Debatte um Genome Editing

Debatte um Genome Editing

Welche Rolle spielen Genome-Editing-Methoden für die Landwirtschaft? Wie wird das EuGH-Urteil von 2018 heute eingeschätzt? Darüber haben Experten in Berlin diskutiert. 

 

im Bild: Rechts: Margret Engelhard (BfN), Renè Röspel (MdB), Christine Lang (Bioökonomierat), Links (hinten): Jon Falk (Saaten-Union Biotech), Michael Metzlaff (Bayer) Mitte: Nele Herrmann Valente und Christiane Freitag (GENIUS)

Das Gentechnik-Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) war ein Paukenschlag: Im Juli vergangenen Jahres entschieden die obersten Richter, dass Organismen, die durch den Einsatz gezielter Mutagenese-Verfahren wie CRISPR-Cas gewonnen wurden, mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) gleichzusetzen sind, und damit unter die geltende GVO-Richtlinie fallen. Viele Umweltorganisationen haben das Urteil begrüßt, da sie der Nutzung von Gentechnik grundsätzlich kritisch gegenüberstehen und auch die neuen Technologien aus dieser Perspektive betrachten. Erst im Januar haben sich führende Nicht-Regierungsorganisationen zum „Aktionsforum Bioökonomie" zusammengeschlossen und in einer gemeinsamen Erklärung eine ökologische und sozial gerechte Bioökonomie gefordert (zur Stellungnahme als PDF). Sie kritisieren auch, dass es bislang unter dem Dach der Bioökonomie einen zu starken Fokus auf die Förderung von Gentechnik- und Biotechnologie-Verfahren gebe. 

Kritik an strenger Auslegung durch das EuGH

In Wissenschaft und Wirtschaft überwiegt indes die Meinung, dass die neuen Technologien ein großes Potenzial für den Aufbau einer nachhaltigen Bioökonomie mit sich bringen. Sie sehen die strenge Einstufung der Genome-Editing-Verfahren durch das EuGH-Urteil zunehmend kritisch und sprechen sich für die Überarbeitung der GVO-Richtlinie aus. Neben wissenschaftlichen Beratern der EU forderte unlängst auch der Bioökonomierat von der Politik, das bestehende Gentechnikrecht zu modernisieren.

Doch welche Bedeutung hat die EuGH-Entscheidung aktuell für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschland? Sind neue Züchtungsmethoden für die Landwirtschaft überhaupt notwendig, und wie geht es jetzt weiter? Diese und weitere Fragen rund um das Genome-Editing-Urteil haben Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft am 14. Februar bei der 8. Sondersitzung AGRAR in Berlin diskutiert. Auf Einladung der Agentur Genius wurde ein politisches Frühstück unter dem Motto „Heißes Eisen Grüne Biotechnologie“ organisiert, bei dem sowohl Befürworter als auch Kritiker des EuGH-Urteils zu Wort kamen.

Innovation versus Vorsorgeprinzip

René Röspel, SPD-Politiker und Mitglied des Deutschen Bundestages, verortete sich auf der Seite der Befürworter der Entscheidung der obersten Richter. „Wir müssen die Technologien im Hinblick auf die Risiken im Blick und das Vorsorgeprinzip im Auge behalten“, betonte Röspel. Aus seiner Perspektive gebe es zudem keine negativen Folgen durch das Urteil – weder für die Forschung noch für kleine und große Unternehmen. In eine ähnliche Richtung argumentierte Margret Engelhard, Fachgebietsleiterin am Bundesamt für Naturschutz: „Das sind wirkkräftige Technologien. Man muss die Spreu vom Weizen trennen.“ Sie sieht das Gentechnik-Recht dafür als geeignetes Werkzeug. 

Mit CRISPR-Cas Pflanzen züchten

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Genome Editing für die nachhaltige Bioökonomie nutzen

Für einen differenzierteren Blick warb indessen Christine Lang, Ko-Vorsitzende des Bioökonomierates. „Die Prinzipien der Vorsorge und Innovation müssen sich ergänzen“, betonte sie und unterstrich die Notwendigkeit, dass die neuen Methoden nicht alle über einen Kamm geschoren werden. „Wir brauchen einen politischen Gestaltungswillen, sodass die Nutzung von Genome Editing für eine nachhaltige Bioökonomie möglich wird.“ Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des großen Potenzials der Methoden für die Pflanzenzüchtung sei langfristig eine Anpassung der GVO-Richtlinie notwendig, sagte sie mit Verweis auf die jüngsten Ratsempfehlungen zum Thema Genome Editing. Gleichzeitig plädierte sie dafür, einen breiten gesellschaftlichen Dialog über Chancen und Risiken neuer Technologien zu führen.  

Viele Akteure in der Landwirtschaft betrachten die neuen Technologien vor allem als Potenzial. „Die neuen Züchtungsmethoden sind angesichts der wachsenden Nachfrage nach Nahrungsmitteln und knapperen Ressourcen wie Boden und Wasser sowie der sich verändernden Klimabedingungen wichtiger denn je. Ohne diese Innovationen werden Deutschland und Europa abgehängt. Die heimische Agrarwirtschaft verliert an Wettbewerbsfähigkeit", heißt es beispielsweise beim Grain Club, in dem die Unternehmen des Verbandes der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland vertreten sind. Auch auf der Veranstaltung betonten Wirtschaftsvertreter diese Position. 

„Durch die neuen Gentechnikverfahren haben wir heute Möglichkeiten, von denen wir früher nur geträumt haben“, stellte Michael Metzlaff, Vizepräsident für Innovation und F&E bei Bayer, klar. Wenn die Landwirtschaft nachhaltiger werden wolle, sei sie nicht nur auf neue, an Klimaveränderungen angepasste Pflanzensorten, sondern auch auf umweltfreundlichere Pflanzenschutzmittel angewiesen. Aber das sei nur mit den neuen Technologien möglich, unterstrich Metzlaff.

Pflanzenzüchter sehen Einschränkung durch Urteil  

Klar wurde auch: Viele, auch kleinere Pflanzenzüchter bewerten das EuGH-Urteil zum Genome Editing als Einschränkung ihrer Aktivitäten. „Wenn das Urteil umgesetzt wird, gleicht das de facto einem Verbot“, berichtete Jon Falk, Geschäftsführer der Saaten-Union Biotech. Vor allem kleinere Unternehmen würden die Vorteile der Genome-Editing-Technologien nicht nutzen können, weil sie es sich aufgrund der umfangreichen Auflagen nicht leisten können. Außerdem  würde der im Saatgutrecht verankerte, freie Zugang zu Sorten eingeschränkt werden, sagte Falk.

Differenzierte Debatte wichtig 

Obwohl viele Diskutanten das Potenzial der neuen Technologien hervorhoben, wurde zugleich davor gewarnt, von einem „Allheilmittel“ zu sprechen. Man einigte sich darauf, Genome Editing als ein wichtiges Werkzeug zu betrachten und betonte die Notwendigkeit, im Dialog miteinander zu bleiben. Im Rahmen eines „Runden Tisches“ müsste eine sachliche, differenzierte und transparente Debatte ermöglicht werden, so das einhellige Fazit der Veranstaltung.

bb/sw