„Umweltfaktoren haben Einfluss auf Pflanzeninhaltsstoffe“

„Umweltfaktoren haben Einfluss auf Pflanzeninhaltsstoffe“

Franziska S. Hanschen

Beruf: 
promovierte Lebensmittelchemikerin

Position: 
Forschungsgruppenleiterin am IGZ und Leiterin des Fachgebietes „Management bioaktiver Pflanzeninhaltsstoffe“ an der Technischen Universität Berlin
 

Prof. Dr. Franziska S. Hanschen
Vorname
Franziska S.
Nachname
Hanschen

Beruf: 
promovierte Lebensmittelchemikerin

Position: 
Forschungsgruppenleiterin am IGZ und Leiterin des Fachgebietes „Management bioaktiver Pflanzeninhaltsstoffe“ an der Technischen Universität Berlin
 

Prof. Dr. Franziska S. Hanschen

Franziska Hanschen will die Nährstoffqualität in Kohlgemüse verbessern. Dafür untersucht sie die Rolle bioaktiver Pflanzeninhaltsstoffe entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Der Klimawandel setzt die Landwirtschaft und damit die Produktion gesunder Lebensmittel zunehmend unter Druck. Dazu zählt auch Kohlgemüse, das für seine gesundheitsfördernden Eigenschaften bekannt ist. Wie genau diese bioaktiven Pflanzenstoffe durch den Klimawandel beeinflusst werden, steht im Fokus der Forschung von Franziska Hanschen. Im Rahmen des Projektes PhytoM erforscht die Lebensmittelchemikerin an der TU Berlin, welchen Einfluss der Klimawandel auf die sekundären Pflanzenstoffe im Kohlgemüse hat. Das Ziel: die Nährstoffqualität von Gemüse unter den veränderten klimatischen Bedingungen und dem Einfluss der Lebensmittelversorgungskette, einschließlich der Lebensmittelverarbeitung, zu verbessern und zu sichern.

Frage

Was versteht man unter bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffen, und warum sind sie für unsere Gesundheit so wichtig?

Antwort

Unter bioaktive Pflanzeninhaltsstoffen verstehen wir neben den Ballaststoffen vor allem die sekundären Pflanzenstoffe. Sekundäre Pflanzenstoffe werden von Pflanzen gebildet, um sich an Umwelteinflüsse wie Lichtstress, Pathogene oder Herbivore anzupassen. Viele dieser Verbindungen, wie Flavonoide, Carotinoide oder Glucosinolate können positiv auf die menschliche Gesundheit wirken. Viele sekundäre Pflanzenstoffe haben zudem pharmakologische Wirkungen. Sie sind somit Wirkkomponenten von Heilpflanzen, etwa Alkaloide wie Opiate, können aber, in Abhängigkeit der Dosis, auch toxisch wirken. In Gemüse und Obst enthaltene sekundäre Pflanzenstoffe wirken oft antioxidativ, entzündungshemmend und können das Risiko von chronischen Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs senken. Somit fördert ein hoher Konsum von Obst und Gemüse eine gesunde Lebensweise und erhöht auch die Lebenserwartung.

Frage

Was hat Sie dazu motiviert, sich auf die Forschung zu Kohlgemüse und dessen sekundären Pflanzeninhaltsstoffen zu spezialisieren?

Antwort

Schon seit dem Studium (Diplomarbeit) beschäftige ich mich mit schwefelhaltigen sekundären Pflanzenstoffen. Mich fasziniert zum einen ihre chemische Reaktivität, die zu einer großen Vielfalt an Wirkstoffen führen kann. Andererseits finde ich ihre Rolle in der pflanzlichen Bekämpfung von Fraßfeinden sowie die positiven Wirkungen, die diese Stoffe auf uns Menschen haben, faszinierend. Kohl, als ein wichtiges Gemüse für die Humanernährung, enthält neben den Glucosinolaten auch weitere schwefelhaltige Substanzklassen, was ihn zu einem tollen Forschungsobjekt für mich macht.

Frage

Im Projekt PhytoM untersuchen Sie die Wirkung von Umweltfaktoren auf Pflanzeninhaltsstoffe entlang der gesamten Lebensmittelkette.
Welche Faktoren beeinflussen aus Ihrer Sicht den pflanzlichen Sekundärstoffwechsel und damit die Nährstoffqualität von sogenanntem Brassica-Gemüse besonders? Welche Rolle spielen hier Glucosinolate und Specifier-Proteine?
 

Antwort

Licht, Temperatur, Trockenstress oder Schädlinge haben einen großen Einfluss auf die Bildung von sekundären Pflanzenstoffen. Die Pflanzen reagieren ja damit auf diese äußeren Stressfaktoren. In Kohl werden Glucosinolate gerade durch einen Schädlingsbefall oft vermehrt gebildet, aber auch ihre Abbauwege können dann modifiziert werden. In diesem Zusammenhang kann die Pflanze durch Specifier-Proteine schnell auf solche Bedrohungen reagieren und ihre enzymatischen Abbauwege in die nötige Bahn lenken. So können beispielsweise bei einem Insektenbefall durch Runterregulierung von Specifier-Proteinen rasch vermehrt scharf schmeckende Isothiocyanate entstehen, ohne dass die Glucosinolate an sich verändert werden müssen. Aber auch die Lagerung oder die weitere Lebensmittelverarbeitung kann einen großen Einfluss auf die Nährstoffqualität haben. So werden Glucosinolate durch das Kochen in das Kochwasser ausgelaugt, aber auch zum Teil abgebaut.

Frage

Welchen Ansatz verfolgt das Projekt PhytoM, um den Nährstoffgehalt von Gemüse zu verbessern?

Antwort

Im PhytoM-Projekt wollen wir zum einen die Regulierung des enzymatischen Abbaus von Glucosinolaten weiter erforschen, um zu verstehen, wie genau Umweltfaktoren Änderungen in den bioaktiven Wirkstoffen induzieren. Zudem wollen wir verstehen, inwiefern der Glucosinolatabbau für die Trockenstressresilienz der Pflanzen von Bedeutung ist. Neben den Glucosinolaten befassen wir uns im PhytoM-Projekt auch mit S-Methylcysteinsulfoxid, einem weiteren Phytonährstoff und Vorstufe für eine Reihe bioaktiver Organoschwefelverbindungen. Dieses kommt neben den Glucosinolaten ebenfalls in recht großen Mengen in Kohl vor. Hier wollen wir ebenfalls untersuchen, wie sich Umweltfaktoren auf diese Inhaltsstoffklasse auswirken und auch ob es Wechselwirkungen zu den Glucosinolaten gibt. Außerdem werden wir erforschen, wie es durch die Lebensmittelverarbeitung beeinflusst wird und inwiefern diese Substanzen zu den gesundheitlichen Wirkungen des Kohlkonsums beitragen.

Frage

Wie untersuchen Sie die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen sekundären Pflanzenstoffen entlang der Lebensmittelkette?

Antwort

Zum einen wollen wir verstehen, ob die verschiedenen Substanzklassen in der Pflanze ähnlich oder unterschiedlich auf Umweltstress reagieren. Es ist ja denkbar, dass eine Stoffgruppe bevorzugt und auf Kosten der anderen gebildet wird, um auf bestimmte Stressfaktoren wie Trockenstress zu reagieren. Zum anderen bilden beide Stoffklassen (Glucosinolate beziehungsweise S-Methylcysteinsulfoxid) reaktive Verbindungen (zum Beispiel Isothiocyanate aus den Glucosinolaten) und so wollen wir testen, ob die reaktiven Verbindungen beispielsweise beim Kochen auch miteinander Reaktionen eingehen und dadurch im Lebensmittel bisher unbekannte Verbindungen entstehen.

Frage

Welche Bedeutung haben Ihre Forschungsergebnisse für die nachhaltige Produktion von Gemüse und für die Ernährung der Verbraucher?

Antwort

Unsere Untersuchungen können dazu beitragen, durch das Verständnis der Mechanismen, auch unter sich verändernden klimatischen Bedingungen hochwertiges Gemüse nachhaltig anzubauen. Die Erkenntnisse zum Einfluss der Lebensmittelverarbeitung auf bioaktive Pflanzeninhaltsstoffe, aber auch zu ihrer bioaktiven Wirkung, können genutzt werden, um die Zubereitungsweise im Hinblick auf den Erhalt bioaktiver Pflanzenstoffe zu verbessern. 

Interview: Beatrix Boldt