Biobasierte Werkstoffe für Mikro-Windenergieanlagen

Biobasierte Werkstoffe für Mikro-Windenergieanlagen

Flachsfasern statt Glasfasern, Biopolymere statt Harzwerkstoffe: Besonders für Anlagen, die schon bei wenig Wind laufen, eignen sich nachhaltige Rohstoffe.

Windkraftanlage hinter einem Bergbauernhof
Windkraftanlagen wie diese bestehen heute meist aus Glas- oder Carbonfaserverbundwerkstoffen. Das Projekt BioWEA-Mach erforschte biobasierte Alternativen.

Wenn der Wind kräftig weht, freut das die Besitzer von Windkraftanlagen. Doch dass die Rotoren möglichst hohen Windgeschwindigkeiten trotzen, ohne dass die Anlage aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden muss, verlangt den Werkstoffen einiges ab. Beim Bau von Rotorblättern beispielsweise setzen die Hersteller daher meist Glasfaser-Verbundmaterialien ein. Ein Forschungsteam von der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin und mehreren Projektpartnern hat sich gefragt, ob es nicht auch biobasierte Alternativen geben könne – denn das wäre für eine Erneuerbare-Energien-Anlage doch stimmiger. Das Ergebnis des Projekts BioWEA-Mach, das von Dezember 2017 bis August 2020 lief und vom Bundesforschungsministerium mit rund 400.000 Euro gefördert wurde, stimmt optimistisch.

Bewusste Auslegung auf schwachen Wind

„Wir sind davon ausgegangen, dass wir mit biogenen Materialien nicht die gleichen Festigkeiten erreichen können wie z. B. mit Glasfasern“, schildert Reimund Klünder (HWR Berlin) die Annahme zu Beginn des Projekts. Daher – und aufgrund der verfügbaren Ressourcen – habe man sich auf Mikro-Windenergieanlagen konzentriert. Bei etwa zehn Meter Turmhöhe und einem Rotordurchmesser von etwa zwei Metern würden die Abmessungen einer solchen Anlage in der Praxis beginnen. „Es ist vielfach sinnvoller, dass eine Anlage schon bei wenig Wind Strom erzeugt, als dass sie selbst bei Sturm noch laufen kann“, findet der Forscher. Denn bei Sturm erzeugt die Summe aller Windkraftanlagen mehr Strom, als benötigt wird. Wichtiger wäre aus Systemsicht, dass sie zu möglichst hohen Zeitanteilen des Jahres – also auch bei schwachem Wind – ihre Arbeit verrichten. Die bisher übliche Vergütung nach Kilowattstunden setze da mitunter falsche Anreize, so Klünder.

Ziel des Projekts war es daher, nachzuweisen, dass biogene Werkstoffe geeignet sind, um Kleinwindanlagen zu bauen, die schon bei wenig Wind arbeiten, aber auch stärkerem Wind und anderen Witterungseinflüssen trotzen. „Wir brachten viele Kompetenzen im Bereich Erneuerbare Energien mit und hatten qualifizierte Partner“, sagt Klünder. „Daher waren wir überzeugt, dass wir nicht nur den Ressourcenverbrauch verringern und auf biobasierte Werkstoffe umstellen können, sondern auch qualitativ etwas Überdurchschnittliches abliefern können.“

Fokus auf technisch anspruchsvollste Bauteile

Weil Zeit und Fördermittel nicht für ein ganzes Windrad gereicht hätten, hat sich das Team aus HWR Berlin, TU Berlin, den Firmen MicroEnergy International und MOWEA sowie dem Bioenergiehof Böhme auf die ingenieur- und materialtechnisch anspruchsvollsten Teile beschränkt – vor allem die Rotorteile. Davon versprachen sich die Fachleute die größte Erkenntnis. „Da wir davon ausgegangen sind, dass wir nicht die gleichen Festigkeiten erreichen können, haben wir nicht einfach Glasfasern und Harze 1:1 durch biogene Stoffe ersetzt, sondern auch die konstruktive Gestaltung geändert“, erläutert Klünder das Vorgehen. Intelligente fluiddynamische Auslegungen sollten die geringere Werkstofffestigkeit kompensieren.

Zunächst fertigte und erprobte das Projektteam Rotorblätter aus Holz-Kunststoff-Verbundmaterialien, einem sogenannten WPC-Werkstoff. Der hätte jedoch große Zugeständnisse bei der Rotormasse erfordert, sagt der Projektleiter. Der zweite Ansatz beruhte auf verschiedenen Gießverfahren, doch um die sich einstellenden Schwierigkeiten mit der Lunkerbildung – ungewollten Hohlräumen – zu lösen, wäre eine hochwertigere Anlage mit Vakuumtechnik erforderlich gewesen. „Die hatten wir nicht und konnten wir uns auch nicht leisten“, erinnert sich Klünder. Am Ende fiel die Wahl daher auf Faserwerkstoffe aus Flachs und biobasiertem Harz – wenngleich auch die nur schwierig in der gewünschten Qualität zu beschaffen waren. „Damit konnten wir dann aber ohne Abstriche unsere Ziele bei der Festigkeit erreichen – wir waren eher übervorsichtig“, schmunzelt der Wissenschaftler. „Manche Teile hätte man schlanker oder weniger massiv ausführen können.“ Als Harz kamen von Anfang an am Markt erhältliche Produkte zum Einsatz, die deren Hersteller als biobasiert ausgewiesen hatten.

WPC-Rotorblätter im Windkanal
Windkanalversuch mit WPC-Rotorblättern

Erprobt bei Windklasse 3

Rotorblätter, Nabe und Spinner – das kuppelförmige Verkleidungsteil in der Mitte des Rotors – und einige Kleinteile wurden schließlich biobasiert hergestellt. In dem eigens entwickelten Prüfstand hielten sie nicht nur den Lastannahmen der Windklasse 4, sondern sogar Klasse 3 stand. Reisebeschränkungen und hohe Corona-Inzidenzen am Erprobungsstandort mit entsprechenden Kontaktbeschränkungen verzögerten die Erprobung der Bauteile außerhalb des Labors. Doch irgendwie gelang es am Ende, selbst bei Frost, Eisregen und Windgeschwindigkeiten von 80 km/h die Bauteile zu erproben – und sie bewährten sich schadlos, wenngleich aus Zeitgründen nicht mehr für alle Teile die Windklasse 3 nachgewiesen werden konnte.
 
„Die Ergebnisse waren so motivierend“, sagt Klünder, „dass wir mit einem Teil der ehemaligen Projektpartner dabei sind, nun zunächst ohne Fördermittel einen Demonstrator zu bauen, eine neue Konstruktion, in die die gewonnenen Erkenntnisse einfließen.“ Rund 500 bis 600 Watt Leistung soll die Anlage haben, in der Praxis später dann Teil eines Anlagenverbunds sein, der bereits geringe Windgeschwindigkeiten nutzen kann. „Ohne Vergütung pro Kilowattstunde ist das interessanter“, sagt der Projektleiter, zumal Kleinwindanlagen oft netzautark arbeiten, wodurch dieser Aspekt noch einmal wichtiger wird. „Unser Demonstratorstandort liegt im Binnenland und hat relativ geringe Windgeschwindigkeiten“, berichtet Klünder – und solche Standorte gebe es viele in Deutschland. Nicht zuletzt hätten die Berechnungen ergeben: Ein Verbund von Kleinwindanlagen erzielt sogar ein besseres Verhältnis von Stromerzeugung zu Baumasse als eine Großwindanlage.

Autor: Björn Lohmann