Mikroalgen-Extrakte für innovative Kosmetik

Mikroalgen-Extrakte für innovative Kosmetik

In einem KMU-innovativ-Projekt entwickeln Forschende einen Prozess, um die antioxidativen Inhaltsstoffe einer Grünalge für die Kosmetik nutzbar zu machen.

Extrakte der Mikroalge T. wisconsinensis
Extrakte der Mikroalge T. wisconsinensis

Cosmeceutical ist ein Kunstwort, das außerhalb von Branchenkreisen wohl wenig verbreitet ist. Anders sieht es mit dieser Produktgruppe selbst aus, die Zwischendinge zwischen „cosmetics“ und „pharmaceuticals“, also Kosmetik und Pharmazeutika umfasst: Mehr als 40 Mrd. Euro pro Jahr beträgt der globale Markt dieser Kosmetikprodukte, die über einen nachgewiesenen medizinischen Zusatznutzen verfügen. Rund ein Drittel des Marktes entfällt auf Produkte mit antioxidativ wirkenden Inhaltsstoffen. Eine wichtige Quelle dieser biologisch aktiven Substanzen sind neben terrestrischen Pflanzen marine Makroalgen.

Grünalge mit interessanten Inhaltsstoffen

Doch auch Mikroalgen sind reich an interessanten Inhaltsstoffen. Darüber hinaus wachsen sie schneller als Landpflanzen und lassen sich biotechnologisch vermehren. Bislang sind Mikroalgen als industrielle Produktionssysteme kaum etabliert. Das gilt auch für die Grünalge Tetradesmus wisconsinensis. Claudia Grewe, Forschungsleiterin der Salata AG in Potsdam, hatte erstmals während ihrer Dissertation mit dem Einzeller zu tun. Schon damals fiel ihr auf, dass dieser Organismus ein bestimmtes Carotinoid in hoher Konzentration bildet. Jetzt will die Forscherin in einem gemeinsamen Projekt mit der Arbeitsgruppe von Carola Griehl von der Hochschule Anhalt einen Prozess entwickeln, um aus dieser Grünalge einen Extrakt zu gewinnen, der als Rohstoff für Cosmeceuticals wirtschaftlich interessant ist. Gefördert wird das Vorhaben im Rahmen des Programms KMU-innovativ-19 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 1,1 Mio. Euro.

„TEWICOS - Verfahrensentwicklung zur Gewinnung von lipophilen und hydrophilen Extrakten aus der MikroalgeTetradesmus wisconsinensis als Rohstoffe für Cosmeceuticals im industriellen Maßstab“ heißt das Projekt, das vom Juni 2017 bis April 2021 läuft. „Mikroalgen sind noch nicht so gut untersucht in ihrer Stoffwechseldiversität“, erläutert Grewe den Ansatz. „Da könnten sich noch viele interessante Produkte verbergen.“ Insbesondere Antioxidantien dürften die Mikroalgen produzieren, da sie Photosynthese betreiben und somit empfindliche Stoffwechselprodukte vor Sauerstoffradikalen schützen müssen.

 

Optimierung der Kultivierung im Labormaßstab: Photobioreaktoren mit T. wisconsinensis vor einer Lichtwand.

Optimierung der Kultivierung im Labormaßstab: Photobioreaktoren mit T. wisconsinensis vor einer Lichtwand.

Industrielles Portfolio an Mikroalgeninhaltsstoffen erweitern

Seit mehr als 20 Jahren finden auch Mikroalgen in der Industrie Beachtung, unter anderem als Futtermittel, zuletzt auch als Quelle für Feinchemikalien. Neben ganzen Extrakten werden industriell vor allem Carotinoide, Phycobiline und Omega-3-Fettsäuren genutzt, allerdings ist der Umfang gegenüber Makroalgen gering. Mit T. wisconsinensis wollen Grewe und Griehl nun das kommerziell verfügbare Portfolio an Mikroalgeninhaltsstoffen erweitern. Ziel ist ein Prozess zur Kaskadennutzung. „Aus einer Alge sollen mehrere Produkte werden“, schildert Grewe. „Das erhöht die Wirtschaftlichkeit und macht die Biomasse fast vollständig nutzbar.“

Das Hauptprodukt, an dem die Forscherinnen interessiert sind, ist das Carotinoid Canthaxanthin, ein natürliches Antioxidans. „Durch seine Farbe absorbiert es Lichtenergie“, erklärt Grewe. Canthaxanthin bindet freie Radikale und verringert so Zellschädigungen infolge der UV-Strahlung, die Teil der Hautalterung sind. „Wenn auf einer Creme Anti-Aging drauf steht, ist das kein Werbeslogan, sondern in Studien nachgewiesen“, betont die Forscherin.

Kultivierung im industriellen Maßstab: 12,5-Kubikmeter-Photobioreaktor mit T. wisconsinensis-Kultur kurz vor der Ernte.

Kultivierung im industriellen Maßstab: 12,5-Kubikmeter-Photobioreaktor mit T. wisconsinensis Kultur kurz vor der Ernte.

Lebenszyklus der Mikroalge analysiert

Dazu musste das Team erst einmal untersuchen, zu welcher Zeit des Lebenszyklus die Mikroalge überhaupt das Molekül Canthaxanthin produziert – und auch weitere interessante biologisch aktive Verbindungen. Zwar interessiert Grewe durchaus, welche Moleküle im Einzelnen zum antioxidativen Effekt des Grünalgenextrakts beitragen, doch das würde den Rahmen des Projekts zeitlich sprengen. Ziel ist es daher zunächst, sowohl einen wässrigen als auch einen fettlöslichen Extrakt mit entsprechender Wirkung herzustellen.

Den zweistufigen Kultivierungsprozess dafür haben die Forscher inzwischen entwickelt und von der Fünf-Milliliter-Kultur aus der Stammsammlung der Universität Göttingen bis zu einer 12,5-Kubikmeter-Anlage hochskaliert. Nicht minder wichtig war der Aufarbeitungsprozess, um hinterher das Produkt aus den Mikroalgen rauszuholen, etwas, wofür es bislang wenige Referenzen gibt. „Aber das war für uns eine positive Überraschung, denn der Prozess lässt sich einfacher gestalten, als wir aufgrund bisheriger Erfahrungen angenommen hatten“, freuen sich Grewe und Griehl.

Applikationsmuster für Probandenstudie: Algen-Hydrogel mit einem Extrakt aus T. wisconsinensis.

Applikationsmuster für Probandenstudie: Algen-Hydrogel mit einem Extrakt aus T. wisconsinensis.

Unterschiedliche Extrakte verglichen

Eine Vielzahl unterschiedlicher Extrakte aus T. wisconsinensis haben die Projektpartner im Labor auf die antioxidative Wirkung getestet. „Canthaxanthin war immer unsere Leitsubstanz, aber wir haben auch links und rechts geguckt, denn viele Moleküle sind an der Gesamtwirkung der Extrakte beteiligt“, berichtet Grewe. Denkbar sei, dass sich dabei die Effekte einzelner Substanzen nicht einfach addieren, sondern sogar synergistische Effekte bestehen.

Die vielversprechendsten Extrakte hat das Team in eine Rahmenformulierung für eine Tagescreme eingebunden und in einer Probandenstudie auf die Verträglichkeit getestet. Ein Extrakt ist nun im Wirksamkeitstest, doppelblind und Placebo-kontrolliert. „So ein hoher Standard ist ungewöhnlich, weil er angesichts des Fehlschlagrisikos teuer ist“, erläutert Grewe. Doch die Kooperation mit der Hochschule Anhalt und die öffentliche Förderung hätten die Möglichkeit geschaffen.

Positives Zwischenergebnis beim ersten Wirksamkeitstest

Die ersten Zwischenergebnisse sind positiv: „Der Anti-Aging-Effekt ist 20 bis 25% stärker als beim Placebo“, zeigen sich die Forscherinnen zufrieden. Dank der Kaskadennutzung wäre zudem die Wirtschaftlichkeit des Prozesses gegeben, wenn auf der Zielgeraden nichts mehr schiefgeht. „Wir haben wirklich viele gute Ergebnisse“, freut sich Grewe, die aus jahrelanger Erfahrung auch andere Projektverläufe kennt. Darüber hinaus begeistert sie der bioökonomische Aspekt – der nachwachsende Rohstoff, der zu einem natürlichen Produkt führt. „Und die Alge bindet CO2 – das ist doch super!“

Bis zum Ende des Projekts geht es nun noch darum, weitere Stabilitätsuntersuchungen durchzuführen und die Formulierung vielleicht noch einmal anzupassen. Letztere liegt am Ende jedoch eh bei den Kosmetikherstellern, die den Extrakt in ihren Produkten einsetzen werden. Zwei Interessenten gibt es bereits. Läuft alles nach Plan, könnten die ersten Produkte mit Inhaltsstoffen aus der Grünalge T. wisonsinensis vielleicht schon Ende 2021 in den Markt eingeführt werden.

Autor: Björn Lohmann