuckerrohrbagasse oder Reishülsen.
Starke Impulse kommen von Biotech-Start-ups, von denen über 6.000 in Indien aktiv sind (Stand: 2024). Diese werden u. a. durch BIRAC und regionale Bioinnovation-Hubs unterstützt. Cluster wie Bengaluru Bioinnovation Centre oder TCG International Biotech Park bündeln Wirtschaft, Forschung und Start-up-Förderung. Die Association of Biotechnology Led Enterprises (ABLE), die auch Mitherausgeber des jährlichen Monitorings ist, vertritt die Interessen der Branche, fördert Technologietransfer und Marktintegration.
Autorin: Kristin Kambach