Die Wurzel als Schnittstelle im Ökosystem Boden
Fruchtbare Böden sind sind die wichtigste Voraussetzung für die nachhaltige Erzeugung pflanzlicher Biomasse und damit die Grundlage vieler bioökonomischer Wertschöpfungsketten. In unserem Themendossier Boden – Basis für nachhaltiges Wirtschaften finden sich ausführliche Informationen zum Aufbau und den Funktionen des Bodens sowie zur nachhaltigen Nutzung dieser unverzichtbaren Ressource.
Rhizosphäre – Hotspot biologischer Aktivität und der Stoffumsätze
Der biologisch aktivste Teil des Bodens ist die sogenannte Rhizosphäre. An der Schnittstelle zwischen Boden, Pflanze und Bodenorganismen laufen Prozesse ab, die das Wachstum, die Nährstoffaufnahme und die Toleranz der Pflanzen gegenüber biotischem und abiotischem Stress beeinflussen. Diese Prozesse zu verstehen und sogar zu steuern, birgt ein enormes Potenzial für die nachhaltige Landwirtschaft.
Die Rhizosphäre ist der Bereich des Bodens, der direkt von einer lebenden Wurzel beeinflusst wird. Dieser Bereich erstreckt sich in der Regel einige wenige Millimeter um das Wurzelgewebe herum. Hier finden Wechselwirkungen zwischen der Pflanze, dem Boden und einer dichten mikrobiellen Gemeinschaft statt, die von der Pflanze aktiv durch Wurzelausscheidungen (Exsudate) gesteuert werden.
Wurzeln setzen Stoffwechselprodukte frei
Die Hauptaufgaben der Wurzel sind neben der Verankerung der Pflanze im Boden die Aufnahme und Weiterleitung von Wasser- und Mineralsalzen. Daneben dient sie der Pflanze als Vorratsspeicher und ermöglicht ihr die Kontaktaufnahme mit Lebewesen im Erdreich. Verschiedene pflanzliche Stoffwechselprodukte werden über die Wurzel ausgeschieden. Die Abgabe organischer Verbindungen in den Boden wird als Exsudation bezeichnet.
Zu den Wurzelexsudaten gehören Zucker, Aminosäuren, organische Säuren, Phytohormone und Enzyme. Pflanzen setzen diese Verbindungen frei, um die physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften der Rhizosphäre zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Organische Säuren zum Beispiel verändern den pH-Wert des Bodens und spielen eine wichtige Rolle bei der Verfügbarmachung von Mineralstoffen wie Phosphor.
Wurzelexsudate und Bodenorganismen
Die vielen organischen Verbindungen, die die Pflanzen dem Boden zuführen, machen die Rhizosphäre zu einem Hotspot für die Aktivität von Bodenorganismen – dem Edaphon. Zu den wichtigsten Bodenbewohnern zählen Mikroorganismen wie Bakterien, Archaeen, Pilze sowie wirbellose Tiere wie Würmer und Insekten. Sie sind am Ab- und Umbau der organischen Substanz im Boden beteiligt und tragen mit ihrer Stoffwechselaktivität zur dauerhaften Bodenfruchtbarkeit bei.
Wurzelexsudate spielen eine wichtige Rolle im Dialog zwischen Wurzeln und Bodenorganismen. Pflanzen nutzen Exsudate, um für sie nützliche Mikroorganismen anzulocken oder deren Aktivität anzuregen. Ebenso dienen die Exsudate der Abwehr von schädlichen Mikroorganismen, parasitären Pflanzen oder wirbellosen Pflanzenfressern. Bestimmte Mikroorganismen wiederum können die Wurzelexsudation durch ihre eigenen Ausscheidungen anregen.
Wurzelsymbiosen
Wurzelexsudate initiieren auch die symbiotischen Beziehungen von Pflanzen mit bestimmten Bodenorganismen. Diese Pilze und Bakterien binden Nährstoffe, die für das Pflanzenwachstum essenziell sind, wie Stickstoff, Phosphor und Kalium. Sie stellen sie der Pflanze zur Verfügung und tauschen sie gegen Kohlenhydrate ein, die durch die Photosynthese produziert wurden. Die am besten untersuchtesten Wurzelsymbiosen sind die zwischen Pflanzen und arbuskulären Mykorrhizapilzen, sowie zwischen Hülsenfrüchtlern (Leguminosen) und bestimmten Bodenbakterien – den Rhizobien, oder Knöllchenbakterien.
Rhizobien dringen über die Wurzelhaare in Pflanzen wie Leguminosen ein und es bilden sich kleine Knöllchen an der Wurzel aus. Sie werden von den Bakterien besiedelt und schaffen ein günstiges Milieu für die bakterielle Stickstofffixierung. Die Bakterien binden dabei elementaren Stickstoff aus der Luft und reduzieren ihn zu Ammoniak, beziehungsweise Ammonium. Pflanzen benötigen Stickstoff unbedingt zum Wachsen, die Bakterien machen ihn für sie verfügbar. Deshalb sind Leguminosen in der Regel unabhängig von Stickstoffdüngern. Die Pflanzen werden sogar selbst als sogenannter „Gründünger“ eingesetzt, um Böden mit gebundenem Stickstoff anzureichern.
Etwa 80 % der Landpflanzen leben in wechselseitiger Abhängigkeit mit arbuskulären Mykorrhiza-Pilzen. Damit ist die arbuskuläre Mykorrhiza die am weitesten verbreitete Symbiose im Pflanzenreich. Die Mykorrhiza-Pilze besiedeln die Pflanzenwurzeln und bilden im Boden ein Hyphennetzwerk aus. Damit sammeln sie Wasser und mineralische Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff aus dem Boden und transportieren sie in die Pflanzenwurzel.
Im Gegenzug erhalten sie Zucker und Lipide aus der Photosynthese. Die arbuskuläre Mykorrhiza hilft Kulturpflanzen bessere Erträge zu liefern, macht sie resistenter gegen Trockenheit und aus bisher ungeklärten Gründen auch widerstandsfähiger gegenüber Krankheiten.
Neben Knöllchenbakterien gibt es noch weitere Bakterien in der Rhizosphäre, die Pflanzenwachstum und Pflanzengesundheit fördern. Sie gehören ebenfalls zu den Pflanzenwachstumsfördernden Rhizobakterien (PGPR). Einige produzieren beispielsweise Phytohormone, die die Pflanzenentwicklung stimulieren, oder Enzyme, die Pilzzellwände zersetzen und damit vor schädlichen Krankheitserregern schützen.
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Bedrohungen für den Lebensraum Wurzel und Lösungsansätze
Fruchtbare Böden sind eine immer knapper werdende Ressource. Aufgrund zunehmender Trockenheit sind weite Teile Südeuropas bereits von Versteppung bedroht. Auch das Wachstum von Städten führt zu einer immer stärkeren Bodenversiegelung. In der Vergangenheit war das primäre Ziel der Landwirtschaft die Ertragssteigerung. Dies trug vor allem zur Ernährungssicherheit bei, führte allerdings zu Fehlentwicklungen in der landwirtschaftlichen Praxis, deren Folgen heute immer offensichtlicher werden.
Ein Beispiel ist der übermäßige Einsatz von Mineraldünger: Dieser kann zur Versauerung der Böden beitragen und wirkt sich auf die Zusammensetzung und Funktion des Bodenmikrobioms aus. Dadurch wird auch die Ausbildung von Wurzelsymbiosen gestört. Ohne die schützenden Mikrooganismen werden die Pflanzen anfälliger für Krankheiten und empfindlicher gegen Umweltstress. Überdüngung kann auch das Wurzelwachstum reduzieren, weil Pflanzen mehr Energie in die oberirdischen Pflanzenteile stecken. Einige Pestizide, die zur Pilzbekämpfung eingesetzt werden, wirken sich ebenfalls negativ auf Wurzelsymbiosen aus. Es wurde gezeigt, dass sie das Vorkommen und die Vielfalt arbuskulärer Mykorrhiza-Pilze reduzieren.
Komplexer Lebensraum – komplexe Forschung
In den vergangenen zwei Jahrzehnten arbeiteten Forschende verstärkt daran, innovative Ansätze zu entwickeln, um diesen Problemen zu begegnen und Erträge nachhaltig zu steigern, beziehungsweise vor dem Hintergrund zunehmender Klimaextreme zu erhalten. Ein wichtiges Forschungsziel ist es, den Einsatz von synthetischen Düngemitteln und Pestiziden zu reduzieren. Zum Beispiel, indem Böden oder Saatgut gezielt mit nützlichen Bakterien oder symbiotischen Mykorrhiza-Pilzen beimpft werden, oder indem Leguminosen als Zwischenfrüchte angebaut werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler studieren deshalb die Dreiecksbeziehung von Boden, Wurzel und Mikroorganismen, um sie gezielt beeinflussen zu können.
Aufgrund der chemischen und biologischen Komplexität des Bodens ist diese Forschung jedoch ein schwieriges Unterfangen. Oftmals müssen zum Beispiel die komplexen Verhältnisse in der Natur in umfangreichen Feldversuchen untersucht werden.
Die Rhizosphäre umgestalten
Die gezielte Veränderung der Wechselbeziehung zwischen Pflanzen und Bodenorganismen wird als Ecological Engineering, oder im Fall der Wurzel als Rhizosphere Engineering bezeichnet. Um die Produktivität von Pflanzen zu steigern, können alle drei Komponenten der Rhizosphäre – Pflanze, Boden und Mikroben – verändert werden. So kann die Bodenqualität etwa durch gezieltes Boden-Management verbessert werden. Oder es wird erprobt ob der Anbau von Pflanzen mit längeren Wurzeln dabei hilft, tiefere Wasservorkommen zu erschließen und Trockenperioden besser zu überstehen. Doch vor allem die Beeinflussung des Bodenmikrobioms wird als Schlüssel zur nachhaltigen Intensivierung der Landwirtschaft gesehen.
BonaRes und Rhizo4Bio: BMBF-geförderte Boden- und Rhizosphären-Forschung
Unter dem Dach der Förderinitiative BonaRes – „Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie“ unterstützt das BMBF seit 2015 zehn Forschungsverbünde und das BonaRes-Zentrum. Ziel der Initiative ist es, die nachhaltige Nutzung und den Schutz der Böden zu fördern. Seit 2018 ergänzen sechs Projektverbünde der BMBF-Fördermaßnahme Rhizo4Bio – „Pflanzenwurzeln und Bodenökosysteme: Bedeutung der Rhizosphäre für die Bioökonomie“ die BonaRes-Forschung. Die Projekte befassen sich insbesondere mit der Interaktion von Pflanzenwurzeln mit dem sie umgebenden Bodenraum und den dort lebenden Organismen. Im Folgenden werden einige vielversprechende Forschungsansätze exemplarisch vorgestellt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den Projekten von Rhizo4Bio.
Video: Bonares Inplamint: Dressierte Mikroben für einen fruchtbaren Boden
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An der Wurzel ansetzen: Klimaangepasste Landwirtschaft
Dürren treten immer häufiger auf und der Wassermangel wird für die europäische Landwirtschaft zunehmend zum Problem. Um Nutzpflanzen widerstandsfähiger gegen Trockenheit zu machen, setzen Forschende an der Wurzel an. Sie suchen nach Pflanzensorten, deren Wurzelsysteme durch ihre Architektur besser für die Wasseraufnahme geeignet sind, weil sie zum Beispiel verzweigter, länger oder dicker sind. Außerdem erforschen sie Anbaupraktiken für eine effizientere Wassernutzung und bringen die Züchtung von Pflanzen mit vorteilhafter Wurzelarchitektur auf den Weg.
Dürreresistente Getreidesorten identifizieren
In dem vom europäischen Forschungsrat geförderten Projekt DROOGHT untersuchen Guillaume Lobet und sein Team vom Jülicher Institut für Agrosphäre, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Wurzeldurchmesser und der Fähigkeit von Pflanzen zur Wasseraufnahme gibt. Sollte sich die Vermutung des Pflanzenwissenschaftlers bestätigen, könnten in Zukunft Getreidepflanzen mit einem für die Wasseraufnahme optimierten Wurzelsystem anhand des Wurzeldurchmessers identifiziert werden.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Rhizo4Bio-Projekt Rhizotraits, in dem Forschende unter der Leitung der Universität Bayreuth herausfinden wollen, welche Eigenschaften von Wurzeln und der angrenzenden Rhizosphäre Pflanzen widerstandsfähiger für Klimaveränderungen machen. Alte Getreidesorten sind die Hoffnungsträger der Forschenden. Projektkoordinatorin Johanna Pausch geht davon aus, dass in diesen Sorten noch Eigenschaften vorhanden sind, die ein wichtiger Schlüssel für die Trockenresistenz der Pflanzen sein könnten. Das Team untersucht unter anderem die Trockenresistenz, die Exsudate, die Mikroorganismengemeinschaften der Rhizosphäre sowie die Länge, Dichte und Verzweigung der Wurzeln von 48 Mais- und Weizengenotypen.
Video: RhizoSphäre – Gute Umgebung für das Pflanzenwachstum
Tiefwurzler erschließen Wasserreserven im Unterboden
Um tiefer gelegene Wasser- und Nährstoffquellen zu erreichen, haben manche Pflanzen lange Wurzeln entwickelt. Einige sind so lang, dass sie bis in den Unterboden reichen – einem Bereich des Bodens, der nur gering durchwurzelt und belebt ist. Forschende erproben den Anbau tief wurzelnder Pflanzen als Strategie zur Entwicklung widerstandsfähigerer landwirtschaftlicher Systeme.
Im Rhizo4Bio-Projekt CROP untersucht ein Team um Guillaume Lobet vom Forschungszentrum Jülich in Kooperation mit der Universität Hohenheim, ob sich der kombinierte Anbau von Weizenpflanzen mit tiefen und flachen Wurzelsystemen positiv auf deren Widerstandsfähigkeit gegenüber Trockenstress oder Nährstoffmangel auswirkt. Die unterschiedlichen Wurzelarchitekturen sollen dafür sorgen, dass Nährstoffe und Wasser entlang des gesamten Bodenprofils aufgenommen und gleichmäßig im Boden verteilt werden. Auch die Wurzelexsudate werden gleichmäßiger im Boden verteilt, was sich positiv auf die Mikroorganismen auswirkt, die die Stressresistenz der Pflanzen fördern.
Tiefwurzelnde Zwischenfruchtmischungen stehen im Mittelpunkt des Rhizo4Bio-Projekts RootWayS. Ein Team um Iris Zimmermann und Sandra Spielvogel vom Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel erforscht den Anbau von Zwischenfruchtmischungen im konventionellen Ackerbau. Die Zwischenfrüchte bauen mit ihren langen Wurzeln Straßen in den Unterboden ein. Maispflanzen, die als Folgefrucht angebaut werden, können dann die vorhandenen Wurzelkanäle nutzen und schneller an Wasser und Nährstoffe im Unterboden gelangen.
Agroforstsysteme
Auch die tief reichenden Wurzeln von Sträuchern und Bäumen könnten dabei helfen, Äcker und Weiden mit zusätzlichen Nährstoffen und Wasser zu versorgen. Im BonaRes-Projekt SIGNAL werden die sogenannten Agroforstsysteme bereits erprobt. Geleitet wird das Projekt von Göttinger Bodenforschenden um Edzo Veldkamp.
Angepasste Wurzelarchitektur durch Gentechnik und Züchtung
Forschende suchen außerdem nach Wegen, die Wurzelarchitektur molekularbiologisch und durch Züchtung so zu beeinflussen, dass Pflanzen widerstandsfähiger gegen Trockenstress werden oder besser an Nährstoffe herankommen. Diese Forschung befindet sich jedoch noch im Grundlagenstadium, da die zugrundeliegenden Gene erst noch identifiziert werden müssen. Am Centre National de la recherche scientifique (CNRS) in Frankreich untersuchen Forschende im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat ERC geförderten Projekts HyArchi, welche Gene die Wurzelhydraulik von Maispflanzen verbessern können.
Mehr Wurzelhaare – weniger Trockenstress
Ein anderer Weg zur Veränderung der Wurzelarchitektur wird im europäischen Kooperationsprojekt „RootsPlus“ erprobt. Hier untersucht ein internationales Forscherteam, ob das Bodenbakterium Rhizobium rhizogenes heimische Kulturpflanzen trockentoleranter machen kann. Das Bakterium stimuliert die Ausbildung neuer Wurzeln mit auffallend vielen Wurzelhaaren. Diese sogenannten „hairy roots“ könnten den Pflanzen dabei helfen, Wasser nach kurzen Regenfällen effizienter und zügiger aufzunehmen.
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Das Wurzel-Mikrobiom gezielt verändern
Mit Pflanzen assoziierte Mikroorganismen beeinflussen die Gesundheit und das Wachstum von Pflanzen. Ausführliche Informationen zur Rolle des Mikrobioms in Pflanze und Boden sowie einige ausgewählte Forschungsprojekte finden sich in unserem Themendossier: Mikrobiome als Ressource.
In der landwirtschaftlichen Praxis macht die gezielte Anwendung von Mikroorganismen bisher nur einen kleinen Teil aus. Im Folgenden werden einige wichtige aktuelle Forschungsansätze und -ziele zum Verständnis und zur Optimierung des Bodenmikrobioms für die Landwirtschaft zusammengefasst.
Mikroben-Cocktails gegen Ertragsdepression und Bodenmüdigkeit
Monokulturen reduzieren die Vielfalt des Bodenmikrobioms, wodurch schädliche Mikroorganismen ein leichteres Spiel haben. So wurde beobachtet, dass die Erträge von Weizen sinken, wenn das Getreide wiederholt auf der gleichen Fläche angebaut wird. Im Rhizo4Bio-Projekt RhizoWheat – „Rhizosphärenprozesse und Ertragsdepressionen in Weizenfruchtfolgen“ untersuchen Forschende um Henning Kage und Nora Honsdorf von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel dieses Phänomen. Sie erforschen unter anderem, wie sich die Beimpfung von Böden mit ausgewählten Mikroorganismen auf das Ertragsminderungssyndrom auswirkt.
Auch im Obstbau wurde beobachtet, dass das Wachstum junger Obstbäume eingeschränkt ist, wenn sie wiederholt auf dem gleichen Feld angebaut werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Nachbaukrankheit oder Bodenmüdigkeit. Im BonaRes-Projekt ORDIAmur – „Überwindung der Nachbaukrankheit mithilfe eines integrierten Ansatzes“ untersuchen Forschende unter der Leitung von Traud Winkelmann von der Universität Hannover, die Ursachen dieses Problems. Sie haben erste Hinweise auf die Erreger der Krankheit gefunden und werden testen, ob die Beimpfung des Bodens mit Mikroorganismen die Pflanzen immunisieren kann.
Bodenbakterien und Mykorrhizapilze helfen Dünger zu sparen
Die moderne Landwirtschaft kommt ohne Mineraldünger nicht mehr aus. Um synthetische Düngemittel einzusparen oder sogar zu ersetzen, sehen Forschende großes Potenzial in der gezielten Anwendung von Bodenmikroorganismen, weil sie Pflanzen den Zugang zu Elementen wie Stickstoff oder Phosphor erleichtern. Forschende weltweit arbeiten daran, die Wechselwirkung von Mikroben und Pflanzen besser zu verstehen.
Im Rhizo4Bio-Projekt Bread and Beer – „Produktion von Weizen und Gerste bei reduziertem Input im organischen Landbau“ untersucht ein Team um Sylvia Schnell von der Justus-Liebig-Universität Gießen, ob die Beimpfung von Getreidesaatgut mit dem Bodenbakterium Harmannibacter diazotrophicus das Wachstum und die Kornqualität verbessert, wenn die Pflanzen nur wenig Stickstoffdünger erhalten.
In der Industrie wird ein ähnlicher Ansatz von den Unternehmen Bayer und Ginko Bioworks verfolgt. Ihr Ziel ist es, Pflanzen in die Lage zu versetzen, ihren Stickstoffbedarf selbst zu decken, indem das Saatgut mit stickstofffixierenden Bakterien beschichtet wird.
Symbiotische Mykorrhiza-Pilze
Mykorrhiza-Pilze werden schon in ökologisch landwirtschaftlichen Systemen zur Bodenbeimpfung eingesetzt, um Dünger zu sparen und die Stressresistenz von Pflanzen zu fördern. Jedoch besteht noch Forschungsbedarf auf diesem Gebiet, denn es ist noch nicht möglich vorherzusagen, welche Pflanze mit welchem Pilz am besten harmoniert. Eines der Forschungsziele von Caroline Gutjahr und ihrem Team am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam ist es daher, Vorhersagen darüber zu ermöglichen, welche Pflanzen-Pilz-Paare an welchem Standort optimal zusammenarbeiten. Ihre Forschung wird unter anderem vom Europäischen Forschungsrat ERC unterstützt.
Video: Caroline Gutjahr und Mykorrhiza-Forschung am MPI-MP (DIE BIOPIONIERE)
Selbstdüngendes Getreide
Ein sehr langfristiges und ehrgeiziges Forschungsziel ist es, Getreidepflanzen zu entwickeln, die sich selbst düngen. Genau das will ein internationales Forschungsteam im Projekt ENSA – „Enabling Nutrient Symbioses in Agriculture“ erreichen. Unter der Leitung von Giles Oldroyd, dem Direktor des University of Cambridge Crop Science Centres in Großbritannien, suchen die Symbioseexperten nach Wegen, die Wurzelknöllchen-Symbiose von Hülsenfrüchtlern auf Getreidepflanzen zu übertragen. Getreidepflanzen gehen bereits Symbiosen mit Mykorrhiza-Pilzen ein, nicht aber mit stickstofffixierenden Rhizobien.
Die Forschenden wollen daher grundlegende pflanzliche Signalwege der Mykorrhiza-Symbiose neu vernetzen, um eine Symbiose zwischen Getreidepflanzen und Rhizobien zu ermöglichen. Auch ein Team der Universität Freiburg ist Teil dieses internationalen Forschungsverbundes, der die Vision hat, synthetischen Stickstoffdünger durch den Einsatz nützlicher Mikroorganismen zu ersetzen.
Die Forschenden möchten mit ihrem Projekt zunächst Kleinbauern in Subsahara-Afrika unterstützen und ihnen neue Möglichkeiten für nachhaltige, sichere und erschwingliche Nahrungsmittel zu erschließen.