ERC: Bioökonomie-Projekte von vier Spitzenforschenden ausgezeichnet

ERC: Bioökonomie-Projekte von vier Spitzenforschenden ausgezeichnet

Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat die Empfänger der diesjährigen Consolidator Grants bekanntgegeben. Darunter sind vier zukunftsweisende Forschungsprojekte aus Deutschland, die relevant für die Bioökonomie sind.

Collage mit Porträtfotos von vier Empfängern des ERC Consolidator Grants 2023.
Sie erhalten hochdotierte ERC Consolidator Grants: Der Bioinformatiker Korbinian Schneeberger, der Pflanzenwissenchaftler Guillaume Lobet, die Chemikerin Amelie-Heuer-Jungemann und der Biochemiker Tristan Wagner.

Der Europäische Forschungsrat (ERC) ist die wichtigste europäische Förderorganisation für exzellente Pionierforschung. Zu den begehrten Förderformaten zählen die Consolidator Grants, die sich an herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Mitte ihrer Laufbahn richten. Sie werden damit über fünf Jahre lang mit bis zu 2 Mio. Euro unterstützt, um ihre unabhängigen Forschungsteams zu konsolidieren und Forschung in ihren Fachdisziplinen zu betreiben.

Drei Wissenschaftler und eine Wissenschaftlerin werden in Deutschland an für die Bioökonomie relevanten Themen forschen, darunter sind der Bioinformatiker Korbinian Schneeberger, der Pflanzenwissenschaftler Guillaume Lobet, die Chemikerin Amelie Heuer-Jungemann und der Biochemiker Tristan Wagner. Sie suchen nach Wegen, die Kartoffelzucht zu vereinfachen, Getreide dürreresistent zu machen, nutzen Origami-DNA, um Enzymfunktionen zu optimieren, und erforschen Mikroorganismen, die als potente Biokraftstoffquelle dienen könnten.

Hier sind ihre Projekte im Kurzporträt:

Effizientere Kartoffelzucht

Die Kartoffel ist eine der drei wichtigsten Nahrungspflanzen der Welt. Trotzdem konnte sie in den vergangenen 150 Jahren nur begrenzt verbessert werden, weil die Züchtung durch den komplexen Aufbau des Kartoffelgenoms erschwert wird. Dieses Problem wollen der Bioinformatiker Korbinian Schneeberger und sein Team vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung und der Ludwig-Maximilians-Universität München angehen. Im Projekt BYTE2BITE analysieren sie die gesamte genomische Diversität der Kartoffel. Mit diesem Wissen wollen die Forschenden Werkzeuge entwickeln, um das Kartoffelgenom von Mutationen aus der Vergangenheit befreien. Damit ebnen sie den Weg für eine effizientere Kartoffelzüchtung und leisten einen Beitrag zur Sicherung der Welternährung.

Dürreresistentes Getreide

Guillaume Lobet vom Jülicher Institut für Agrosphäre sucht nach Wegen, um Getreidepflanzen widerstandsfähiger gegen die zunehmende Trockenheit zu machen. Sein Projekt DROOGHT setzt an der Wurzel an. Der Pflanzenforscher vermutet, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Wurzeldurchmesser und der Fähigkeit von Pflanzen zur Wasseraufnahme gibt. Deshalb untersuchen er und sein Team die Verteilung des Wurzeldurchmessers innerhalb von Getreidewurzelsystemen. Langfristiges Ziel ist es, anhand des Wurzeldurchmessers Pflanzen auszuwählen, deren Wurzelsysteme für die Wasseraufnahme optimiert sind. Da der Durchmesser eines der am einfachsten zu messenden Wurzelmerkmale ist, ist er von hohem Wert in großangelegten Feldstudien.

Optimierte Enzymfunktion

Enzyme spielen eine wichtige Rolle in der Biotechnologie. Oft geht es darum, „fremde“ Enzyme mithilfe der Gentechnik in andere Lebewesen zu übertragen. Die Chemikerin Amelie Heuer-Jungemann vom Max-Planck-Institut für Biochemie legt mit ihrem Projekt NanoCat den Grundstein für eine gentechnikfreie Übertragung von Enzymfunktionen zwischen Lebewesen. Mithilfe der Nanotechnologie entwickelt sie künstliche Verkapselungen von Enzymen, die aus einer Art DNA-Origami und einer Silikatbeschichtung bestehen. Durch den kontrollierten Aufbau der Verkapselung wollen sie und ihr Team synthetische Multienzymsysteme aufbauen. Diese sind durch die Verkapselung geschützt und ihre Aktivität bleibt auch in fremden Organismen erhalten. Langfristig könnte der nanotechnologische Ansatz dazu genutzt werden, hocheffiziente Multienzymsysteme direkt über die Zellmembran in Lebewesen zu übertragen – temporär und ohne Gentechnik. So könnte beispielsweise die CO2-Fixierungsrate von Pflanzen verbessert werden, indem Multienzymsysteme mit Schlüsselenzymen der Photosynthese in die Blätter von Pflanzen eingebracht werden.

Den Methanstoffwechsel verstehen

Methan ist ein potenter Biokraftstoff. Mikroorganismen, die Methan produzieren oder verwerten, werden als methanogen oder methanotroph bezeichnet und leben ohne Sauerstoff. Der Biochemiker Tristan Wagner vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie will verstehen, wie einzelne Reaktionen in den Stoffwechselwegen dieser Mikroorganismen funktionieren. Eine große Hürde für die Forschung war bisher, dass sich die anaeroben Mikroorganismen nur schwer oder gar nicht isolieren lassen. Über die natürliche Vielfalt und die Fähigkeiten der kohlenstoffumwandelnden Enzyme aus dieser besonderen mikrobiellen Welt ist daher wenig bekannt. Doch Wagners Team hat einen Weg gefunden, das Problem zu umgehen. Die Forscherinnen und Forscher zeigten, dass es möglich ist, die Enzymfunktionen methanogener und methanotropher Mikroorganismen in Biomasseproben zu analysieren – ohne eine einzige Mikrobe isolieren zu müssen. Im Projekt EnLightEn wird das Team die Enzyme in komplexen biologischen Proben wie Belebtschlamm aus Kläranlagen untersuchen. Langfristig könnten die Ergebnisse dieser Forschung in der synthetischen Chemie Anwendung finden. Die biologischen Baupläne der Enzyme inspirieren Chemiker bei der Entwicklung von Katalysatoren, die für CO2 oder Methan-verwertende Reaktionen benötigt werden.

Der Europäische Forschungsrat (ERC) wurde 2007 von der Europäischen Union gegründet. Durch die Förderung wissenschaftlicher Projekte in allen Disziplinen – von den Ingenieur- über die Bio- bis hin zu den Geisteswissenschaften – ermöglicht es der ERC Forschenden, ihr eigenes Gebiet zu entwickeln. Hierbei fördert er herausragende Forschende aller Nationalitäten und jeden Alters, die Projekte in ganz Europa umsetzen.

dpd