Enzyme sind in einigen Industriebranchen die heimlichen Stars: So sind die Biokatalysatoren Schlüsselkomponenten heutiger Waschmittel. Das Potenzial von Enzymen noch weiter erschließen will die von dem Monheimer Biotech-Unternehmen Evocatal koordinierte strategische Allianz „Funktionalisierung von Polymeren (FuPol)". Hier sollen innovative Produkte für die Textilwirtschaft sowie für die Bauchemie entstehen. Neu entdeckte Enzyme sollen dafür eingesetzt werden, Naturstoffe oder synthetische Fasern gezielt zu verändern und mit nützlichen Eigenschaften auszustatten. Die neun Partner aus Industrie und Hochschulforschung bringen bis 2018 insgesamt 8 Millionen Euro auf, die Hälfte davon steuert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der „Innovationsinitiative industrielle Biotechnologie" bei.
Polymere mithilfe von geeigneten Enzymen veredeln und so die Basis für innovative Produkte schaffen – das ist das Ziel der FuPol-Allianz. Sie ging 2013 an den Start und führt insgesamt neun Partner aus Industrie und Akademie zusammen. Koordinator des Netzwerks ist Christian Leggewie, Forschungschef beim Enzymspezialisten Evocatal. Im Fokus der FuPol-Allianz stehen zwei Module: „Zum einen wollen wir natürliche Polymere wie Lignin oder Cellulose für die Bauchemie nutzbar machen," erläutert Leggewie, „zum anderen synthetische Polymere für die Textilwirtschaft aufwerten." Die Werkzeuge dazu sind in beiden Fällen Enzyme – die Multitalente unter den Eiweißmolekülen. Die Natur hat bereits eine gewaltige Vielfalt an Enzymen hervorgebracht. Die Biotechnologen durchforsten Bioarchive nach Molekülen mit den gewünschten Fähigkeiten. Mithilfe moderner Enzymtechnologien versuchen sie zudem, ganz neuartige Biokatalysatoren zu entwickeln.
Enzyme sollen an Knötchen knabbern
Enzyme mit neuen Funktionen sind etwa in der Textil- und Waschmittelindustrie gefragt. Für die Reinigung von Baumwollstoffen enthalten Waschpulver heute bereits sogenannte Cellulasen. „Sie knabbern abstehende Mikrofasern oder Knötchen im Gewebe ab und verhindern so, dass die Kleidungsstücke rau werden und vergrauen", sagt Leggewie. Anders sieht es bei dem enorm wachsenden Markt der synthetischen Textilfasern aus, 2011 wurden 36 Millionen Tonnen PET-Fasern weltweit produziert. Auch bei den Kunstfasergeweben entstehen nach mehrfachem Waschen Knötchen – ein Mittel dagegen gibt es bislang aber noch nicht. „Hierfür wollen wir ganz neue Enzyme finden", betont Leggewie. Zusammen mit den akademischen Partnern von der Universität in Leipzig und dem DWI an der RWTH Aachen (ehemals Deutsches Wollforschungsinstitut) und der RWTH Aachen haben die Biotechnologen von Evocatal nach Esterasen gefahndet, die potenziell in der Lage sind, das künstliche Substrat PET-Faser zu bearbeiten und die unliebsamen Knötchen abzuspalten. „Rund 30 Enzyme haben wir bereits in der näheren Auswahl, sie durchlaufen nun eine ausgiebige Testphase", sagt Leggewie. Die besten dieser biobasierten Detergenzien sollen bald zusammen mit dem Waschmittelhersteller Henkel weiterentwickelt werden – hier müssen die Enzyme auch im ultimativen Waschmaschinentest überzeugen. Andere im Rahmen der FuPol-Allianz aufgespürte Enzyme wiederum sollen Kunstfasern so modifizieren, dass Farbe an ihnen besser haften bleibt.
Betonzusatz aus nachwachsenden Rohstoffen
Im weiteren Modul beschäftigen sich die Partner der strategischen Allianz mit natürlichen Polymeren, also komplexe Moleküle wie Lignin und Cellulose, die aus nachwachsenden Rohstoffen stammen. Zum Beispiel Lignin: In der Zellstoffproduktion fallen jährlich rund 50 Millionen Tonnen des Holzstoffs an – als Abfall, der verfeuert wird. Die Idee: In der Allianz soll Lignin mit Hilfe von Enzymen in einen Betonzusatzstoff umgewandelt werden. Betonzusatzstoffe sind heute im Hoch- und Tiefbau nicht mehr wegzudenken: Sie helfen dabei, Wasser zu sparen, die Qualität des Betons zu erhöhen und sorgen dafür, dass das Material schneller trocknet. Betonzusatzstoffe basieren jedoch meist auf Petrochemie. „Mit Betonzusätzen aus Naturstoffen ließe sich Wasser einsparen, zudem wird weniger CO2 freigesetzt und Energie eingespart", so Leggewie. Auch in diesem Projekt sollen Enzyme den Unterschied machen: Forscher um Wolfgang Streit von der Universität Hamburg haben dazu Umweltproben nach interessanten Biokatalysatoren abgesucht – und wurden hier ebenfalls fündig. „Auch hier läuft derzeit noch die Testphase, in der sich die besten Kandidaten herauskristallisieren werden", sagt Leggewie.
Die FuPol-Allianz im Überblick
Industriepartner: evocatal GmbH (Koordination) AB Enzymes, SIKA Bauchemie (CH), Henkel, Coats
Akademische Partner: RWTH Aachen, DWI, EMPA (CH), Universität Leipzig, Universität Hamburg
Machbarkeit prüfen
Wie gut die neuen biobasierten Betonzusätze wirklich sind, muss auch hier der Praxistest zeigen. Dafür zuständig ist das Schweizer Unternehmen SIKA Bauchemie, mit der Evocatal bereits in früheren Projekten zusammengearbeitet hat. Die ebenfalls in der Schweiz angesiedelte EMPA wird in enger Kooperation mit den Industriepartnern einen maßgeschneiderten Prozess zur Modifizierung von Lignin entwickeln. Bis 2016 wollen die Partner der FuPol-Allianz möglichst in allen Teilprojekten die Machbarkeit ihrer Projekte demonstrieren. In den darauffolgenden zwei Jahren ist geplant, die Produktion der biobasierten Werkzeuge und Produkte in den Industriemaßstab zu überführen.
Autor: Philipp Graf