Darmbakterien als Klebstofffabriken

Darmbakterien als Klebstofffabriken

Berliner Forschern ist es gelungen, E. coli-Darmbakterien so umzuprogrammieren, dass sie den Unterwasserklebstoff von Miesmuscheln herstellen.

Miesmuscheln verfügen über einen äußerst begehrten Bioklebstoff, der jedoch nur schwer zu isolieren ist. Umprogrammierte Darmbakterien könnten in Zukunft diesen Klebstoff auf biotechnologischem Weg produzieren.

Miesmuscheln verfügen über einen der stärksten, bekannten biobasierten Klebstoffe, denn sie müssen sich bei wechselnden Gezeiten an Meeresboden und Steinen festhalten. Genau so ein biobasierter Superkleber wird dringend auch in der regenerativen Medizin benötigt. Ein biokompatibler Klebstoff könnte für die Behandlung von oberflächlichen Hautwunden genutzt werden und sogar das Einsetzen von Platten und Schrauben bei Knochenbrüchen überflüssig machen. Wissenschaftlern des Exzellenz Clusters UniCat (Unifying Concepts in Catalysis) in Berlin ist es nun gelungen, Stämme des Darmbakteriums Escherichia coli so zu verändern, dass mit ihrer Hilfe der biologische Unterwasserklebstoff von Miesmuscheln produziert werden kann. Wie die Forscher im Fachjournal „ChemBioChem“ berichten, kann der neuartige Kleber mit Licht gezielt aktiviert werden.

Darmbakterien als Chemiefabrik

Schon lange sind die extrem guten Hafteigenschaften des Muschelklebers bekannt, mit dem diese sich an beinahe allen Oberflächen festhalten können. An ihrem Fuß scheiden die Muscheln Fäden aus, die aus einem Proteinkleber bestehen. Dessen wichtigster Bestandteil ist die Aminosäure 3,4-Dihydroxyphenylalanin, kurz „DOPA“ genannt. Die UniCat-Mitglieder Nediljko Budisa von der TU Berlin, Holger Dobbek von der HU Berlin und Andreas Möglich, mittlerweile an der Universität Bayreuth, haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem der Miesmuschelkleber biotechnologisch hergestellt werden kann. „Um diese Muschelproteine herzustellen, benutzen wir Darmbakterien, die wir umprogrammiert haben“, erläutert Budisa. „Sie sind unsere Chemiefabrik, mit der wir den Superleim produzieren.“

Licht aktiviert die Klebestellen

Dazu haben die Wissenschaftler in einem ersten Schritt ein spezielles Enzym in das Darmbakterium E. coli eingefügt. Anschließend wurde das veränderte Darmbakterium mit der Aminosäure ONB-DOPA (ortho-Nitrobenzyl-DOPA) gefüttert. Diese bildet eine Schutzschicht über die für die starke Klebewirkung verantwortlichen Dihydroxyphenyl-Gruppen. Das umprogrammierte Bakterium baut anschließend diese geschützten Aminosäuren in Proteine ein. Das Ergebnis: Ein Haftprotein, dessen Klebestellen noch abgeschirmt sind. Erst nachdem das geschützte Haftprotein aus den Bakterien herausgelöst und gereinigt worden ist, werden die Schutzgruppen mit Hilfe von Licht einer bestimmten Wellenlänge (365 nm) entfernt. Dadurch werden die Klebestellen aktiviert, so dass das Protein zielgerichtet als Klebstoff verwendet werden kann.

Ausgründung mit neuem Verfahren

Obwohl die Einsatzmöglichkeiten für den Miesmuschelklebers groß sind, konnte dieser bisher noch nicht in ausreichendem Maßstab gewonnen werden: 10.000 Miesmuscheln ergeben nur ein bis zwei Gramm des Klebers. Die neue Methode der Berliner Forscher könnte dies aber schon bald ändern. Zwei Wissenschaftler der Arbeitsgruppe von Budisa wollen sich mit der biotechnologischen Herstellung des Muschelklebers ausgründen. „Diese Strategie bietet neue Wege zur Herstellung von DOPA-basierten Nassklebstoffen für die Anwendung in Industrie und Biomedizin mit dem Potenzial, Knochenchirurgie und Wundheilung zu revolutionieren“, sagen Christian Schipp und Matthias Hauf. Zur Verwirklichung ihrer Geschäftsidee wollen sie Labore des „Inkulab“ nutzen, dem Ausgründungslabor der UniCat an der TU Berlin. 

jmr