„Proteinbasierte Produkte haben einen geringeren CO2-Fußabdruck“
Volker HeinzBeruf:
promovierter Lebensmitteltechnologe
Position:
Vorstand und Direktor des DIL Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e. V. in Quakenbrück
Beruf:
promovierter Lebensmitteltechnologe
Position:
Vorstand und Direktor des DIL Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e. V. in Quakenbrück
Das Potenzial pflanzenbasierter Proteine für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion ausschöpfen – diesem Ziel haben sich Volker Heinz und sein Team vom Technologiezentrum "Proteine der Zukunft" in Quakenbrück verschrieben.
Als Sojaboulette oder Linsenburger haben pflanzenbasierte Produkte vielerorts schon einen Platz in Supermärkten gefunden. Noch sind es meist Start-ups, die mit pflanzenbasierten Alternativen zu tierischen Lebensmitteln wie Fleisch oder Käse den Markt erobern. Das soll sich ändern. Am neu eröffneten Technologiezentrum in Quakenbrück bietet ein Team um Volker Heinz Start-ups und Unternehmen der Lebensmittelindustrie eine moderne Infrastruktur für die Entwicklung und Produktion nachhaltiger Lebensmittel aus Ebsen, Linsen und Co. – und das auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Welche Dienstleistungen will das Technologiezentrum (TZ) hinsichtlich der Produktion von Fleischersatzprodukten anbieten? Und an wen richtet sich das Angebot?
Mit dem Technologiezentrum „Proteine der Zukunft“ bieten wir eine moderne Forschungs-, Test- und Produktionsinfrastruktur für die Entwicklung gesunder und nachhaltiger Lebensmittelprodukte an. Herzstück des Technikums ist der Doppelschneckenextruder „Poly Twin BCTG“ sowie die Hochleistungskühldüse „Poly Cool 1000“. Die hergestellten Produkte können anschließend schockgefrostet werden. Ebenfalls steht ein Fließbetttrockner zur Verfügung. Wir sind in der Lage, neue und kundenspezifische Lösungen für den sich schnell wandelnden Markt zu bieten. Dabei begleiten wir Kunden während des gesamten Prozesses vom Prototyping neuer Produkte, der anschließenden Skalierung in den Industriemaßstab bis hin zur Auftragsfertigung. Mit der Expertise der Bühler AG haben wir außerdem einen starken strategischen Partner an unserer Seite.
Ist die Expertise des Technologiezentrums auf bestimmte Proteine spezialisiert? Welche Produktionsmengen können hergestellt werden?
Die flexible Extrusionsanlage eignet sich für eine breite Palette von Lebensmittelanwendungen wie etwa die Trocken- und Nasstexturierung von Proteinen oder die Verkapselung von Wirkstoffen. Für die Herstellung von käseähnlichen Produkten aus pflanzlichen Proteinkonzentraten steht die hydrostatische Hochdruckanwendung zur Verfügung. Bei Drücken bis 6.000 bar denaturieren Eiweiße und bilden stabile Gele unterschiedlicher Festigkeit. Einer unserer Industriepartner hat am Campus ein Lohnbehandlungszentrum errichtet. Die beschriebenen Vorgänge sind grundsätzlich mit verschiedenen pflanzlichen Proteinen wie Erbsen-, Kürbis-, Weizen-, oder Sojaprotein darstellbar. Mit Sicherheit werden in der Zukunft noch weitere Proteinquellen erschlossen werden, die aktuell noch keine Verwendung finden. Zwischen 10 kg und 1.000 kg können in der Stunde hergestellt werden. Das komplette Technikum ist IFS-zertifiziert und folgt den HACCP sowie GMP-Grundsätzen, sodass die hergestellten Produkte dem Endkunden angeboten werden können.
Die Proteine der Zukunft müssen nachhaltig sein. Was sind die Voraussetzungen für eine nachhaltige Proteinproduktion und wie wird das TZ diesem Anspruch gerecht?
Der Aspekt der Nachhaltigkeit findet sich hauptsächlich in den Produkten selbst wieder. Im Technologiezentrum entwickeln wir alternative proteinbasierte Produkte, die einen geringeren Fußabdruck haben als beispielsweise ähnliche Produkte aus der Fleischwertschöpfungskette. Durch den hohen Futterbedarf der Nutztiere und der vergleichsweise geringen Umwandlungsrate in Protein für den humanen Konsum entstehen suboptimale Effizienzen. Gleichzeitig müssen bis 2050 mehr Lebensmittel auf 35% weniger Anbaufläche produziert werden, um den zusätzlichen Proteinbedarf von 250 Millionen Tonnen decken zu können. Die benötigte Effizienzsteigerung, um diese Herausforderung zu bewältigen, ist im aktuellen System nicht abbildbar, sodass alternative Proteine eine immer stärkere Bedeutung haben werden. Innerhalb der Grenzen unseres Planeten ist kein Raum mehr für einen weiteren Ausbau der tierischen Protein- und Fettproduktion.
Welche Leistungen kann das TZ insbesondere auf der Forschungsseite anbieten?
Der Campus vom DIL in Quakenbrück bietet modernste Labore für Lebensmittelsicherheit, Pilotanlagen und Forschungskapazitäten. Über 220 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Technologinnen und Technologen aus verschiedenen Fachbereichen arbeiten mit einer wachsenden Anzahl an Unternehmen zusammen, um Lösungen für bessere Lebensmittelsicherheit und -qualität zu entwickeln. Wir arbeiten kontinuierlich daran, ein besseres Verständnis der Struktur und Funktion von Lebensmitteln zu erreichen. Darin liegt für uns der Schlüssel zu innovativen Lösungen für die Lebensmittelverarbeitung. Das Technologiezentrum stellt die Output-Seite dieser Expertise dar und bietet dem Kunden die Möglichkeit, aktuelle Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung in seinen Produkten wiederzufinden.
Wie wird das Technologiezentrum angenommen? Wer zählt zu den Kunden, und gibt es bereits erste Produkte, die entwickelt werden?
Die Resonanz auf unser Technikum ist durchweg positiv und wir sind uns sicher, mit der Eröffnung eine Bedarfslücke der Industrie geschlossen zu haben. Die Extrusionstechnologie ist sehr flexibel einsetzbar, weshalb eine Vielzahl von Produkten realisierbar ist. Oftmals kommen Unternehmen mit Ideen auf uns zu, die wir dann gemeinsam bis zur Marktreife entwickeln. Über Pulled Chicken, Burger Patties, Nuggets, Beef Jerky, Geschnetzeltes, Fischstäbchen, Cevapcici bis hin zur Currywurst haben wir bisher alles realisieren können. Während der Trend der alternativen Proteine zunächst von Start-ups angeschoben wurde, merken wir aktuell wie auch etablierte Unternehmen Alternativen zu ihren herkömmlichen Produkten anbieten möchten.
Wo sieht sich das TZ in zehn Jahren?
Aktuell ist das Technologiezentrum auf dem neuesten Stand der Technik. Bei der Transformation des Lebensmittelsystems stehen jedoch noch einige Forschungsfragen an, die neue Erkenntnisse mit sich bringen werden. Daher bin ich mir sicher, dass sich das Technologiezentrum in den kommenden Jahren immer an die neuen Ergebnisse anpassen und sich somit stetig weiterentwickeln wird. Nur so können wir auch weiterhin marktführende und innovative Produkte herstellen. Es werden viele Möglichkeiten technologischer Eingriffe erforscht, um unser Lebensmittelsystem auf eine nachhaltige Zukunft auszurichten. Vor zehn Jahren hätte wohl kaum jemand In-Vitro-Fleisch oder Proteine aus Gras als Teil dieser Zukunft gesehen. Daher bleibt es spannend.
Interview: Beatrix Boldt