Genome Editing: Die Sicht der Max-Planck-Forscher
Der Ethikrat der Max-Planck-Gesellschaft positioniert sich zum Genome Editing in Pflanzenzucht, Medizin und Schädlingsbekämpfung.
Neue technologische Möglichkeiten werfen oft auch neue ethische Fragen auf. Das gilt aktuell für das sogenannte Genome Editing (deutsch: Genom-Editierung), den Präzisionseingriff ins Erbgut. Die Max-Planck-Gesellschaft hat sich als große Grundlagenforschungsorganisation nun in einem Diskussionspapier zu den neuen Möglichkeiten positioniert und bewertet die einzelnen Anwendungsfelder differenziert. Den Einsatz an menschlichen Keimbahnzellen lehnen die Forscher der Max-Planck-Gesellschaft dabei bis auf weiteres ab.
Vor allem richten sich die Autoren gegen Eingriffe in die menschliche Keimbahn, weil die Methode aufgrund ihrer Erblichkeit auch folgende Generationen betreffen würde und damit zunächst jahrzehntelang mögliche Nebenwirkungen der Eingriffe beobachtet werden müssten, bevor eine derartige Therapie als sicher erklärt werden könnte. Genom-Editierungen zu medizinischen Zwecken an anderen Zelltypen befürworten die Autoren Stefan Mundlos und Hans Schöler jedoch, weil sich damit beispielsweise Leukämie durch eine Veränderung der Blutzellen therapieren lassen könnte. Thomas Rauen und Hans Schöler beleuchten die große Bedeutung des Genome-Editing für die Stammzellforschung, etwa, um authentische Krankheitsmodelle im Labor zu entwickeln.
Nützlich in der Pflanzenzüchtung
Der Pflanzenforscher Detlef Weigel beleuchtet die Bedeutung der Genom-Editierung für die Pflanzenzüchtung. Ähnlich wie in der Biomedizin hätten alle großen Akteure in der Saatgutindustrie die CRISPR-Cas9-Technologie von akademischen Institutionen einlizenziert, was das Potenzial wiederspiegele, das die Industrie der Technologie beimesse. Per Genom-Editierung ausgelöste Punktmutationen sind sehr ähnlich zu spontanen Mutationen, die in überraschend hoher Rate im Pflanzen auftreten, schreibt Weigel. Daher sollte die Methode aus Sicht der Pflanzenforscher – entgegen der Einschätzung des Europäischen Gerichtshofes – nicht unter die EU-Gentechnikfreisetzungsrichtlinie fallen, wenn das Ergebnis von einer natürlichen Mutation nicht zu unterscheiden sei. Weigel rät dazu, die EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG zu aktualisieren, um entweder genom-editierte Pflanzen von den Vorschriften der Richtlinie auszunehmen, oder zumindest eine im Vergleich zu konventionellen GVO niedrigere Schwelle für die Freisetzung genom-editierter Pflanzen einzuführen.
Unkontrollierbarer Gene-Drive
Ebenfalls kritisch bewertet das Positionspapier die Gene-Drive-Methode. Dabei werden Insekten genetisch so verändert, dass sich eine bestimmte Eigenschaft in der Population ausbreitet. In der Praxis wurde das bereits genutzt, um Malariamücken unfruchtbar zu machen und die Krankheit einzudämmen – mit durchwachsenem Erfolg und Nebenwirkungen. Die Forscher bemängeln jedoch die fehlende Kontrolle über die Ausbreitung der Genveränderung und das meist fehlende Mitspracherecht der Menschen in der betroffenen Region.
Gesetze und Kontrollen fehlen
Die Autoren der einzelnen Kapitel arbeiten selbst mit Methoden der Genom-Editierung und sind daher mit den Techniken, Potenzialen und Risiken gut vertraut, wie das Positionspapier hervorhebt. Sie warnen abschließend, dass es bislang keine nationalen oder internationalen Gesetze gebe, die vor einem Missbrauch von Forschungsergebnissen zur Genom-Editierung schützen könnten.
bl/pg