Der Anteil an Medikamentenrückständen im Wasser nimmt stetig zu und ist ein Problem für die Umwelt. Metallrückstände hingegen, die in industriellem Prozesswasser verbleiben, sind wertvoll und könnten recycelt werden. Wissenschaftler an den Helmholtz-Zentren für Umweltforschung in Leipzig (UFZ) und Dresden-Rossendorf (HZDR) haben gemeinsam mit der Universität Rostock sowie der Proaqua GmbH & Co. KG Mainz ein Sensorkonzept entwickelt, mit dem sich Arzneien und Schwermetalle in Wasserproben gezielt nachweisen lassen. Die Technologie beruht auf Nano-Oberflächen, die mit fluoreszierenden Bakterienproteinen besetzt sind. Das Verbundprojekt „Aptasens“ wurde seit 2009 durch das Bundesforschungsministerium gefördert und ist nun ausgelaufen. Aufbauend auf den bisherigen Ergebnissen soll der Sensor nun für die Anwendung weiterentwickelt werden.
„Grundsätzlich eignet sich unser Farbsensor-Prinzip zum Aufspüren aller möglichen Substanzen“, erklärt Katrin Pollmann, Leiterin der Arbeitsgruppe Biotechnologie am HZDR. Angesichts des demographischen Wandels und dem damit steigenden Medikamentenverbrauch nehme das Problem der Arzneimittelreststoffe zu, so die Biologin. Ein weiteres wichtiges Forschungsthema am Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) vom HZDR ist das Recycling strategischer Metalle aus Prozesswasser von Industrieanlagen. Weil die neue Sensortechnologie so vielseitig einsetzbar ist, könnten diese beiden Erfordernisse gewinnbringend vorangetrieben werden
MBF-Zuschuss für gute Wasserqualität
Vor diesem Hintergrund haben sich die Forscher vom HZDR, dem UFZ mit ihren Kollegen von der Universität Rostock und dem Wasseraufbereitungs-Spezialisten Proaqua GmbH & Co. KG Mainz zum Verbundprojekt Aptasens zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist es, ihr neuartiges Konzept in einem Sensor zu realisieren, der in industriellem Maßstab angewendet werden soll. Von 2009 bis 2013 wurde das gemeinsame Forschungsvorhaben mit einer Summe von etwa 1,9 Millionen Euro vom BMBF unterstützt.
Rot: negativ, grün: positiv
Ist der gesuchte Stoff in einer Wasserprobe enthalten, leuchtet der Sensor grün. Die rote Färbung zeigt an, dass die Probe frei von der Substanz ist. Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin Sensors and Actuators B: Chemical (2013, Online-Vorabveröffentlichung) berichten, wird dies durch eine nanostrukturierte Oberfläche im Inneren des Sensors möglich gemacht. Sie ist mit bakteriellen Proteinen besetzt. Deren Farbstoffmoleküle liegen so dicht nebeneinander, dass zwischen ihnen eine Energieübertragung stattfinden kann, die man in der Physik als Fluoreszenz-Resonanzenergietransfer (FRET) bezeichnet. Das funktioniert so: Bestrahlt man die Nano-Oberfläche mit Licht einer bestimmten Wellenlänge, werden die grünen Farbstoffmoleküle energetisch angeregt. Durch den FRET-Effekt geben sie diese Energie an die roten Farbstoffe ab, die damit den Sensor rot leuchten lassen. „Der Energietransfer findet aber nur statt, wenn die Wasserprobe ‚sauber’ ist. Lagern sich dagegen fremde Substanzen, z. B. die gesuchten Medikamente, zwischen den Farbmolekülen an spezifischen Bindungsstellen an, wird der Transfer unterbrochen“, erklärt Erstautorin Ulrike Weinert vom HZDR. So können nur noch die durch das Laserlicht angeregten grünen Farbstoffe strahlen.
Weites Einsatzspektrum
Die zweite wichtige Komponente sind ebendiese spezifischen Bindungsstellen auf der Nano-Oberfläche. Kurze DNA-Einzelstränge werden dafür von den Wissenschaftlern so gestaltet, dass sie unterschiedlichste Substanzen spezifisch binden können. Diese DNA-Abschnitte werden als Aptamere bezeichnet, die ähnlich wie Antikörper hochspezifisch an ihre Zielmoleküle binden. So könnten Bindungsstellen für beliebig viele Moleküle hergestellt werden. Die Kombination des Sensorprinzips und der Aptamere– hat dem Verbundprojekt den Namen „Aptasens“ verliehen.
Generalprobe am Antibiotikum
Beate Strehlitz vom UFZ und ihre Arbeitsgruppe haben ein solches Aptamer für Kanamycin entwickelt. Das Antibiotikum wird bei bakteriellen Infektionen des Auges und in der Tiermedizin eingesetzt. Zudem kommt es häufig in mikrobiologischen Laborversuchen bei der Kultivierung gentechnisch veränderter Mikroorganismen zur Anwendung. Zur Realisierung eines einsatzfähigen Sensors fehlt ein finaler Schritt: Die Bakterienproteine und der Kanamycin-Rezeptor müssen auf der Nano-Oberfläche zu einem Sensorchip integriert werden.
Dann könnte die Funktion des Sensors an Kanamycin erprobt werden. „Dazu gehören dann noch eine Laserlichtquelle, die den Chip aktiviert, und ein Detektor, der die Farbänderung misst“, ergänzt Katrin Pollman. Um dieses Vorhaben zu realisieren, bewerben sich die Wissenschaftler nun um die Förderung in einem Anschlussprojekt.
Die Entwicklung von Nachweisverfahren, die schnell, kostengünstig und hochspezifisch Substanzen in Proben aufspüren, ist ein wichtiger Forschungszweig für die Medizin und die Industrie. Die Früherkennung von Krebs, der Schnelltest auf spezielle Allergene in Lebensmitteln oder die Qualitätssicherung von Trinkwasser sind nur einige Beispiele aus dem breiten Einsatzspektrum.