Eine neue Rebsorte züchten ist ein mühseliges Unterfangen. Hitze, Kälte und Pilzbefall können der Pflanze schon in einem frühen Stadium zusetzen. Meist ist der Schaden aber erst sichtbar, wenn es zu spät ist. Mit PHENObot wurde ein Feldroboter entwickelt, der den Züchtern bei der aufwendigen Datenerfassung von phänotypischen Merkmalen wie Farbe und Größe der Beeren viel Zeit und Arbeit ersparen kann. Der Phänotypisierungsroboter wurde unter Leitung des Julius-Kühn-Instituts im pfälzischen Geilweilerhof gemeinsam mit der Hochschule Geisenheim University und Wirtschaftspartnern im Rahmen des Projektes PHENOvines entwickelt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 167.000 Euro gefördert.
Falscher und Echter Mehltau sind neben Hitze und Kälte der größte Feind der Rebe. Jedes Jahr müssen Winzer von der Elbe bis zum Bodensee um die Früchte ihrer oft jahrzehntelangen Arbeit bangen. Rebsorten, die dem Klima trotzen und gegen Krankheitserreger resistent sind, sind daher der Traum eines jeden Winzers. Forscher am Institut für Rebenzüchtung Geilweilerhof am Julius-Kühn-Institut (JKI) in Siebeldingen sind dabei, neue Rebsorten zu züchten, denen die natürliche Feinden auch ohne Pflanzenschutz nichts anhaben können. Doch auch die Züchtung ist ein mühsames und aufwendiges Geschäft. Mitunter können 20 bis 25 Jahre ins Land gehen, ehe die neue Rebsorte auf den Weinbergen kommerziell angebaut werden kann. Auch hier können Pilzbefall und Unwetter die Arbeit der Züchter um Jahre zurückwerfen. Das Problem: Wenn der Schaden für das bloße Auge sichtbar ist, ist es meist schon zu spät.
Hilfe für Rebenzüchter
Hilfe könnte ein smarter Roboter bringen: Im Forschungsprojekt Phenovines hat ein interdisziplinäres Team um Reinhard Töpfer in den vergangenen Jahren den Feldroboter „Phenobot“ entwickelt. Er soll die Arbeit der Rebenzüchter deutlich erleichtern und effizienter machen. „Unsere Aufgabe war es, eine autonome Plattform zu schaffen, die im Weinberg nach vorgegebenen Koordinaten Rebstöcke ansteuert und dort Fotos macht. Diese Fotos sollten in einer Datenbank abgelegt und dann von Auswertungsroutinen verwendet werden“, erklärt Töpfer.
Der Prototyp – ein Handwagen mit Sensorik und Kamera – wurde im Rahmen des Plant 2030-Projektes CROP.SENSe gemeinsam mit der Universität Bonn entwickelt. Im BMBF-Folgeprojekt Phenovines wurde das Gerät dann in Zusammenarbeit mit der Hochschule Geisenheim University schrittweise zu einem mobilen und mit GPS-Daten navigierendem System weiterentwickelt. Die Entwicklung des Multikamerasystems lag in der Verantwortung der Forscher vom JKI. Unterstützt wurden die Wissenschaftler von Partnern aus der Wirtschaft, die ihre Praxiserfahrungen einbrachten: die Heinrich Mayer GmbH & Co.KG, die Reichhardt GmbH sowie die Winzergenossenschaft Deutsches Weintor e.V.
Mit GPS von Rebe zu Rebe
Der Phenobot ist ein hochmodernes Raupenfahrzeug, das sich mithilfe einer sogenannten Job-Liste, die aus GPS-Koordinaten besteht, selbstständig von der ersten bis zur letzten Rebe im Weinberg bewegt. „Wir haben die Standorte der Rebstöcke mit hochgenauem GPS vermessen, sodass eine Genauigkeit von 2 Zentimetern erreicht wird“, erklärt Töpfer.
Der fahrbare Untersatz von Phenobot stammt von einem Kettenfahrzeug, wie es ursprünglich bei der Apfelernte eingesetzt wird. Darauf wurden moderne Sensoren und ein Multikamerasystem installiert, das mit fünf Geräten gleichzeitig Fotos von den Reben erstellt. Die Bilder werden zunächst auf einem Datenträger auf dem Feldroboter gespeichert, dann in eine Datenbank übertragen und mithilfe spezieller Programme ausgewertet. „Aus diesen standardisierten Fotos lassen sich per Algorithmen Daten extrahieren, wie zum Beispiel die Beerenfarbe oder die Größe, was ein wichtiger Ertragsparameter ist.“
Nur bei Dunkelheit aktiv
Standardisierte Aufnahmen bei Tageslicht zu realisieren, stellte die Forscher vor ein Problem. Doch auch dafür fand das Team um Reinhard Töpfer eine Lösung. „Statt darauf zu warten, dass wir immer gleiche Lichtverhältnisse haben, entschieden wir, die Fahrten nur in der Dunkelheit mit Blitzlicht zu machen. So wurden die Bilddaten vergleichbar.“
Um vergleichbare Bilddaten zu erhalten, erfolgt die Erhebung von Pflanzenmerkmalen – die Bonitur – bei künstlichem Licht im Dunkeln.
Bisher ist die Erhebung von Pflanzenmerkmalen – die Bonitur – eine sehr zeitintensive, teils ermüdende und fehleranfällige Arbeit. Rebenzüchter müssen den Weinberg ablaufen und mit bloßem Auge jeden Rebstock inspizieren, die Ertragsparameter notieren, um sie später auszuwerten. In der Reifezeit fehlt es zudem häufig an Personal, sodass die Datenerfassung lückenhaft ist. Hier soll – so der Plan der Forscher – mittelfristig Phenobot einspringen. „Die Technik kann fehlendes Personal kompensieren oder vorhandenes Personal entlasten. So kann das Personal für Spezialaufgaben eingesetzt werden, während der Roboter die Routinearbeiten übernimmt“, so Töpfer.
1.000 Rebsorten in 9 Stunden
Im Zuchtgarten des JKI am Geilweilerhof hat Phenobot den Feldtest bestanden. In nur 9 Stunden hatte der technische Gehilfe die 1.000 verschiedenen Rebsorten und Zuchtstämme in Bildern erfasst. Damit war der Feldroboter mit der Datenerfassung 20 Mal schneller als die Züchter bei der Bonitur. „Das wird eine Effizienzsteigerung in der Züchtungsarbeit sein. Denn der Züchter kann seine Selektion auf Grund der vermehrten Daten genauer steuern und die Pflanzen viel objektiver bewerten, weil er mehr Parameter aufnehmen kann“.
Winzer an Phenobot interessiert
Reinhard Töpfer ist überzeugt: Phenobot wird schon bald bei der Bonitur von Reben ein wichtiger Helfer sein. Als Nächstes soll das Phänotypisierungs-Ass um einige Ertragsparameter erweitert und für die Erkennung von Krankheitserregern wie den falschen Mehltau fit gemacht werden. Auch ein Einsatz im Weinanbau ist mittelfristig geplant. „Seitens der Winzer gibt es ein großes Interesse hinsichtlich der Ertragsschätzung. Hier kann die Sensorik sehr hilfreich sein“, sagt Töpfer. Bis auf weiteres wird der Phänotypisierungsroboter allerdings nur zu Versuchszwecken im Zuchtgarten des Instituts zum Einsatz kommen. „Wir können noch nicht sagen, wie viele Trauben an einem Rebstock hängen, weil durch Verdeckung eine Differenzierung noch nicht möglich ist.“ Doch die Pflanzenexperten tüfteln bereits an Konzepten, wie sich auch diese Herausforderung in den Griff bekommen lässt.
Autorin: Beatrix Boldt