Biotechnologie-Branche im Stimmungstief
Nach zwei Jahren mit Rekordwerten ist die Stimmung in der deutschen Biotechnologie-Branche so schlecht wie nie. Das zeigt die jährliche Umfrage des Branchenverbandes BIO Deutschland für 2022.
Die Corona-Pandemie hatte die Umsätze der deutschen Biotech-Branche zwei Jahre in Folge sprunghaft ansteigen lassen. Genauso groß war die Bereitschaft der Unternehmen, in Forschung und Entwicklung (F&E) zu investieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Vor allem Impfstoffentwickler wie BioNTech und CureVac hatten das Rekordwachstum bestimmt. Nun scheint der Höhenflug der Branche vorbei zu sein. Die jährliche Umfrage des Branchenverbandes BIO Deutschland ergab ein eher pessimistisches Bild.
Das Barometer zur aktuellen Geschäftslage rutscht demnach von knapp 100 Punkten auf 88 deutlich ab, die Hoffnungen auf die künftige Geschäftslage sogar noch stärker von 95 auf 77 Punkte. Nur ein Viertel der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen geht von einer verbesserten Geschäftslage in den kommenden Monaten aus. Das Gros ist mit der aktuellen Geschäftslage deutlich unzufriedener als in den Vorjahren. Der Ausblick auf das kommende Jahr ist demnach sogar noch schlechter als während der Finanzkrise 2008.
Bereitschaft zu F&E-Investitionen sinkt
So konnte die Biotechnologie-Branche 2022 lediglich rund 920 Mio. Euro Eigenkapital einwerben, weniger als ein Drittel des Betrags im ersten Jahr der Pandemie, 2020. Auch die Bereitschaft, Investitionen in Forschung und Entwicklung zu erhöhen, sank der Umfrage zufolge erheblich. Eine Aufstockung des F&E-Budgets planen demnach lediglich 39 %. 2021 waren es noch 57 %. Fast 90 % wollen aber grundsätzlich in F&E investieren. Für den Branchenverband ist das ein deutliches Zeichen für die nachhaltige Forschungsintensität der Branche. Auch beabsichtigten lediglich 5,6 % Personal abzubauen, 45 % wollen mehr Beschäftigte einstellen.
Energiekrise und Inflation beeinflussen Geschäftslage
Nur 40 % der Befragten bezeichneten ihre Geschäftslage als gut. Im Vorjahr waren es noch 64 %. Was die zukünftige Geschäftslage betrifft, so erwarten nur 26 % eine Verbesserung und damit nur halb so viele wie 2021. Mehr als die Hälfte der Befragten gab zudem an, dass die Energiekrise negative Auswirkungen auf ihre Geschäftslage habe. Starke beziehungsweise mäßige Auswirkungen der Inflation bekamen der Umfrage zufolge ein Fünftel beziehungsweise die Hälfte der befragten Unternehmen zu spüren.
Auch mit Blick auf das aktuelle politische Klima ist die Stimmung in der Biotech-Branche eher düster. Während 2021 noch 59 % die Situation mit gut bewerteten, waren es 2022 nur noch 31 %. Ein ähnliches Bild ergab sich für die Einschätzung des zukünftigen politischen Klimas: Nur 28 % erwarten eine Verbesserung. 2021 waren es noch 61 %.
Biotech-Standort Deutschland langfristig stärken
„Die Gründe für den schwindenden Optimismus sind sicher vielfältig. Neben Krieg, Energiekrise und Inflation bremsen Fachkräftemangel und fehlende Finanzierungsoptionen unsere Unternehmen aus“, konstatiert Oliver Schacht, Vorstandsvorsitzender der BIO Deutschland. Auch der Einbruch der Börsenkurse, vor allem an der für die Biotech-Branche so wichtigen US-amerikanischen Technologiebörse Nasdaq, habe zu einer massiven Entwertung vieler Unternehmen geführt. Schacht zufolge ist es daher jetzt umso wichtiger „den Biotech-Standort Deutschland langfristig zu stärken“. „Wir müssen uns mit aller Kraft darauf konzentrieren, unsere technologische Souveränität auch im Bereich der Biotechnologie zu sichern.“
Potenziale der Biotechnologie nutzen
Viola Bronsema, Geschäftsführerin der BIO Deutschland, verweist auf das Potenzial der Biotechnologie, das neben der Pandemiebekämpfung und Gesundheitsforschung auch andere Bereiche wie nachhaltige industrielle Produktion, Ernährung und Kreislaufwirtschaft betrifft. „Ohne Chancenkapital, Patentschutz und Kooperationsmöglichkeiten wäre auch der Biotech-Star BioNTech trotz öffentlicher Förderung sicher nicht so schnell so weit gekommen. Bei unseren Unternehmen besteht der Eindruck, dass bei Politikerinnen und Politikern die Rolle der innovativen Biotech-Firmen allzu schnell wieder in Vergessenheit gerät. Das ist fahrlässig, auch und gerade im Hinblick auf zukünftige Herausforderungen“, so Bronsema.
bb