Faktencheck zur Paludikultur

Faktencheck zur Paludikultur

Aktuelle Entwicklungen und Förderprogramme zur Paludikultur standen im Fokus eines Online-Seminars der Veranstaltungsreihe „Bioökonomie in Niedersachsen und Schleswig-Holstein“.

Ernte einer Paludikultur auf Moorboden
Ernte einer Paludikultur

Moore sind Kohlenstoff- und Wassersenken zugleich. Obwohl Moore nur 3% der Landfläche der Erde ausmachen, speichern sie mit 450 Gigatonnen mehr Kohlenstoff als der gesamte Waldbestand der Erde. In Deutschland sind etwa 5% der Landfläche Moore, wobei das Gros in Norddeutschland zu finden ist. Durch Entwässerung und Bewirtschaftung werden jedoch laut Umweltbundesamt jährlich etwa 47 Millionen Tonnen CO2 bundesweit emittiert. Allein 80% dieser Emissionen gehen auf durch Landwirtschaft entwässerte und genutzte Böden zurück. Durch die Trockenlegung werden nicht nur Torfschichten als CO2-Speicher zerstört, sondern auch der Lebensraum vieler Pflanzen und Tiere. Im Rahmen des Klimaschutzplanes 2050 und des Klimaschutzprogramms 2030 der Bundesregierung wurden daher Maßnahmen zum Schutz von Moorböden und der damit verbundenen Reduzierung des Torfabbaus festgeschrieben.

Die sogenannte Paludikultur stellt den Schutz der Moorböden durch Erhalt und Neubildung von Torf in den Fokus und ist daher ein wichtiger Treiber, um die Klimaziele zu erreichen. Denn Pflanzen wie Schilf bilden potenziell Torf. Durch den Anbau sowie die Nutzung nachwachsender Rohstoffe wie Schilf oder Rohrkolben birgt die Paludikultur aber auch ein großes bioökonomisches Potenzial und eröffnet neue Wertschöpfungsketten für Landwirte, wie ein Online-Seminar im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Bioökonomie in Niedersachsen und Schleswig-Holstein“ verdeutlichte. Die digitale Veranstaltung am 4. Februar bot einen Einblick in aktuelle Entwicklungen sowie Förderprojekte auf dem Gebiet der Paludikultur. Das Event wurde vom Kompetenzzentrum Erneuerbare Energien und Klimaschutz Schleswig-Holstein (EEK.SH) und dem 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e.V. ausgerichtet.

Moorböden werden zum Großteil landwirtschaftlich genutzt

Colja Beyer vom 3N Kompetenzzentrum Paludikultur Niedersachsen lieferte beim Seminar einen Überblick über die niedersächsischen Moorlandschaften und das damit verbundene Flächenpotenzial für Paludikulturen. Niedersachsen verfügt demnach über insgesamt 395.000 ha Moorböden, das ist etwa ein Zehntel der Landesfläche. Davon werden aktuell 75% von der Landwirtschaft als Weideland oder Ackerfläche genutzt. Hochmoore machen mit 39% den Löwenanteil der Moorböden aus, gefolgt von Niedermooren mit 35%. „14% der organischen Böden sind die für Vernässung nicht mehr nutzbar, weil sie verbaut sind“, betonte Beyer.

Biomasse-Potenziale für die Landwirtschaft

Der Flächencheck verdeutlichte: Um die Paludikultur voranzutreiben, muss die Landwirtschaft für das Thema sensibilisiert werden. Das Potenzial liegt hier vor allem im Anbau nachwachsender Rohstoffe wie Schilf und Rohrkolben, die als Biomasse für Landwirte neue Wertschöpfungsketten eröffnen können. Anhand von Zahlen verdeutlichte Beyer das Potenzial: Eine Umwandlung von Ackerflächen in Niedermoorböden würde durch den Anbau von Paludikulturen jährlich etwa 3,8 Millionen Kubikmeter Trockenmasse liefern. Durch die Nutzung nachwachsender Rohstoffe würden zugleich 100 Millionen Tonnen Erdöl sowie 117 Millionen Kubikmeter Erdgas pro Jahr eingespart.

„Wir müssen zeigen, dass die Paludikulktur ökologisch rentabel und eine interessante Bewirtschaftungsform sein kann“, betonte Michael Trepel von der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Der Kieler Experte sieht vor allem in der stofflichen Nutzung großes Potenzial. Trepel verwies in seinem Vortrag auf die Herausforderungen bei der Neunutzung der Moore. „Es geht um Technik und Logistik für den Transport der Biomasse, wie diese gelagert, aufbereitet und sinnvoll genutzt werden kann, aber auch um den schonenden und effizienten Anbau der Kulturen.“ Der Experte verwies hier auf die Niederlande, die auf diesem Gebiet Vorreiter sind.

EU und Bundesregierung unterstützen schon seit Jahren Maßnahmen zum Schutz von Moorböden und Torfminderung. Praxistaugliche Lösungen für die Umwandlung bewirtschafteter Moorböden werden beispielsweise im Projekt Moor-Klimawirt (MoKli) für Landwirte erarbeitet, über das Projektleiter Matthias Reimers vom Bündnis Naturschutz in Dithmarschen referierte. „Die Sensibilisierung der Landwirte war für uns immer wichtig. Wir wollen zeigen, dass über Paludikultur Wertschöpfungsketten eingerichtet werden können“, so Reimers. Das Team will einen Leitfaden für die moorschonende Bewirtschaftung der Fläche für einen besseren Moor-Klimaschutz entwickeln und Produktionswege zur Verwertung von Moor-Biomasse aufzeigen. Hierfür wurde die Miele- und Windberger Niederung zu einer Modellregion für den Anbau von Paludikultur auf ehemals landwirtschaftlich genutzten organischen Böden.

Torfersatz- und Dämmstoffe aus Schilf und Rohrkolben

Im Verbundprojekt KLiMo, das zur Hälfte von der EU und vom Land Niedersachsen gefördert wird, geht es um die Entwicklung von Projektketten aus Niedermoorbiomasse. Partner aus Forschung und Industrie wollen hier gemeinsam Torfersatzstoffe aus Schilf und Rohrkolben entwickeln. Aufbereitungsverfahren, aber auch Substratmischungen für Torfersatz sollen in den kommenden Jahren entwickelt werden. Doch nicht nur das. Auch Dämmstoffe aus Rohkolben sollen entstehen. „Anhand eines Modellhauses wollen wir demonstrieren, wie die neuen Dämmstoffe verbaut werden können und CO2-Emissionen sowie andere Einflussparameter messen“, berichtet Colja Beyer.

Förderung neuer Projekte zum Moorbodenschutz 

Die Experten waren sich einig: Die Nutzung der Moore durch Paludikultur hat viele Vorteile: Sie kann einen wichtigen Beitrag zu Klima-, Umwelt- und Bodenschutz sowie Biodiversität leisten, die Bildung neuer Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze sowie die Schließung von Stoffkreisläufen fördern. In Deutschland ist die Paludikultur bisher auf nasse Nutzungsformen wie den Anbau von Reet beschränkt. Das Seminar diente auch dazu, potenzielle Partner für neue Ideen und Projekte zu finden. Um die Paludikultur voranzubringen, hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) soeben einen Förderaufruf zum Thema „Moorbodenschutz über die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen aus der Paludikultur“ gestartet. Insgesamt 56 Mio. Euro stellt das BMEL in den kommenden zwei Jahren dafür bereit.