Biowasserstoff: Quellen und Forschungsansätze

Introbild Biowasserstoff Dossier

Text: Björn Lohmann, Philipp Graf

Grüner Wasserstoff gilt als zentrales Element der Energiewende. Bislang wird das Gas vor allem mittels Elektrolyse produziert, ein Prozess, der viel Strom verbraucht. Es gibt jedoch vielversprechende biobasierte Ansätze für die Wasserstoffgewinnung, in denen Algen und Bakterien eine wichtige Rolle spielen. Dieses Dossier stellt aktuelle Forschungsansätze vor.

Wasserstoff – zentrales Element der Energiewende

Wasserstoff ist ein Energieträger, der CO2-arm erzeugt werden kann. Das leichte Gas besitzt eine viel höhere Energiedichte als herkömmliche Kraftstoffe. Bei seiner Verbrennung entsteht Wasser und Wärme – die Nutzung verursacht damit keinen Kohlenstoff-Fußabdruck.

Daher gilt Wasserstoff als zentrales Element der Energiewende: In Zukunft soll Wasserstoff klimafreundliche Flugzeuge, Schiffe und Lastwagen antreiben und die Herstellung von grünem Stahl möglich machen. Damit den Wasserstoff als „grün“ bezeichnen kann, muss das Gas per Elektrolyse von Wasser mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt werden – ein Prozess, der energieintensiv und kostspielig ist.

Eine vielversprechende Alternative in puncto Nachhaltigkeit ist biobasierter Wasserstoff, der aus Biomasse oder mithilfe von Mikroorganismen und Algen gewonnen wird. Welche biobasierten Produktionsmethoden für die Wasserstoff-Erzeugung es gibt und welches Potenzial und welcher technische Entwicklungsstand für die unterschiedlichen Nutzungsbereiche besteht, analysiert dieses Dossier.

Herstellungswege und ihre Farben

Wasserstoff ist bunt – zumindest seine sprachliche Klassifizierung: Grauer Wasserstoff dominiert heute den Markt und stammt aus fossilen Quellen. Zumeist wird er aus Erdgas erzeugt, ein Prozess, bei dem je Tonne Wasserstoff etwa zehn Tonnen Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre entweichen und der bei Temperaturen von 500 bis 1.000 Grad Celsius stattfindet. Neben der chemischen Herstellung aus Erdgas entsteht Wasserstoff heute vor allem als Nebenprodukt chemischer Prozesse.

Wird CO2 bei der Produktion aufgefangen und gespeichert, spricht man von Blauem Wasserstoff. Blauer Wasserstoff nutzt somit weiterhin fossile Ressourcen und hilft bei der Energiewende nicht weiter. Türkisfarbener Wasserstoff entsteht aus Methan, das thermisch gespalten wird. Das ist dann CO2-neutral, wenn die thermische Energie aus erneuerbaren Quellen stammt und der dabei entstehende feste Kohlenstoff dauerhaft gebunden wird und nicht als CO2 in die Atmosphäre gelangt. Garantiert CO2-neutral ist nur Grüner Wasserstoff. Er stammt aus erneuerbaren Quellen, etwa der Elektrolyse von Wasser, die durch Strom aus erneuerbaren Quellen angetrieben wird oder biologischen Ressourcen.

Was ist Biowasserstoff?

Biobasierter Wasserstoff wird entweder aus Biomasse gewonnen oder mittels lebender Biomasse – also durch Stoffwechselleistungen lebender Organismen – hergestellt.

Brennstoffzellen und Energiespeicher

Eine Tonne Wasserstoff enthält 33.330 Kilowattstunden Energie. Er kann direkt, weiterverarbeitet zu Methan oder als Beimischung zum Erdgas, als Brennstoff verwendet werden. Um die Energie in Strom zu verwandeln, kommen Brennstoffzellen zum Einsatz. Darin reagieren Wasserstoff und Sauerstoff miteinander; es entsteht Wasser und Strom. Wird die entstehende Prozesswärme genutzt, spricht man von Kraft-Wärme-Koppelung.

Brennstoffzellen mit Kraft-Wärme-Koppelung werden beispielsweise in größeren Gebäuden als Heizung genutzt. Während in Japan mehrere hunderttausend Gebäude bereits so beheizt werden, ist in Deutschland die Kombination aus Wärmepumpe und Photovoltaik populärer. Weiterhin treiben Brennstoffzellen Fahrzeuge an, vom Gabelstapler bis zum Omnibus. Weltweit ist die Zahl der eingesetzten Brennstoffzellen jedoch erst fünfstellig. Prototypen und Kleinserien gibt es außerdem in der Luftfahrt, Schifffahrt und beim Zugverkehr. Derzeit wird die Bedeutung von Wasserstoff als Energiespeicher intensiv untersucht. So könnte beispielsweise überschüssiger Windstrom in Wasserstoff umgewandelt werden, der dann ins Erdgasnetz eingespeist wird oder im Mobilitätssektor als Treibstoff oder Rohstoff für die Erzeugung synthetischer Treibstoffe (E-Fuels) dient.

Wasserstoff ist zudem ein unverzichtbares Reduktionsmittel in der chemischen Prozessindustrie, mit dessen Hilfe Kohlenstoffatome zu Kohlenwasserstoffen umgewandelt werden. In einer Industrie, die sich immer stärker auf erneuerbare Kohlenstoffquellen (zum Beispiel CO2) stützt und einen geschlossenen technischen Kohlenstoffkreislauf anstrebt, spielt Grüner Wasserstoff eine zunehmend wichtige Rolle.

Nationale Wasserstoffstrategie

Bislang ist Grüner Wasserstoff nicht in ausreichender Menge verfügbar, um einen signifikanten Beitrag zur Energiewende zu leisten. Das soll sich nach den Plänen der Bundesregierung ändern., die dazu im Jahr 2020 die Nationale Wasserstoffstrategie beschlossen hat. Bis 2030 soll damit der Markthochlauf national wie international gestärkt und mit Nachdruck vorangetrieben werden. Auch die neue Bundesregierung will schnell den Aufbau einer Wasserstoff­industrie forcieren und hat dazu eine Überarbeitung der Wasserstoffstrategie angekündigt. Doch Deutschland wird allein nicht genug Wasserstoff produzieren können. Jülicher Forschende haben für das Jahr 2045 eine Nachfrage von rund 414 Terawattstunden berechnet, davon muss fast die Hälfte importiert werden.

Der Fokus soll dabei auf Grünem Wasserstoff liegen, wenngleich die Bundesregierung davon ausgeht, dass zunächst und vor allem international auch Blauer und Türkisfarbener Wasserstoff eine Rolle spielen werden. Biobasierten Wasserstoff erwähnt die Nationale Wasserstoffstrategie nur an einer Stelle – als zukunftsweisende Grundlagenforschung. Dieses Dossier stellt unterschiedliche biobasierte Ansätze vor.

Seite 2 von 7

Biomasse-Vergasung und Biogas-Reformierung

Wasserstoff wird in der Industrie derzeit überwiegend durch die Umsetzung von fossilen Kohlenwasserstoff-Verbindungen gewonnen. Um die Produktion nachhaltiger und nahezu CO2-neutral zu gestalten, lässt sich Biomasse anstelle fossiler organischer Verbindungen nutzen. Das können Holz oder Agrarreste wie zum Beispiel Stroh sein wie auch Siedlungsabfälle. Ihnen ist gemeinsam, dass sie als Ressourcen nicht mit der Lebensmittelproduktion konkurrieren.

Ein biobasiertes Verfahren, das über einen thermochemischen Weg Wasserstoff erzeugen kann, ist die Biomasse-Vergasung. Hierfür muss die Biomasse zunächst vorbehandelt werden. Wichtig ist es, den Feuchtigkeitsgehalt der Biomasse auf unter 15 Volumenprozent zu senken. Nach dem Trocknen kann die Biomasse in einen Vergaserreaktor eingespeist werden. Holzbestandteile wie die Cellulosen, Hemicellulosen und Lignin zersetzen sich zu Koks und flüchtigen Stoffen. Der Koks wird anschließend unter Temperaturen von etwa 1.000 Grad Celsius mit Wasserdampf und Sauerstoff in Kontakt gebracht und so in einen gasförmigen Energieträger umgewandelt. Allerdings sind die Wasserstoff-Ausbeuten im Vergleich zu etablierten Verfahren auf der Basis fossiler Rohstoffe geringer.

Biogasanlage

Die Dampf-Reformierung von Biogas zur Erzeugung von Wasserstoff basiert auf Technologien, die aus der Erdgas-Reformierung bekannt sind. Dabei wird Methan mit Wasser zu Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid (CO) umgesetzt. In Kombination mit einer nachgeschalteten Wassergas-Shift-Reaktion kann das produzierte Kohlenmonoxid mit Wasser zu CO2 und weiterem Wasserstoff umgewandelt werden.
Der eigentliche Schritt der Reformierung findet in der Regel bei Temperaturen oberhalb von 800 Grad Celsius und mithilfe eines Nickel-Katalysators statt. Diese Katalysatoren erfordern ein schwefelfreies Gas, weshalb vorherige Aufbereitungsschritte zur Grob- und Tiefenentschwefelung notwendig sind. Anschließend wird der CO-Gehalt im Reformat durch eine sogenannte Wassergas-Shift-Stufe verringert und der Wasserstoff abgetrennt.

Seite 3 von 7

Biophotolyse: Per Photosynthese zum Wasserstoff

Grüner Wasserstoff wird in der Regel durch Elektrolyse gewonnen: Hier wird Wasser mithilfe von Strom in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Bei der Photolyse wird das Wasser hingegen mithilfe von Lichtenergie gespalten.

Diese Reaktion liegt dem zentralen Stoffwechselvorgang auf der Erde zugrunde: der Photosynthese. Aus Sonnenlicht und den energiearmen anorganischen Stoffen CO2 und Wasser bauen Pflanzen die energiereiche organische Verbindung Glucose auf. In der Lichtreaktion, einem lichtgetriebenen Teilvorgang der Photosynthese, wird Wasser gespalten. Unter Zufuhr von Lichtenergie, katalysiert durch Enzyme werden die Wassermoleküle in Sauerstoff, Protonen (also Wasserstoff-Ionen) und Elektronen zerlegt.
Gelänge es, durch Photosynthese-Prozesse Wasserstoff erzeugen, könnte man auf die wohl häufigsten Ressourcen auf der Erde zurückgreifen: Wasser und Sonnenlicht.

Unter Biophotolyse werden sämtliche biologischen Verfahren zur Erzeugung von Wasserstoff mittels Photosynthese zusammengefasst. Photosynthetische Mikroorganismen können direkt aus Sonnenlicht Wasserstoff erzeugen. Der Wasserstoff ist dabei ein Nebenprodukt des Stoffwechsels der Mikroorganismen. Sowohl Cyanobakterien als auch einige Grünalgen (Chlorophyceae) sind in der Lage, Wasserstoff per Photolyse aus Wasser zu bilden. Der Wasserstoff dient hier oftmals als eine Art Ventil, um überschüssige Protonen, die bei hoher Photosynthese-Leistung erzeugt werden, zu reduzieren und aus der Zelle auszuschleusen.

Grünalgen im Laborexperiment

Direkter und indirekter Weg

Die Grünalge Clamydomonas reinhardtii ist einer der besten bisher bekannten Wasserstoffproduzenten. In der sogenannten direkten Biophotolyse stellt die einzellige Alge unter anaeroben Bedingungen Bedingungen – also unter Ausschluss von Sauerstoff – und in Abwesenheit von Schwefel Wasserstoff (H2) aus Wasser und Sonnenlicht her. Im ersten Schritt wird das Wasser am Photosystem II in Wasserstoff-Ionen und Sauerstoff gespalten und die photosynthetische Elektronentransportkette in Gang gesetzt. Hier kommen als Schlüsselenzyme die sogenannten Hydrogenasen ins Spiel. Sie katalysieren die simple Reaktion von Protonen und Elektronen zu molekularem Wasserstoff.

Einziges Nebenprodukt ist Sauerstoff. Weil außerdem im Wesentlichen Wasser, Sonnenlicht und CO2 als Ausgangsstoffe benötigt werden, gilt dieser Weg der Erzeugung von Grünem Wasserstoff als besonders nachhaltig. Zu den Vorteilen zählt, dass die Prozesse bei normalen Umgebungsbedingungen ablaufen und damit verfahrenstechnisch einfach umsetzbar sind und sich die Mikroorganismen (und damit ihre Enzyme als Biokatalysatoren) im Bioreaktor selbst vermehren. Für eine effiziente Produktion sind jedoch noch eine Reihe Herausforderungen zu meistern: Zum Beispiel müssen die Mikroorganismen auch bei hoher Kulturdichte noch genügend Sonnenlicht abbekommen, und die beteiligten Enzyme werden durch den entstehenden Sauerstoff gehemmt.

Einige Cyanobakterien und Grünalgen betreiben in Abwesenheit von Sauerstoff einen alternativen Stoffwechselweg, der indirekte Biophotolyse genannt wird. In einem ersten Schritt produzieren die Mikroorganismen Kohlenhydrate und speichern diese. Entsteht wieder Sauerstoffmangel, dann stoppt die Zelle bestimmte Prozesse und kann die so freiwerdenden Elektronenströme nutzen, um durch das Enzym Hydrogenase Wasserstoff zu bilden. Besonders effektiv beherrscht diesen Prozess die Mikroalge Chlorella. Weil zugleich Lipide entstehen, die industriell interessant sind, hat dieser Weg der Synthese Grünen Wasserstoffs das Potenzial, langfristig wirtschaftlich zu werden. Allerdings entsteht im Prozess auch CO2 und die eigentliche Wasserstoffausbeute ist bislang gering.

Bislang ist es nicht möglich, Wasserstoff großtechnisch mit photobiologischen Verfahren herzustellen, zur Biophotolyse existiert noch keine kommerziell relevante Skalierung. Ein Problem ist die Sauerstoffempfindlichkeit der beteiligten Mikroorganismen, da Sauerstoff ebenfalls in großen Mengen durch die Wasserspaltung entsteht.

Momentan sind die Wirkungsgrade daher eher niedrig, so dass nur 1,5 % der eingestrahlten Sonnenenergie zu Wasserstoff umgesetzt werden können. Durch eine sofortige Entfernung des entstehenden Sauerstoffs könnte der Wirkungsgrad auf 3 % bis 10 % steigen. Mit Blick auf den technischen Entwicklungsstand gibt eine Studie der Universität Erlangen-Nürnberg für diesen Prozess einen Technology Readiness Level (TRL) von 3 an, das heißt es existiert bisher allenfalls ein experimenteller Nachweis des Konzepts.

Biotechnologische Verfahren

Nach Ansicht von Fachleuten wird eine großtechnische Wasserstoffherstellung erst durch eine biotechnologische Veränderung der eingesetzten Mikroorganismen möglich.

Auf dem Weg zu sogenanntem solarem Wasserstoff setzen Forschende um Kirstin Gutekunst von der Universität Kassel auf einen gezielten Umbau des Wasserstoff-Metabolismus in Cyanobakterien. Mithilfe molekularbiologischer Methoden ist es dem Team gelungen, die Hydrogenase des Cyanobakteriums Synechocystis sp. PCC 6803 direkt mit dem für die Photosynthese entscheidenden Enzymkomplex Photosystem I (PS I) zu fusionieren. Das PS I liefert energiereiche Elektronen, die die Hydrogenase für ihre Arbeit benötigt.

Normalerweise verbraucht die Bakterienzelle den so entstehenden Wasserstoff schnell selbst. Wie die Forschenden im Fachjournal „Nature Energy“ berichteten, erzeugen die Mutanten erfolgreich photosynthetischen Wasserstoff und nehmen ihn im Anschluss wie erhofft nicht wieder auf.

Der gleichzeitig entstehende Sauerstoff hemmt die Aktivität der Hydrogenase. Daher entfernen die Forschenden den Sauerstoff momentan enzymatisch und unter Zugabe von Glucose. Der Kohlenhydratstoffwechsel und die Wasserstoffproduktion bilden in den Zellen jedoch ein komplexes Zusammenspiel: Denn die Hydrogenase kann die Glucose ebenfalls energetisch nutzen.

Diesen Teil des Prozesses will das Team um Gutekunst abkoppeln, sodass die Wasserstoffproduktion ausschließlich auf Sonnenenergie und der Spaltung von Wasser beruht. Die Vision der Kasseler Forschenden ist es, Sonnenenergie über die Photosynthese in Form von solarem Wasserstoff zu speichern. Ob sich der Prozess bis zur Produktreife entwickeln lassen wird, ist auf dem derzeitigen Forschungsstand noch nicht abzusehen. Gutekunst hat zur Förderung ihrer Arbeit im Jahr 2016 den BMBF-Forschungspreis „Nächste Generation biotechnologischer Verfahren“ erhalten.


Das Problem mit Sauerstoff, der die Hydrogenase hemmt, adressiert auch das Team um Thomas Happe von der Ruhr-Universität Bochum. Theoretisch kann ein einziges Hydrogenase-Enzym pro Sekunde 10.000 Wasserstoffmoleküle erzeugen – wenn der Sauerstoff sie nicht stört. Den Forschenden ist es gelungen, den für diese Reaktion entscheidenden Teil der Hydrogenase, den sogenannten Cofaktor, herzustellen und mit einer schützenden Hülle aus Proteinen zu versehen. Langfristig soll diese Hülle minimiert werden, sodass der Cofaktor an einer einfachen, stabilen und sauerstoffunempfindlichen Struktur gebunden ist. Gemeinsam mit Teams der TU München, des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion und des CNRS Marseille wurde inzwischen ein Meilenstein erreicht und eine Hydrogenase präsentiert, die eingebettet in ein Polymer mit Strom Wasser zu Wasserstoff spalten kann – und das in Gegenwart von Sauerstoff mehrere Wochen lang.

Seite 4 von 7

Biomasse-Fermentation: Reststoffe zu H2 vergären

Biomasse ist eine nachwachsende Quelle für Kohlenwasserstoffe, auf deren Basis Wasserstoff erzeugt werden kann. Mit dem Begriff Biomasse-Fermentation ist die mikrobielle Verstoffwechselung von Biomasse gemeint, dazu zählt zum Beispiel die Gärung. Für die Wasserstoffgewinnung sind die folgenden Prozesse relevant:

Photofermentation: Dieser Stoffwechselweg wird bei Stickstoffmangel von einigen photosynthetischen Bakterien genutzt, zum Beispiel den Purpurbakterien. Als Energiequelle für die Wasserstoffproduktion dient Sonnenlicht, die Elektronenquelle sind organische Säuren oder etwa Schwefelwasserstoff, die aus der Zersetzung organischer Substanzen entstehen. Elektronen aus den Enzymkomplexen Photosystem I und Photosystem II reagieren mit den Protonen zu Wasserstoff. Katalysiert wird diese Reaktion durch das Enzym Nitrogenase. Im Vergleich zur später in diesem Dossier beschriebenen Dunkelfermentation ist die Photofermentation deutlich effektiver und effizienter. Der Prozess ist zudem weniger sauerstoffempfindlich.

Dunkelfermentation: Diese alternative Stoffwechselroute der Wasserstoffproduktion kommt ohne Licht aus und findet unter anaeroben Bedingungen – unter Ausschluss von Sauerstoff – statt. Sowohl als Energiequelle und als Elektronenquelle dienen stattdessen organische Moleküle, wie Zucker oder organische Säuren. Insbesondere anaerobe Bakterien wie die Clostridien sowie einige Archaeen betreiben Dunkelfermentation. Bei diesem Prozess werden in den Mikroorganismen durch Hydrolyse komplexe Kohlenstoffverbindungen zu einfacheren Verbindungen abgebaut und dabei Wasserstoff und CO2 erzeugt. Der Prozess hat zwar eine hohe Umsetzungsrate, resultiert aber in einer eher geringen Wasserstoffkonzentration, die eine Aufreinigung des Gases erforderlich macht. Dafür entsteht keine Limitierung der Reaktion durch Sauerstoff. Eine Studie der Universität Erlangen-Nürnberg stuft diesen Prozess auf einen TRL-Level von 6 ein, das heißt die Technologie wird in industrierelevanter Umgebung getestet.

Biogasanlage Fraunhofer IFF

Öffentlich geförderte Forschungsaktivitäten

In dem von der EU, der Investitionsbank Sachsen-Anhalt und dem Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt HyPerFerment (Hydrogen Per Fermentation) untersuchen Fraunhofer-Forschende die mikrobielle Dunkelfermentation in Biogasanlagen. Dabei verwenden sie Reststoffe als Substrat. Bestimmte Bakterien vergären unter sauerstofffreien Bedingungen organische Substanzen zu etwa gleichen Teilen zu Wasserstoff und CO2. Dabei ist vorteilhaft, dass weder Methan oder Störkomponenten wie Schwefelwasserstoff entstehen. Allerdings ist der Abbau der organischen Stoffe durch die Dunkelfermentation unvollständig. Im Forschungsprojekt soll sie deshalb mit der konventionellen Biogas-Synthese gekoppelt werden. Dabei werden die organischen Reste zu Methan und CO2 vergoren. Letzteres lässt sich abscheiden oder chemisch verwerten. Methan dient als Energieträger zum Heizen. Weil bei der Koppelung der beiden Prozesse viele Synergien entstehen, ist die Gesamtbilanz besonders vorteilhaft.

Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Forschungsprojekt „HyTech – Biologische Wasserstofferzeugung für eine nachhaltige Energiewirtschaft“. Beteiligt sind Forschende der FH Münster und das Berliner Start-up BlueMethano GmbH. Hier sollen die Möglichkeiten zur Optimierung des Verfahrens der Dunkelfermentation untersucht werden. Wie bei einer Biogasanlage wird hier der Wasserstoff mittels Mikroorganismen aus Biomasse gewonnen. Unter Abwesenheit von Licht und Sauerstoff wandeln Bakterien organische Stoffe in Wasserstoff und Säuren um. Das ähnelt dem Biogasprozess, der jedoch noch die Methanbildung umfasst. Diese Stufe findet bei der Dunkelfermentation in einem zweiten Reaktor statt.

Seite 5 von 7

Elektrobiochemie: Strombasiert zum Biowasserstoff

Das junge Feld der Elektrobiotechnologie zielt darauf ab, mikrobielle und elektrochemische Stoffumwandlungen miteinander zu verknüpfen. So ließe sich Strom aus regenerativen Energiequellen dafür nutzen, Chemikalien und Energieträger zu synthetisieren. Im Rahmen eines solchen Power-to-X-Verfahrens lässt sich auch Wasserstoff biobasiert herstellen – mithilfe einer sogenannten mikrobiellen Elektrolyse-Zelle.

Die wichtigsten biologischen Akteure eines solchen Verfahrens sind elektrochemisch aktive Bakterien. Sie zersetzen organische Verbindungen zum Beispiel aus Abwasser und erzeugen hierbei zunächst CO2 und Elektronen. Die Elektronen strömen von der Anode zur Kathode, reagieren dort mit Wasserstoffatomen und setzen so Protonen frei. Dieser Weg der Wasserstofferzeugung erfordert jedoch eine kontinuierliche Energiezufuhr, um die Spannung aufrecht zu erhalten. Der Vorteil: Biomasse-Restströme aus der Abwasserbehandlung werden in diesem Prozess nutzbar.

Eine sehr neue Entwicklung ist die mikrobielle photoelektrochemische Zelle. Mikroorganismen besiedeln die Anode und erzeugen hier elektrochemisch aus organischen Verbindungen Elektronen. Ein von Sonnenlicht getriebener photoelektrochemischer Prozess führt schließlich dazu, dass Wassermoleküle in Wasserstoff und Sauerstoff aufgetrennt werden. Weil auch dieser Prozess enormes Nachhaltigkeitspotenzial hat, rückt er immer mehr in den Forschungsfokus. Allerdings gibt es nur wenige Arbeitsgruppen, die diesen Weg aktiv verfolgen. Denn wachsende Biofilme hemmen den Prozess.

Öffentlich geförderte Forschungsaktivitäten

In der Elektrobiochemie-Forschung angesiedelt ist das vom Bundesministerum für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „BioDME – Nachhaltige Synthese des Energieträgers Dimethylether aus Abwasser“. In der Abwasserreinigung wird viel Energie benötigt, um organische Reststoffe zu entfernen. Dagegen wollen die Forschenden die im Abwasser enthaltene Energie nutzbar machen und für die Wertstoff-Synthese nutzen. In mikrobiellen Brennstoffzellen sollen bestimmte Bakterien die organischen Substanzen abbauen und zugleich Strom erzeugen. Wird eine zusätzliche Spannung angelegt, lässt sich direkt Wasserstoff erzeugen, mit weit weniger Energiebedarf als bei der klassischen Elektrolyse, da die Bakterien einen Teil der Energie aus dem Abwasser entnehmen. Theoretisch könnte der Wasserstoff nun gelagert oder abtransportiert werden. Im Projekt wird er jedoch direkt chemisch weiterverarbeitet zu Dimethylether.

Die Produktion von Grünem Wasserstoff aus Reststoffen hatte auch das vom BMBF geförderte Verbundvorhaben „Entwicklung von Kaskadenreaktoren zur Umsetzung biogener Abfallströme in Wasserstoff und Propionat“ (RECICL) zum Ziel. Die Forschenden entwickelten zwei biotechnologische Prozesse, um biogene Rest- und Abfallstoffströme in Plattformchemikalien umzuwandeln. Zunächst entsteht dabei aus den Abfällen Acetat, Butyrat und Propionat. In einer mikrobiellen Elektrolyse-Zelle erfolgt dann an der Anode die Reaktion von Acetat und Butyrat zu CO2, während an der Kathode molekularer Wasserstoff produziert wird. Das verbleibende Propionat wird per Filtration für eine weitere Verwendung aufkonzentriert. In einer Erweiterung dieser Prozesskette werden Wasserstoff, CO2 und Propionat als Nährstoffe für die mikrobielle Produktion von Butandiol genutzt.

Seite 6 von 7

Forschungslandschaft zu biobasiertem Wasserstoff

Die Forschung an biobasiertem Wasserstoff ist noch eine Nische in Deutschland, da sich das meiste auf die Grundlagenforschung beschränkt und viele Forschungseinrichtungen ihren Fokus derzeit auf den einfacher verfügbaren Grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien legen. Nichtsdestotrotz leisten einige Forschungsteams gerade hier wegweisende Arbeit:

  • An der Ruhr-Universität Bochum beschäftigen sich Forschende um Thomas Happe, Wolfgang Schuhmann und Marc Nowaczyk mit der Optimierung von Hydrogenasen und der Nutzung von Algen als Produktionsorganismen.
  • An der Universität Bremen steht die mikrobielle Elektrolyse im Fokus.
  • An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist das Team um Miriam Perner Vorreiter bei der Erforschung von Cyanobakterien für die Erzeugung von Wasserstoff durch mikrobielle Photosynthese.
  • An der TU Berlin arbeitet das Team um Oliver Lenz mit Hydrogenasen aus Knallgasbakterien. Lenz’ bisheriger Mitarbeiter Lars Lauterbach wird künftig an der RWTH Aachen als Professor die Arbeit an biobasiertem Wasserstoff fortsetzen.
  • An der Hochschule Zittau/Görlitz beschäftigen sich Forschende ebenfalls mit biobasiertem Wasserstoff.
  • Bremerhaven besitzt ein eigenes Kompetenzzentrum Wasserstoff, in dem auch biobasierter Wasserstoff erforscht wird.
  • Das Leibniz-Institut für Katalyse (LIKAT) untersucht, wie aus biogenen Reststoffen biotechnologisch Wasserstoff erzeugt werden kann.
  • Ähnlich wie Bremerhaven hat auch Leuna ein „Hydrogen Lab“ aufgebaut, in dem zahlreiche Aspekte rund um Wasserstoff erforscht werden.
  • An der FH Münster wird von Elmar Brügging und seinem Team die Dunkelfermentation erforscht.
  • Am Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) koordiniert Andreas Schmid Forschungen an stabilen Reaktionssystemen zur Wasserstoffproduktion durch Cyanobakterien.
  • An der Universität Kassel erforscht das Team von Kristin Gutekunst die Wasserstoffgewinnung mithilfe von biotechnologisch bearbeiteten Cyanobakterien.
  • Im Bereich der Max-Planck-Institute forschen Teams um Wolfgang Lubitz vom MPI Mülheim, um Nicole Dubilier vom MPI Bremen und um Saigo Shima vom MPI Marburg an biobasiertem Wasserstoff.
  • Nicht zuletzt hat sich innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft ein institutsübergreifendes Wasserstoff-Netzwerk formiert, in dem eines von vielen Themen auch der biobasierte Wasserstoff ist. Beteiligt ist zum Beispiel das Fraunhofer IFF.

Internationale Kooperationen

Auch international kooperieren deutsche Forschungseinrichtungen in vom Bundesforschungsministerium geförderten Partnerschaften. So gibt es ein Programm zur Förderung von Einzel- oder Verbundvorhaben zur Erzeugung von Grünem Wasserstoff mittels Biomassevergasung oder -fermentation mit neuseeländischen Beteiligten. Gemeinsam mit Forschungseinrichtungen aus Zentralasien durchgeführte Forschungsvorhaben werden zudem rund um die Wasserstoffgewinnung aus oder mittels Biomasse gefördert, beispielsweise die Entwicklung eines katalytischen Wasserstoffgenerators aus Bio-Rohstoffen oder Biotechnologien, um Wasserstoff aus Lebensmittelabfällen zu erzeugen.