Epigenetische Spuren des Klimawandels

Epigenetische Spuren des Klimawandels

Epigenetische Prozesse tragen weniger als angenommen zur Anpassung von Organismen an rasche Umweltveränderungen bei. Das haben Kieler Forscher bei Stichlingen in der Ostsee herausgefunden.

Dreistachlige Stichlinge

Pflanzen und Tiere haben sich im Laufe der Evolution an ihre Umwelt angepasst. Die schrittweise Veränderung des Erbguts vollzog sich über unzählige Generationen. Doch der Klimawandel wird für viele Organismen zum Problem, weil er zu rasant voranschreitet. Forscher am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel haben im Rahmen einer internationalen Studie nun untersucht, wie stark epigenetische Mechanismen die Anpassungsfähigkeit von Organismen an die Umwelt beeinflussen.

Einfluss epigenetischer Marker untersucht

Organismen, die an ihre Umwelt angepasst sind, leben häufig länger und erzeugen somit auch mehr Nachkommen. Das heißt, ihre in der DNA gespeicherten Eigenschaften setzen sich damit langfristig durch. Dieser als Selektion bekannte Prozess dauert aber sehr lange. Epigenetische Prozesse hingegen beeinflussen chemisch die Struktur der DNA. Sie steuern jene Bereiche des Erbguts, die für die Aktivierung oder Stilllegung einzelner Gene eines Organismus verantwortlich sind. Hierbei wird zwischen zwei Arten von epigenetischen Markern unterschieden: Stabile Marker können wie die DNA zur langfristigen Anpassung beitragen. Induzierbare Marker können sich im Laufe des Lebens eines einzelnen Organismus verändern. Für Forscher sind sie damit ein Hoffnungsschimmer, weil sie sich schneller an Veränderungen anpassen können.

Anpassungsprozess in Fischpopulation nachgewiesen

Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Queen Mary University in London haben GEOMAR-Forscher daher untersucht, wie das Verhältnis zwischen stabilen und induzierbaren Markern ist und inwiefern die Nachkommen im Vergleich zu ihren Eltern besser angepasst sind. Im Fokus der Untersuchung stand der in der Ostsee lebende Dreistachlige Stichling. Die Fischart hat sich im Laufe der Zeit an verschiedene Salz-, Süß- und auch Brackwasserbedingungen angepasst. „Um herauszufinden, welche genetischen und epigenetischen Wege der Anpassung der Stichling bisher genutzt hat, haben wir uns drei Stichlingspopulationen aus verschiedenen Regionen der Nord- und Ostsee mit unterschiedlichen Salzgehalten etwas genauer angesehen“, erläutert Britta Meyer. Sie ist neben Melanie Heckwolf eine der beiden Hauptautorinnen der im Fachjournal "Science Advances" erschienenen Studie.

Epigenetische Muster und Salztoleranz verschieden

Die Forscher fanden heraus, dass sich die verschiedenen Populationen in ihren genetischen und epigenetischen Mustern unterschieden und auch unterschiedliche Toleranzen gegenüber Veränderungen des Salzgehalts aufwiesen. Auch konnte nachgewiesen werden, dass induzierbare Marker tatsächlich zur Anpassung beitragen, allerdings in geringerem Maße als vermutet. „Unser Experiment zeigt, dass die Epigenetik die Anpassung beeinflusst, allerdings sind dabei die Veränderungen von einer Generation zur nächsten geringer als bislang angenommen“, so Melanie Heckwolf. Der Studie zufolge werden Organismen jedoch auch mit epigenetischen Mitteln der Anpassung irgendwann an ihre Grenzen stoßen. „Der Klimawandel ist und bleibt eine der größten Herausforderungen für einzelne Arten und ganze Ökosysteme. Sie lässt sich auch nicht mit den aktuellen Erkenntnissen in der Epigenetik wegdiskutieren“, betont Heckwolf.

bb