„Mit Enzymen entstehen Proteine mit maßgeschneiderten Eigenschaften“

„Mit Enzymen entstehen Proteine mit maßgeschneiderten Eigenschaften“

Ute Weisz

Beruf: 
promovierte Lebensmitteltechnologin

Position: 
Leitung der Professur Pflanzenproteine und Ernährung an der Technischen Universität München (TUM)

Prof. Dr. rer. nat. Ute Weisz  Leiter der Professur Pflanzenproteine und Ernährung an der Technische Universität München (TUM)
Vorname
Ute
Nachname
Weisz

Beruf: 
promovierte Lebensmitteltechnologin

Position: 
Leitung der Professur Pflanzenproteine und Ernährung an der Technischen Universität München (TUM)

Prof. Dr. rer. nat. Ute Weisz  Leiter der Professur Pflanzenproteine und Ernährung an der Technische Universität München (TUM)

Die Münchner Lebensmitteltechnologin Ute Weisz hat sich auf die Extraktion, Charakterisierung und Modifizierung von Pflanzenproteinen spezialisiert, um diese für die Lebensmittelindustrie nutzbar zu machen.

Proteine sind ein wichtiger Bestandteil unserer Ernährung. Das Gros der lebenswichtigen Nährstoffe wird noch immer über tierische Eiweißquellen wie Fleisch abgedeckt. Doch Massentierhaltung, Pestizideinsatz und Klimawandel gefährden zunehmend Böden und Grundwasser und setzen die Landwirtschaft unter Druck. Pflanzliche Proteine sind eine Alternative. Im Vergleich zu tierischen Proteinen haben diese oft einige nachteilige Eigenschaften. Bei der Verarbeitung können sich beispielsweise unerwünschte Aromen oder Gel und Schaum bilden. Wie man die Eigenschaften pflanzlicher Proteine verbessern kann, um sie für neue Lebensmittel wie Milch- und Fleischersatzprodukte nutzbar zu machen – damit beschäftigt sich Ute Weisz. Im Rahmen ihrer Forschung setzt die Münchner Lebensmitteltechnologin auf Enzyme, um beispielsweise Proteine aus Leguminosen maßzuschneidern.

Frage

Über welche Eigenschaften müssen Pflanzenproteine verfügen, damit sie für die Lebensmittelproduktion geeignet sind – insbesondere für Milch- und Fleischersatzprodukte?

Antwort

Pflanzenproteine bzw. pflanzliche Proteinzutaten sollten technologisch funktional, sensorisch neutral und ernährungsphysiologisch hochwertig sein, damit sie sich für Milch- und Fleischalternativen eignen. Wichtige technofunktionelle Eigenschaften sind beispielsweise eine gute Löslichkeit sowie ausgeprägte Emulgier-, Schaum- und Gelbildungseigenschaften. Zudem sollten sie in der Lage sein, Faserstrukturen auszubilden. Ebenso entscheidend sind ein neutraler Geruch und Geschmack, eine möglichst helle Farbe, eine gute Verdaulichkeit und ein ausgewogenes Aminosäureprofil. Nur so entstehen Produkte, die technologisch machbar, ernährungsphysiologisch sinnvoll und sensorisch überzeugend sind.

Frage

Welche Pflanzen stehen zur Proteingewinnung im Fokus Ihrer Forschung und warum?

Antwort

Wir beschäftigen uns vor allem mit Proteinen aus Leguminosen und Ölsaaten. Diese zählen zu den sogenannten Speicherproteinen und lassen sich verfahrenstechnisch gut aus den Rohstoffen anreichern oder sogar isolieren. Das ist ein wichtiger Vorteil, denn wenn der technische Aufwand zu groß wird, steigen die Produktionskosten erheblich – damit wird eine wirtschaftliche Umsetzung schnell fraglich.

Frage

Wie erfolgt die Charakterisierung der Pflanzenproteine und warum ist das wichtig?

Antwort

Die Charakterisierung von Pflanzenproteinen kann auf ganz unterschiedlichen Ebenen erfolgen – etwa, wenn man auch Nachhaltigkeitsaspekte mit einbeziehen möchte. Ich selbst beschäftige mich vor allem mit den funktionellen Eigenschaften, insbesondere den technofunktionellen Merkmalen, aber auch mit der chemischen Zusammensetzung der Zutaten. Dabei geht es nicht nur um wertgebende Inhaltsstoffe, sondern auch um potenziell unerwünschte Substanzen wie anti-nutritive Inhaltsstoffe sowie um die Verdaulichkeit der Proteine. Diese Informationen sind entscheidend, um pflanzliche Zutaten und die daraus hergestellten Produkte umfassend bewerten zu können.

Frage

Welche Verfahren nutzen Sie, um Pflanzenproteine zu modifizieren? Welche Vorteile bietet das „Maßschneidern“ für den Einsatz in Lebensmitteln?

Antwort

Wir arbeiten vor allem mit nicht-thermischen Verfahren, wie dem gezielten Einsatz von Enzymen, um die Löslichkeit von Proteinen zu verbessern und so deren Emulgier- oder Schaumeigenschaften gezielt zu beeinflussen. Enzymatische Prozesse können außerdem genutzt werden, um Proteine querzuvernetzen und dadurch bestimmte Texturen zu erzeugen. Mithilfe der Fermentation lassen sich zusätzlich der Geschmack optimieren und anti-nutritive Inhaltsstoffe abbauen – um nur einige Beispiele zu nennen. Auf diese Weise entstehen Zutaten mit maßgeschneiderten Eigenschaften, die gezielt in verschiedenen Produktanwendungen eingesetzt werden können.

Frage

Welche Faktoren können die Struktur der Proteine und damit auch die daraus resultierenden Eigenschaften beeinflussen?

Antwort

Da könnten wir jetzt tief in die Proteinchemie eintauchen, aber so kompliziert will ich’s gar nicht machen. Im Lebensmittelbereich spielen zum Beispiel hohe Temperaturen, der Salzgehalt oder auch der pH-Wert eine große Rolle. Solche Faktoren verändern die Struktur der Proteine und damit auch ihre Funktion.

Frage

In dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt Hemp4Food“ geht es um die ganzheitliche Nutzung von Hanfsamen für die Gewinnung hochwertiger und hochfunktioneller Proteinzutaten und funktioneller Nebenströme. Was wurde bisher erreicht? Für welche Lebensmittel wären die neuen Hanfproteine geeignet?

Antwort

Hanf ist eine großartige Pflanze, und ich sehe hier viel Potenzial – vorausgesetzt, es gelingt uns, die Infrastruktur für die Hanfverarbeitung (wieder) aufzubauen. In unserem Projekt untersuchen wir zum einen, wie sich funktionelle Proteinisolate aus Hanf gewinnen lassen, und zum anderen, wie sich Nebenfraktionen wie Schalen oder Fasern, die nach der Proteinextraktion anfallen, weiterverwenden lassen. Besonders spannend war, dass wir den zuvor im Labormaßstab entwickelten Prozess im Rahmen des vom BMFTR geförderten Projekts in den Pilotmaßstab hochskalieren konnten – eine tolle Gelegenheit, die uns ohne die Projektförderung so nicht möglich gewesen wäre. Denn das Upscaling im Bereich pflanzlicher Proteine ist nach wie vor eine große Herausforderung. So konnten wir erstmals größere Mengen – über 30 Kilogramm – an Hanfprotein herstellen, die von unseren Industriepartnern in verschiedenen Anwendungen wie Wurst- oder Fischalternativen getestet wurden.

Interview: Beatrix Boldt