Abwasser wird in der Regel als Abfallstoff betrachtet, dessen Reinigung extrem energieaufwendig ist. Etwa 20 Prozent der Energiekosten fallen nach Angaben des Bundesumweltamtes allein für die Abwasserbehandlung in Kläranlagen an. Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaftsform gewinnt vor allem Industrieabwasser als Rohstoff zunehmend an Bedeutung. Die Ressource Abwasser lässt sich zum Beispiel mithilfe sogenannter Mikrobieller Brennstoffzellen (MBZ) nutzen. Es handelt sich hierbei um spezielle Mikroorganismen, die energiereiche organische Substanzen im Abwasser abbauen und die dabei entstehenden Elektronen an eine Elektrode abgeben. Im Vergleich zur klassischen Brennstoffzelle wird hier die Anode mit einem elektroaktiven Biofilm aus Mikroorganismen überzogen, der gleichzeitig Wasser reinigt und Elektronen zur Stromerzeugung abgibt.
Mikroben auf Carbonfasern wachsen lassen
Diese elektroaktiven Mikroben, die sich auch im Abwasser befinden, wollen Forscher nun auf textilen Elektroden aus Carbonfasern wachsen lassen und so durch simultane Reinigungsleistung und Stromerzeugung in der MBZ Energiekosten zu senken. Das im Januar 2016 gestartete Verbundprojekt „Textile Kohlenstoffelektroden für mikrobielle Brennstoffzellen“ (TexKoMBZ) steht unter der Leitung des Instituts für Angewandte Mikrobiologie der RWTH Aachen und wird über zwei Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Vorhabens „Neue Produkte für die Bioökonomie“ mit 810.000 Euro gefördert. Am Projekt beteiligt sind neben der RWTH auch die Hochschule Niederrhein sowie Industrieunternehmen aus der Carbontextiltechnologie, dem Maschinen- und Anlagenbau und der Papierindustrie
Großes Potenzial zur Energieeinsparung
„Bei der Hälfte aller Anwender in Deutschland, erfolgt die Abwasserreinigung mittels belebten Schlamms durch aerobe Technologien. Da muss man ohne Ende Luft durchblubbern lassen und das ist teuer. Unsere Technik kommt ohne Sauerstoffeintrag aus“, erklärt die Aachener Mikrobiologin Liesa Pötschke, die das Projekt koordiniert. Erste Versuche haben das Potenzial dieser anaeroben Technologie mittels Biobrennstoffzelle bereits gezeigt. In mittelschwerbelasteten Industrieabwässern, wie sie in einer Papierfabrik anfallen, könnte der Energiebedarf zur Abwasserreinigung nach einer Potentialanalyse um bis zu 50 Prozent reduziert werden.
Funktionsschema einer Mikrobiellen Brennstoffzelle
„Im Papierabwasser gibt es viel ungenutzte Energie. Darin sind hauptsächlich Cellulose, Lignin und deren Abbauprodukte enthalten“, so die Mikrobiologin. Ziel des Projektes ist es daher, eine textile 3D-Elektrode in einem Pilotreaktor zur Abwasserbehandlung in der Papierindustrie zu entwickeln und zu zeigen, dass diese eine bessere Stromproduktion der Mikroben ermöglicht.
Elektrodenmaterial maßschneidern
Frühere Versuche haben gezeigt, dass sich dafür Carbonfasertextilen, wie sie in der Luft-und Raumfahrttechnik zum Einsatz kommen, als Elektroden bestens eignen und auf Grund der Faserstruktur optimal angepasst also maßgeschneidert werden können. „Um möglichst viel Abwasser zu reinigen, muss der Reaktor so gut wie möglich mit dem Elektrodenmaterial ausgefüllt werden. Und dafür eignen sich diese Textilien wunderbar“, erklärt Pötschke.
Mit 3D-Elektroden Stromausbeute optimieren
Um Strom zu erzeugen, sind elektroaktive Organismen jedoch auf Acetat angewiesen, ein Abbauprodukt der komplexen Organik, das im Abwasser durchaus verfügbar ist. Das Problem: Acetat ist auch bei methanbildenden Mikroben als Energiequelle beliebt. „Das sind Konkurrenten, die zwar auch Wasser reinigen. Aber wir können aus ihnen keinen Strom ziehen“, so Pötschke. Deshalb wollen die Forscher eine dreidimensionale Elektrode aus Carbonfasern entwickeln und so den Konkurrenten aus dem Biofilm verdrängen.
Pilotanlage im Bau
Derzeit sind die Wissenschaftler dabei, die Hydrolyse der Acetatbereitstellung im Labor zu optimieren, um den elektroaktiven Mikroben möglichst viel Futter für die Stromerzeugung zu liefern. Gleichzeitig feilen sie mithilfe eines Modellorganismus im 2D-Maßstab an der Verbesserung der Gewebestruktur der textilen Elektrode. „Wir versuchen erst einmal Einflussfaktoren wie Fadenabstand und –dicke in 2D zu ermitteln und zu optimieren“, erläutert Pötschke. „Erst dann gehen wir damit in ein 3D-Modell und optimieren dieses, bevor wir mit dem Elektrodenmaterial in unsere Pilotanlage gehen, wo es mit Abwasser gefüttert wird.“ Die Pilotanlage, die ein Volumen von etwa 30 Litern tragen soll, befindet sich bereits im Bau.
Vorerst beschränkt sich der Einsatz der textilen Elektrode jedoch auf bioelektrisch-chemische Systeme wie die Energierückgewinnung im Abwasser. Denkbar ist allerdings auch eine Anwendung als Biosensor.
Autorin: Beatrix Boldt