Ob zum Frühstück, nach dem Essen oder einfach zwischendurch: Kaffee ist das beliebteste Heißgetränk der Deutschen. Für 72% der Bundesbürger gehört der belebende braune Trunk zum Alltag. 165 Liter Kaffee werden im Schnitt pro Jahr von jedem Einzelnen konsumiert. Der Kaffeesatz, der dabei übrigbleibt, landet jedoch für gewöhnlich im Abfall. Diesen Reststoff als Rohstoffquelle für neue biobasierte Materialien und Produkte zu nutzen, ist mittlerweile zu einem spannenden Forschungsfeld geworden.
So stand die Entwicklung hochwertiger biobasierter Verbundwerkstoffe auf Basis von Kaffeesatz auch im Fokus des Projektes BioKaVe. Das Vorhaben wurde von der abc GmbH in Köln koordiniert und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Ideenwettbewerbes „Neue Produkte für die Bioökonomie“ von Juni 2017 bis Dezember 2019 mit rund 675.700 Euro gefördert. In gleicher Höhe stellten die vier Projektpartner eigene Finanzmittel für das Vorhaben zur Verfügung.
Erdölpolymere durch Kaffeesatz ersetzen
In den vergangenen Jahren entwickelte das Team um abc-Geschäftsführer und Projektkoordinator Alexander Schank ein Aufbereitungsverfahren, um Kaffeesatz zu recyceln und für eine breite Palette von Verbundwerkstoffen nutzbar zu machen. „Kunststoffe sind recht teuer und wir wollten Teile der konventionellen Erdölpolymere durch etwas Günstigeres und Biobasiertes ersetzen", so Schank. Im Visier stand daher die Entwicklung von Füll- und Farbstoffen, mit denen der Anteil fossiler Kunststoffe im Verbundwerkstoff reduziert werden kann.
So vielfältig das Kaffeeangebot, so breit ist auch das Spektrum der Kaffeesatzsorten, die dem Projektteam als Ausgangsstoff zur Verfügung standen. „Ob Espresso, Filter- oder Instantkaffee: Da haben wir nicht unterschieden", so Schank. Zum Einsatz kamen sowohl Reststoffe, die in Kaffeehausketten übrigblieben als auch Reststoffe eines großen Instantkaffeeherstellers.
Vom inhomogenen Reststoff zum homogenen Industriestoff
Doch ohne Weiteres ließ sich der Kaffeesatz nicht verarbeiten. „Die Herausforderung bestand darin, diesen inhomogenen Reststoff technisch so aufzubereiten, dass ein homogener Industriestoff daraus entsteht", sagt Schank. Daher musste das Team zunächst all jene Inhaltsstoffe aus dem Kaffeesatz eliminieren, die den späteren Verarbeitungsprozess behindern könnten. Dazu zählten insbesondere Öle, die beispielsweise dem Kaffee das Aroma geben. „Diese Öle stören bei der Kunststoffverarbeitung, weil dann keine richtige Bindung zwischen dem Kunststoffmatrixpolymer und dem Kaffeesatz als Füll- und Farbstoff hergestellt werden kann", erläutert Schank. Erschwerend kam hinzu, dass auch der Ölgehalt der einzelnen Kaffeesorten wie Arabica oder Robusta in Abhängigkeit von deren Herkunft verschieden ist. Schank zufolge war es daher kaum möglich, einheitliche und konstante Prozessparameter bei den Aufbereitungsaggregaten zu nutzen.
Zugstäbe, die aus Kaffeesatzgranulat gefertigt wurden
Aufbereitung in mehreren Stufen
Eine weitere Hürde war die leichte Verderblichkeit von Kaffeesatz. Schon nach wenigen Tagen bildet sich Schimmel. „Wenn Sie ganz kleine Mengen wie wir behandeln, hat jede Schimmelspore eine Auswirkung. Die Herausforderung war daher, ein Verfahren zu finden, dass sich in einem sehr kleinen Leistungsbereich auch noch wirtschaftlich darstellen lässt", sagt Schank. Hier ging es vor allem um eine energieeffiziente Lösung für die Trocknung des Reststoffes, um eine Schimmelbildung zu vermeiden.
Kaffeesatzmehl mit Kunststoff vermischt
Schließlich konnte das Team über ein mehrstufiges Verfahren die Störstoffe herausfiltern. „Dabei wurde der Reststoff in einem ersten Schritt sowohl thermisch als auch biologisch stabilisiert und im nächsten Schritt mechanisch weiterverarbeitet", erläutert Schrank. Detaillierte Angaben zu dem neuen Verfahren werden mit Verweis auf mögliche Schutzrechte derzeit nicht gemacht. Im Ergebnis entstand so ein Füllstoff, der in Pulverform vorliegt. Das aufgearbeitete Kaffeesatzmehl wurde am Ende vom Projektpartner IfBB - Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe mit herkömmlichen wie auch biobasierten Kunststoffen wie Bio-PE, PLA, PLLA und Bio-PA zu Kunststoffgranulat verarbeitet.
„Im Ergebnis haben wir jetzt eine Art Mustertabelle, anhand der wir erkennen, welcher Kunststoff mit welchem Mischverhältnis an Kaffeesatz eingesetzt werden kann", sagt Schank. Denn wie viel Kaffeesatzmehl in einen Verbundwerkstoff einfließt, bestimmt die jeweilige Art des Hauptkunststoffes und die spätere Anwendung des Biokunststoffbauteils. Ob Bio-PA oder PLLA zum Einsatz kommen, hängt wiederum davon ab, welches Produkt hergestellt werden soll und welche Materialanforderungen von den Kunden daran geknüpft sind.
Breite Palette von Produkten
Anhand zahlreicher Prototypen – von der Computermaus, über Kugelschreiber, Serviertabletts und Wasserspender bis hin zu Terrassendielen und Kaffeehaus-Böden - konnte das BioKaVe-Team zeigen, dass Kaffeesatz mithilfe des neuen Aufbereitungsverfahrens in einer Vielzahl von Verbundwerkstoffen einsetzbar ist. „Wir kommen jetzt erst in die Phase, wo wir schauen, ob das auch großtechnisch möglich ist", so Schank. Gespräche mit Industriepartnern gibt es bereits. Neben den am Projekt beteiligten Unternehmen, die BeoPlast Besgen GmbH in Langenfeld und die Maschinenfabrik Reinartz in Neuss, hat das Projekt weitere Interessenten an Bord, um schon in diesem Jahr den Praxistest im Industriemaßstab zu starten und erste Lieferbeziehungen aufzubauen. „Inwiefern das mit Corona und Co zu schaffen ist, ist natürlich fraglich. Wenn die Gespräche aber so weiterlaufen wie bisher, ist das durchaus ein realistisches Ziel", so Schank.
Autorin: Beatrix Boldt