Technischer Hautersatz aus Biopolymeren

Technischer Hautersatz aus Biopolymeren

Eine künstliche Haut aus Biopolymeren macht es möglich, die Wirkung von Händedesinfektionsmitteln praxisnah zu testen.

Das künstliche Hautmaterial wurde so optimiert, dass es als Ersatz für die Hände echter Probanden verwendet werden kann.
Das künstliche Hautmaterial wurde so optimiert, dass es als Ersatz für die Hände echter Probanden verwendet werden kann.

Händehygiene ist das A und O in Krankenhäusern und Pflegeheimen, um Infektionen zu vermeiden. Doch nicht jedes Desinfektionsmittel darf in medizinischen Einrichtungen angewendet werden. Die Zulassung erfolgt erst nach aufwendigen Tests zur bakteriellen Wirkung durch den Verband für angewandte Hygiene e.V. (VAH) oder das Robert-Koch-Institut. Das Problem: Ob das Desinfektionsmittel tatsächlich Hände von Bakterien und Viren entfernt,  ist damit nicht gesagt. Denn praxisnahe Tests an Probanden sind kosten- und zeitintensiv.

Desinfektionsmittel auf künstlicher Haut

Textilforscher der Hohenstein Institute haben gemeinsam mit dem Labor Dr. Merk & Kollegen GmbH hierfür eine neue Prüfmethodik auf Basis einer technischen Haut entwickelt. Die Kunsthaut besteht aus einem modifizierten Biopolymer und simuliert wichtige Eigenschaften biologischer Haut - so weist die Oberfläche des Materials eine hauttypische Felderstruktur auf und der pH-Wert liegt leicht im sauren Bereich, wie beim natürlichen Vorbild. Mit der Haut und dem entwickelten Verfahren kann die Wirkung neuer Händedesinfektionsmittel erstmals praxisnah ohne aufwendige Probandenversuche getestet werden. Das Prüfverfahren wurde im Rahmen des Zentralen Innovationsprogrammes Mittelstand (ZIM) realisiert.

Routierender Arm simuliert Einreiben

Hinzu kommt eine neue Prüfvorrichtung, die von Wissenschaftlern am Labor Dr. Merk & Kollegen GmbH entwickelt wurde. Die künstliche Haut mit dem Desinfektionsmittel wird hier in einen drehbar gelagerten Arm gespannt. Durch Rotation des Arms auf der Fläche und die Einstellung des Auflagedrucks können so Reibebewegungen simuliert werden, die dem Einreiben der Hände mit einem Desinfektionsmittel entsprechen.

Die neu entwickelte Prüfvorrichtung erlaubt eine realistische Simulation des Einreibevorgangs.

Die neu entwickelte Prüfvorrichtung erlaubt eine realistische Simulation des Einreibevorgangs.

Virologische Tests mit dem neuen Prüfverfahren an handelsüblichen Desinfektionsmittel gegen Noro-, Vaccinia- und Adenoviren haben gezeigt, dass die Ergebnisse mit Daten aus Probandenversuchen mithalten können. Den Forschern zufolge lässt sich mit dem neuen Händedesinfektionsmodell die Wirkung gegenüber Bakterien als auch Viren unter realistischen Bedingungen praxisnah testen. Durch das Screening neu entwickelter Desinfektionsmittel würden nicht nur Kosten eingespart. Mit dem Prüfverfahren entfällt auch die Ansteckungsgefahr für Probanden bei solchen Test.

Übertragungsszenarien nachgestellt

Im Projekt konnten die Forscher aber auch Übertragungsszenarien aus der Praxis simulieren und auswerten. Dafür wurden sogenannte Infektionsketten (z.B. Hand - Türgriff - Hand) mit einem Stempelmodell unter Einsatz der technischen Haut oder verschiedener Metallplättchen nachgestellt und analysiert. Hierbei wurde deutlich: Nur durch eine gründliche Händedesinfektion  kann Krankheitserregern der Garaus und eine Übertragung verhindert werden.

bb/pg