Hybridzüchtung: Den Weizen genetisch kastrieren

Hybridzüchtung: Den Weizen genetisch kastrieren

Heterosis heißt das Phänomen, das Züchter nutzen, um den Ertrag von Nutzpflanzen deutlich zu steigern. In dem Projekt HYBWHEAT wollen Forscher aus Gatersleben Weizen mit gentechnischen Tricks für die Hybridzüchtung fit machen.

Weizenkeim
Die männlichen Blütenorgane einer Weizenpflanze wurden durch einen gentechnischen Trick sterilisiert.

Hybridsorten sind in der Landwirtschaft so etwas wie ein Turbo auf dem Acker: Kreuzt man genetisch unterschiedliche Elternlinien miteinander, so sind die Nachkommen besonders kräftig und ertragreich. Was beim Mais gut funktioniert, hätten Landwirte auch gern für den Weizen. Doch gerade bei der Weltnahrungspflanze Nummer eins ist die Erzeugung von Hybridsaatgut so teuer, dass eine vollständige Wertschöpfung noch nicht möglich ist. Das soll das BMBF-Verbundprojekt namens GABI-Hybwheat ändern: Mit einem gentechnischen Trick sind Forscher aus Gatersleben dabei, männlich-sterile Mutterpflanzen zu erzeugen, die sich dann mit Pollen von hochkarätigen Bestäuberpflanzen kreuzen lassen und ertragreiche Hybride liefern. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt zusätzlich im Rahmen der Förderinititative KMU-innovativ mit rund 600.000 Euro.

Viele Hochleistungssorten in der industriellen Landwirtschaft setzen auf den Heterosiseffekt: Bei der Kreuzung von Inzuchtlinien entstehende Hybridpflanzen sind häufig besonders ertragreich. Bei Mais und Roggen lässt sich der Ertrag damit sogar verdoppeln. Nötig dafür wäre zum einen ein weiblicher Kreuzungspartner, der männlich-steril ist, damit sich die zweigeschlechtlichen Blüten nicht selbst befruchten. Zum anderen müsste der männliche Kreuzungspartner exzellente Bestäubereigenschaften aufweisen  – also Pollen produzieren, der sich leicht auf die Mutterpflanzen übertragen lässt. Beide Eigenschaften sind natürlicherweise in Weizen nicht vorhanden. Es gibt bisher eine Reihe von Ansätzen, um Weizenpflanzen zu kastrieren. Eine mechanische Kastration, bei der wie beim Mais das Pollen tragende Organ entfernt wird, ist beim kleinblütigen Weizen nicht praktikabel. Eine gängige Methode basiert indes auf dem Einsatz von toxischen Chemikalien, die die Pollenbildung vermeiden. In der Praxis ist der Erfolg des Verfahrens stark von Umweltbedingungen und vom Einsatz aufwendiger Feldtechnologien abhängig und damit kaum rentabel.

Das geteilte Barnase-Gen

Forscher um Mario Gils vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben haben sich zum Ziel gesetzt, ein molekularbiologisches Verfahren zur Weizen-Hybridzucht zu entwickeln. Hierbei sollen sterile Mutter-Pflanzen erzeugt werden, die in Folge der Hybridkreuzung fruchtbare und ertragreiche Nachkommen produzieren. Die Forscher schleusen dazu ein Gen in die Pflanzen, das für die Produktion eines Eiweißes namens Barnase sorgt. Mit Hilfe bestimmter Steuerelemente ist das Barnase-Eiweiß in der Lage, gezielt ein Gewebe in der Blüte zu zerstören, das für die Pollenbildung verantwortlich ist. Die restliche Pflanze bleibt dabei unversehrt. Der Clou: „Unser Barnase-Gen ist in zwei Hälften geteilt“, sagt Mario Gils, „nur wenn diese zwei Hälften in einer Mutterpflanze zusammentreffen und sich ergänzen, wird die Pflanze pollensteril“. Bestäubt man eine solche Pflanze nun mit Pollen einer anderen Weizenpflanze, so entstehen Nachkommen, die fruchtbar und ertragreich sind, da durch die Kreuzung die beiden Barnase-Genhälften wieder voneinander getrennt werden. Die Hybridpflanzen tragen also nur noch eine Barnase-Genhälfte in sich und produzieren kein aktives Protein mehr.

Weizen kein Modellorganismus

Was auf dem Papier einfach und elegant aussieht, ist für die Pflanzenforscher in der Umsetzung eine harte Nuss: „Weizen ist molekularbiologisch gesehen alles andere als ein Modellorganismus“, sagt Gils. „Einige für die Systementwicklung nötigen Technologien mussten für Weizen neu etabliert werden“. Darüber hinaus ist Weizen genetisch gesehen ein äußerst komplexes Gewächs, das verhältnismäßig große Genom macht molekulare Analysen schwierig. Trotzdem haben es die Forscher geschafft, im Zeitplan zu bleiben: „Nach vielen notwendigen Zwischenschritten sind wir nun dabei, die Mutterpflanze für die Hybridkreuzung zu erzeugen“, sagt Gils.

Gute Väter gesucht

Industriepartner der Gaterslebener Forscher ist die Firma Nordsaat am Standort Langenstein. Hier kümmern sich die Züchter insbesondere um die männliche Seite des Hybridweizen-Projekts. Und damit um die Suche nach einem außergewöhnlichen Bestäuber, die Pollen. Das Problem: "Beim Weizen gibt es nur wenige gute Väter, es bedeutet wirklich die Nadel im Heuhaufen zu suchen", betont Gils. An dem Projektpartner schätzt Gils, dass die Möglichkeiten innovativer Methoden erkenne und mithelfe, sie weiterzuentwickeln.

Aspekte der Biosicherheit

Positiv am dem "Split-Gene-Approach" genannten System sei auch, dass nur ein Kreuzungspartner gentechnologisch verändert werden muss. Hinsichtlich der Biosicherheit birgt das System nach Ansicht des Gaterslebener Pflanzenforschers einen weiteren Vorteil: Nachkommen der Hybridgeneration sind entweder nicht-transgene Pflanzen oder tragen lediglich eines der inaktiven Fragmente des Transgens in sich. Das Projektteam ist zuversichtlich, dass es bald den Funktionalitätsbeweis ihres Systems vorlegen kann. In einigen Jahren könnte das System somit marktreif sein. Anfang des Jahres ist ein europäisches Patent erteilt worden, das wichtige Systemkomponenten schützt. Die Forscher sind sich sicher: Wenn sich der "Geteilte-Gen-Ansatz" durchsetzt, könnte das der Erzeugung von Hybridweizen einen deutlichen Schub verschaffen.

Autor: Philipp Graf