Bioökonomierat: Gentechnikrecht anpassen

Bioökonomierat: Gentechnikrecht anpassen

Als Reaktion auf das Gentechnik-Urteil des Europäischen Gerichtshofes fordert der Bioökonomierat von der Politik, das Gentechnikrecht zu modernisieren. 

Das Genome Editing ist ein vielversprechendes Werkzeug für Pflanzenzüchter.

Molekulare Präzisionswerkzeuge wie die Genomschere CRISPR-Cas haben die Biowissenschaften revolutioniert. Mithilfe des Genome Editing ist es möglich, Erbgut gezielt zu bearbeiten und zu verändern. Auch Pflanzenzüchter haben damit ein vielversprechendes Werkzeug an die Hand bekommen, um Nutzpflanzen mit besseren Eigenschaften zu entwickeln. Seither wird über die Frage gestritten, ob per Genome Editing bearbeitete Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen zu betrachten sind oder nicht. Führende Pflanzenforscher sprechen sich dafür aus, ausgelöste Mutationen in genom-editierten Pflanzen grundsätzlich mit Produkten aus konventionellen Züchtungen gleichzusetzen. Der Europäischen Gerichtshof (EuGH) sah das anders. Im Juli entschieden die obersten Richter, dass durch moderne Züchtungstechniken wie CRISPR-Cas hervorgerufene Mutationen unter die strengen Auflagen des Gentechnikrechts fallen.

EU-Gentechnikrecht dem aktuellen Wissensstand anpassen 

Das überraschende Urteil der EuGH-Richter löste in Deutschland ein sehr unterschiedliches Echo aus: während die Umweltorganisationen und Gentechnik-Kritiker jubelten, äußerten sich Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft großteils ernüchtert bis bestürzt. Nun hat sich der Bioökonomierat, ein 17-köpfiges Expertengremium zur Beratung der Bundesregierung, zu Wort gemeldet: In seiner aktuellen Stellungnahme zum Gentechnik-Urteil fordert der Bioökonomierat die Politik auf, das EU-Gentechnikrecht zu modernisieren.

„Das EU-Gentechnikrecht kann den Chancen und Herausforderungen der Technologien in seiner jetzigen Form nicht gerecht werden“, erklärt Christine Lang, Ko-Vorsitzende des Bioökonomierates. Das Gremium ist überzeugt, dass Genome Editing bedeutende Innovationen in der Bioökonomie anstoßen wird. Doch jetzt sei Handeln geboten, „andernfalls würde Deutschland bei dieser biologischen Revolution außen vor bleiben und werde auch die notwendige internationale Regulierung nicht mitgestalten“, heißt es. Um das zu verhindern, rät der Bioökonomierat, das EU-Gentechnikrecht zeitnah sowohl den veränderten technologischen Entwicklungsbedingungen als auch dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand anzupassen.

Genom-editierte Pflanzen differenziert bewerten

In dem sechsseitigen Dokument formuliert der Bioökonomierat Leitlinien für eine Novellierung des Gentechnikrechts. „Wir benötigen eine an den Fortschritt angepasste Novellierung. Wichtig ist eine Regulierung, die zwischen Mutationen und Gentransfers unterscheidet und risikoorientierte Verfahren für die Zulassung und Freisetzung vorsieht“, argumentiert Lang. Das könne etwa durch abgestufte Genehmigungs- und Zulassungsverfahren für unterschiedliche Risikoklassen erreicht werden, heißt es in dem Papier. 

Gemäß dem EuGH-Urteil müssten künftig alle per Genome Editing erzeugten Nutzpflanzen pauschal die zeitaufwendige und teure Prozedur der Risikobewertung und Zulassung für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) durchlaufen. Der Bioökonomierat fordert stattdessen eine „differenzierte Betrachtung der Technologie und ihrer Anwendungsgebiete“. Demnach sollte im Gesetz klar benannt werden, welche Anwendungen von Genome Editing erlaubt sind und welche nicht. Der Rat stellt klar, dass es ihm nicht um eine „komplette Freigabe der neuen Technologien“ gehe. Deshalb weist das Gremium in seiner Stellungnahme auch auf Risiken einer zu rasanten oder unkontrollierten Ausbreitung der neuen Züchtungsverfahren hin.

Anstoß für gesellschaftlichen Diskurs über Genome Editing

Darüber hinaus empfiehlt das Gremium die behördliche Registrierung und ein Monitoring der guten Praxis sowohl beim kommerziellen Einsatz als auch bei akademisch angewandten Genome-Editing-Technologien. Verpflichtende Produktkennzeichnungen hält der Bioökonomierat indes nicht für sinnvoll, macht sich aber für eine bessere Infrastruktur für freiwillige Zertifizierungen stark. Zugleich plädiert der Rat für eine verstärkte Forschungsförderung, um Auswirkungen auf die Artenvielfalt aber auch auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen ermessen zu können und regt einen stärkeren gesellschaftlichen Diskurs sowie den Ausbau der internationalen Zusammenarbeit beim Umgang mit Genome-Editing-Technologien an. 

bb/pg