Aktuelle Veranstaltungen

2020 hat die Sächsische Landesregierung die Bioökonomie in ihrer Innovationsstrategie verankert, um die Nachhaltigkeit in den Bereichen Kreislaufwirtschaft, Land- und Forstwirtschaft, Rohstoffwirtschaft und Energie voranzutreiben. Die Voraussetzungen für ein nachhaltiges und biobasiertes Wirtschaften im Freistaat sind gut: Fast die Hälfte der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt. Damit verfügt das Bundesland über eine solide agrar- und forstbasierte Rohstoffbasis. Hinzu kommt eine starke Industrie in den Bereichen Ernährungswirtschaft, Holzverarbeitung und Textilindustrie. Um die Bioökonomie im Freistatt in die Praxis zu bringen, hat das Deutsche Biomasseforschungszentrum (DBFZ) die Veranstaltungsreihe „Bioökonomie Werkstatt Sachsen“ ins Leben gerufen.

Bioökonomie-Netzwerke zusammenbringen

Ende Januar fand nun die Auftaktveranstaltung statt. An dem Treffen nahmen rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Branchen Land- und Forstwirtschaft, Ernährung, Textil, Kreislaufwirtschaft und Recycling sowie aus dem Bereich Forschung und Entwicklung teil. „Unser Ziel ist es, die Bioökonomie in zukünftigen Projekten passfähig aufeinander abzustimmen, umzusetzen und alle dem Thema Bioökonomie zugehörigen Netzwerke branchenübergreifend zusammenzubringen. So können wichtige Bedarfe und Prozesse ermittelt werden, die nachhaltiges Wirtschaften möglich machen“, erläutert Romy Brödner, Wissenschaftlerin am DBFZ die Zielstellung der Bioökonomiewerkstatt.

Hanf als Industrierohstoff besser nutzen

Bei der Veranstaltung wurden nicht nur die wichtigsten Themenfelder für den künftigen Wissenstransfer definiert. Bei Pitches und Impulsvorträgen hatten die Teilnehmenden zudem die Möglichkeit, ihre Kompetenzen, Rohstoffe und Produkte zu präsentieren. So stellte beispielsweise das Netzwerk Sachsen-Leinen e. V. aus Markleeberg vor, wie vielfältig Hanf als Industrierohstoff für die Bioökonomie genutzt werden kann, und wie mithilfe des neuen Netzwerkes regionale Verarbeitungslücken geschlossen werden können.
„Hanf ist ein sowohl ökonomisch als auch ökologisch interessanter nachwachsender Rohstoff mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten in Bereichen von Textil und Baustoff bis hin zum hochleistungsfähigen Faserverbundbauteil, der in Sachsen angebaut werden kann. Allerdings gibt es derzeit noch Lücken in der regionalen Verarbeitungskette“, so Kai Kölzig. „Bei der Bioökonomie-Werkstatt haben wir Projektpartner gefunden, um diese Wertschöpfungskette zu schließen.“

Fünf weitere interaktive Werkstätten geplant

Die Veranstaltungsreihe „Bioökonomie Werkstatt Sachsen“ wird im Rahmen des DBFZ-Projektes „Transferwerkstätten Innovationspotenziale der Bioökonomie in Sachsen (TW-BioS)“ durchgeführt und von der Landesregierung unterstützt. Für dieses Jahr sind fünf weitere interaktive Werkstätten an verschiedenen Orten Sachsens geplant.

bb

In 2020, the Saxon state government has anchored the bioeconomy in its innovation strategy in order to drive sustainability in the areas of circular economy, agriculture and forestry, raw materials management and energy. The conditions for a sustainable and bio-based economy are good: Almost half of the state's land area is used for agriculture. This means that the state has a solid agricultural and forestry-based raw materials base. In addition, there is a strong industry in the areas of food, wood processing and textiles. To bring the bioeconomy into practice in Freistatt, the German Biomass Research Center (Deutsche Biomasseforschungszentrum, DBFZ) has launched the "Bioeconomy Workshop Saxony" event series.

Connecting bioeconomy networks

The kick-off event took place at the end of January. Around 50 participants from the fields of agriculture, forestry, food, textiles, circular economy and recycling, as well as research and development, took part. "Our goal is to coordinate and implement the bioeconomy in future projects in a meaningful way and to bring together all networks that deal with the topic of bioeconomy across sectors. In this way, important needs and processes can be identified that enable sustainable economic activity," says Romy Brödner, a scientist at the DBFZ, explaining the aim of the bioeconomy workshop.

Better use of hemp as an industrial raw material

At the event, the most important topics for future knowledge transfer were identified. In pitches and keynote presentations, participants also had the opportunity to present their competencies, raw materials and products. For example, the Sachsen-Leinen e.V. network from Markleeberg presented the many ways in which hemp can be used as an industrial raw material for the bioeconomy and how regional processing gaps can be closed with the help of the new network. "Hemp is an economically and ecologically interesting renewable raw material with a wide range of applications, from textiles to building materials to high-performance fiber composite components, which can be grown in Saxony. However, there are currently still gaps in the regional processing chain," says Kai Kölzig. "At the bioeconomy workshop, we found project partners to close this value chain."

More interactive workshops planned

The "Bioeconomy Workshop Saxony" series of events is being held as part of the DBFZ project "Transfer Workshops Innovation Potentials of the Bioeconomy in Saxony (TW-BioS)" and is supported by the state government. Five more interactive workshops are planned for this year at various locations in Saxony.

bb

Lebensmittelverpackungen, Kosmetikprodukte, Reinigungsmittel oder landwirtschaftlicher Dünger enthalten Mikroplastik, das in die Umwelt gelangt und dort Ökosysteme, aber auch die Gesundheit von Mensch und Tier gefährdet. Das 2019 gegründete Start-up Bioweg hat eine Alternative parat: Das in Quackenbrück ansässige Unternehmen um Gründer und Geschäftsführer Prateek Mahalwar entwickelt Mikroperlen auf Cellulosebasis, die fossilbasierte Substanzen und andere synthetische Polymere in zahlreichen Produkten wie Kosmetika und Reinigungsmittel ersetzen können. Die Cellulose wird dabei durch Fermentation mithilfe von Bakterien gewonnen, die mit Abfällen aus der Landwirtschaft oder Lebensmittelindustrie wie Melasse oder Gemüseschalen gefüttert werden.  

Mit Zellprogrammierung zu leistungsstarken Bakterien

Bei der kommerziellen Herstellung der bioabbaubaren Mikroperlen wird das niedersächsische Start-up künftig von dem US-amerikanischen Unternehmen Ginkgo Bioworks unterstützt, wie die Unternehmen in einer gemeinsamen Pressemitteilung verkündeten. Das Unternehmen, das von Microsoft-Gründer Bill Gates unterstützt wird, hat eine Plattform für Zellprogrammierung entwickelt. Mithilfe der Technologie will Bioweg seine Bakterien noch leistungsfähiger machen, um größere Mengen der sogenannten Bakteriencellulose herstellen zu können.

Bakterielle Cellulose wettbewerbsfähig machen

„Unsere Lösungen gehen nicht nur ein großes Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Gesundheitsproblem an, sondern stellen auch eine Marktchance von 40 Mrd. US-Dollar dar, um Kunststoffpolymere in der Pflege-, Beschichtungs-, Chemie- und anderen Industrien zu ersetzen“, so Prateek Mahalwar. „Wir sind davon überzeugt, dass Ginkgos Fähigkeiten im Bereich der Bakterienstammentwicklung und des Screenings uns in die Lage versetzen, unsere biobasierten Lösungen in großem Umfang und zu wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten.“

Laut einer Studie der Universität Newcastle nimmt jeder Mensch pro Woche durchschnittlich fünf Gramm Plastik entweder über Lebensmittel und Getränke zu sich. Die Gefahren von Mikroplastik für Mensch und Umwelt haben nicht zuletzt die EU veranlasst, Einwegplastik europaweit zu verbieten. 2022 hat zudem hat die Europäische Chemikalienagentur angekündigt, in den nächsten vier bis sechs Jahren den Einsatz von Mikroperlen in „Rinse-off"- und „Leave-on"-Kosmetika auslaufen zu lassen.

Gemeinsam gegen Mikroplastikverschmutzung

Der Markt braucht daher dringend Alternativen. Die Cellulosekapseln könnten Bioweg zufolge die erdölbasierten Mikroperlen ersetzen. Von diesem Potenzial ist auch Ginko Bioworks überzeugt. „Bioweg deckt einen erheblichen Bedarf auf dem Markt, um eine neue Generation sauberer Alternativen zu synthetischen Polymeren zu entwickeln und zu produzieren“, sagt Ena Cratsenburg, Chief Business Officer bei Ginkgo Bioworks. „Wir sind entschlossen, den Wechsel zu nachhaltigen und biobasierten Hochleistungsalternativen zu unterstützen und freuen uns, mit Bioweg zusammenzuarbeiten, um die dringenden Probleme der Mikroplastikverschmutzung anzugehen und einen verantwortungsvollen Konsum zu fördern.“

bb

Noch setzt die chemische Industrie überwiegend auf den fossilen Rohstoff Erdöl. Doch die Branche ist im Wandel. Biobasierte Rohstoffe wie Rest- und Abfallstoffe sind immer öfter Ausgangsstoff bei der Herstellung chemischer Produkte. Aber die Verarbeitung von Biomasse ist nicht immer leicht. Ein Team um den Chemieingenieur Jakob Albert von der Universität Hamburg will dieses Problem angehen. Im Rahmen des Projektes „BioValCat“ wollen die Forschenden einen industriellen Prozess entwickeln, um Inhaltsstoffe für die chemische Industrie aus Biomasse gewinnen zu können. Das Projekt wird vom Europäischen Forschungsrat in den kommenden fünf Jahren mit insgesamt 2 Mio. Euro im Rahmen eines sogenannten „Consolidator Grants“ gefördert.

Carbonsäureester aus Biomasse gewinnen

„Unsere Vision ist es, aus realer Biomasse, also zum Beispiel aus Abfallstoffen, die in der Industrie anfallen, Plattformchemikalien herzustellen“, erklärt Projektleiter Jakob Albert. Im Fokus des Vorhabens stehen Carbonsäureester, die bisher hauptsächlich aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden und in vielen Alltagsprodukten enthalten sind. Die Palette reicht von Verpackungen und Kleidung über Fruchtaromen und Konservierungsstoffe bis hin zu Arzneiwirkstoffen.

Erforschung neuer Katalysatoren

Für die Gewinnung von Carbonsäureester aus Biomasse nimmt Alberts Team spezielle Katalysatoren in den Blick. Konkret soll der Einsatz von in Wasser gelösten Polyoxometallaten – mehratomigen Metallionen – erforscht werden. Der Vorteil von Polyoxometallat-Katalysatoren: sie sind flexibel einsetzbar und können entsprechend der ständig wechselnden Zusammensetzung der Biomasse angepasst werden. Denn biobasierte Rohstoffe wie Reststoffe aus Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion sind nicht leicht zu verarbeiten. Der Grund: Im Vergleich zu fossilen Rohstoffen sind sie sehr komplex aufgebaut und bringen auf molekularer Ebene von Natur aus diverse Funktionalitäten mit sich, die nicht immer benötigt werden. „Es ist chemisch jedoch viel einfacher, Funktionalität hinzuzufügen als herauszunehmen“, erklärt Albert.

bb

The chemical industry still relies predominantly on petroleum as a fossil raw material, but the industry is changing: bio-based raw materials such as residual and waste materials are increasingly being used as feedstock for the manufacture of chemical products. But processing biomass is not always easy. A team led by chemical engineer Jakob Albert from the University of Hamburg wants to tackle this problem. As part of the "BioValCat" project, the researchers want to develop an industrial process to extract ingredients for the chemical industry from biomass. The project is being funded by the European Research Council as part of a so-called "Consolidator Grant" for the next five years with a total of 2 million euros.

Obtaining carboxylic acid esters from biomass

"Our vision is to produce platform chemicals from real biomass, for example from industrial waste materials," explains project manager Jakob Albert. The project focuses on carboxylic acid esters, which have so far been produced primarily from fossil raw materials and are present in many everyday products. They range from packaging and clothing to fruit flavorings, preservatives and active pharmaceutical ingredients.

Research on new catalysts

For the recovery of carboxylic acid esters from biomass, Albert's team is looking for special catalysts. Specifically, the use of polyoxometalates - polyatomic metal ions - dissolved in water is to be explored. The advantage of polyoxometallate catalysts is that they can be used flexibly and adapted to the constantly changing composition of the biomass. This is because biobased raw materials such as residues from agriculture and food production are not easy to process. The reason: compared to fossil raw materials, they have a very complex structure and bring multiple functionalities at the molecular level that are not always needed. "However, it is chemically much easier to add functionalities than to remove them," Albert explains.

bb

Ob Agrarresstoffe wie Stroh, Lebensmittelabfälle aus der Biotonne oder Mist und Gülle aus der Tierhaltung: In den rund 9.000 Biogasanlagen werden bundesweit verschiedenste Rest- und Abfallstoffe mithilfe von Mikroorganismen vergärt und zu Biogas und anderen Gärprodukten umgewandelt. Doch das Potenzial der Biogasanlagen geht weit über die Gas- und Stromerzeugung hinaus: Auch wichtige Basischemikalien oder hochwertige Biowachse können durch Fermentation gewonnen werden. Wie sich Spezialchemikalien für die Bioökonomie im großen Maßstab aus regionalen Reststoffen erzeugen lassen, wollen Forschende des Deutschen Biomasseforschungszentrums (DBFZ) sowie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) gemeinsam mit verschiedenen Industriepartnern demonstrieren.

Demonstrationsanlage zur Gewinnung von Fettsäuren

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Projekts „CapUp“ will das Team in den kommenden Monaten anhand einer sogenannten Multi-Purpose-Demonstrationsanlage ein zuvor vom DBFZ und UFZ entwickeltes Verfahren zur Produktion der Fettsäuren Capron- und Caprylsäure aus regionaler Biomasse skalieren. Die erzeugten Proben werden in umfangreichen Produkttests untersucht. Als Industriepartner sind die GNS – Gesellschaft für Nachhaltige Stoffnutzung mbH (Koordinator) sowie BALANCE Erneuerbare Energien GmbH, VNG AG, FUCHS Lubricants Germany GmbH und die Kelterei Sachsenobst GmbH am Forschungsvorhaben beteiligt. Das zugrunde liegende Verfahren wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert (Projekt "CapAcidy") und 2019 mit dem Biogas-Innovationspreis der Deutschen Landwirtschaft ausgezeichnet.

Carbonsäuren aus Reststoffen statt Palmöl

Beim Verfahren der anaeroben Fermentation können komplexe Substrate aus agroindustriellen Abfällen und Reststoffen ohne kostenintensive Vorbehandlung eingesetzt werden. In der folgenden Abtrennungs- und Aufreinigungskaskade werden dann hochwertige Spezialchemikalien wie Carbonsäuren aus der Fermentationsbrühe gewonnen, und dann, je nach Bedarf, zu verschiedenen chemischen Verbindungen wie etwa Estern weiterverarbeitet. Bei Capron- und Caprylsäure handelt es sich um hochwertige Spezialchemikalien, die in Schmiermitteln, Pharmaka und Kosmetika aber auch in Futter- oder Lebensmitteln zum Einsatz kommen. Bisher werden diese wichtigen Substanzen jedoch vor allem aus Palmkern- und Kokosöl gewonnen, die dafür aus den Tropen importiert werden müssen.

Neues Geschäftsfeld für Biogasbetrieber

Die Gewinnung der Fettsäuren aus regionaler Biomasse ist demnach ein wichtiger Schritt in Richtung umweltfreundliche und ressourcenschonende Produktion. Aber nicht nur das. Das neue Verfahren ermöglich eine gekoppelte stofflich-energetische Biomassenutzung. Für die Betreiber von Biogasanlagen würde sich damit ein neues Geschäftsfeld auftun. Die Forschenden sind überzeugt, dass mit der Integration des neuen Herstellungsverfahrens in die bestehenden Anlagen die Produktpalette erweitert, Kundenwünsche flexibler bedient und Biogasanlagen somit auch in Zukunft wirtschaftlich betrieben werden können.

bb/pg

Wo Landwirtschaft, Industrie und Wohngebiete aufeinandertreffen, scheinen Probleme programmiert. Auf den zweiten Blick jedoch bieten solche gemischten Quartiere das Potenzial und damit die Chance, Städte künftig resilienter zu machen – und zwar durch eine ultraeffiziente Nutzung aller Stoffströme und Ressourcen. In der Nähe von Stuttgart soll diese Vision bald schon Wirklichkeit werden. Anlässlich der Internationalen Bauausstellung 2027 soll im baden-württembergischen Fellbach ein Modell-Quartier errichtet werden. Das Projekt wird von Forschenden der Stuttgarter Fraunhofer-Institute für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) sowie für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) gemeinsam mit der Hochschule für Technik und der Stadt Fellbach umgesetzt.

Potenzialstudie für Modell-Quartier

Mit der „Potenzialstudie für Ultraeffizienz-Maßnahmen bei der Realisierung des IBA’27-Quartiers Fellbach“ hat das interdisziplinäre Fraunhofer-Team dafür den Grundstein gelegt. David Koch vom Fraunhofer IPA ist überzeugt, „wenn es um die Verteilung der Ressourcen und deren möglichst effiziente Nutzung geht, können alle auf vielfältige Weise voneinander profitieren“. Wenn Städte resilienter werden sollen, müssten künftig „Wohnen, Arbeiten und die Produktion von Nahrungsmitteln näher zusammenrücken“, sagt Koch.

Synergien aufspüren und nutzen

In Fellbach sind die Voraussetzungen für ein Modell-Quartier, das Industrie, Landwirtschaft und Wohngebiete kombiniert, optimal. Hier liegt das größte Industriegebiet der Stadt gleich neben einem Wohngebiet, das wiederum an Felder grenzt, auf denen Obst und Gemüse angebaut werden. Für die Forschenden bietet sich damit vor allem die Chance, Synergie-Effekte aufzuspüren und diese in künftige Konzepte einfließen zu lassen: „Denkbar wäre beispielsweise, dass Abwärme aus der Industrie für das Heizen von Gewächshäusern oder Wohngebäuden genutzt wird oder dass Abfallstoffe aus der Produktion und Landwirtschaft von Unternehmen in der Nachbarschaft genutzt werden“, erläutert Koch.

Effizienz und ökologische Effektivität steigern

Mittels eines geschickten Managements soll im Modell-Quartier die Effizienz von Energieverbrauch, Stoffströmen und Infrastruktur, aber auch die ökologische Effektivität gesteigert werden. Unter dem Motto "Agriculture meets Manufacturing" wollen die Forschenden den ökologischen Fußabdruck sowohl der Wohneinheiten als auch der landwirtschaftlichen und produzierenden Betriebe verringern und damit die Lebensqualität aller Beteiligten steigern.

Alle Akteure einbeziehen

Basis für die Umsetzung des Modell-Quartiers in Fellbach ist ein sogenanntes Ultraeffizienz-Konzept, das Fraunhofer-Forschende zunächst für eine Fabrik und später für ein Industriegebiet entwickelt haben. Die Kombination von Industrie, Landwirtschaft und Wohngebieten sei jedoch noch komplexer und anspruchsvoller, sagt Koch „Ultraeffiziente Lösungen müssen immer die Interessen aller Beteiligten miteinbeziehen: Eine Verbesserung in einem Feld soll nicht zu zusätzlichen Belastungen in einem anderen führen. Eine der großen Herausforderungen in dem Projekt wird es sein, diese hochkomplexen Zusammenhänge zu verstehen und in der Praxis zu untersuchen“, so Koch. Das Konzept zum Modell-Quartier wollen die Forschenden daher auch Gewerbetreibenden und Grundstückseigentümern in Fellbach vorstellen, um sie zum Mitmachen zu bewegen,

bb

Auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen Bioökonomie ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger enorm wichtig. Doch worauf kommt es bei Beteiligungsprozessen in der Bioökonomie an? Das und mehr haben Forschende im Projekt BIOCIVIS vom Zentrum für Interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (ZIN) analysiert. Ihre Ergebnisse diskutierten sie Mitte Januar bei der Abschlusskonferenz „Bioökonomie braucht Bürger*innen – aber wie?“ in Münster, die das Projektteam zusammen mit der Akademie Franz Hitze Haus organisierte. Mit dabei waren Akteure aus Wissenschaft und der Praxis, aber auch Bürgerinnen und Bürger.

Handlungsempfehlungen: Wie Biodialoge erfolgreich werden

Für BIOCIVIS hatten die Forschenden im Team von Doris Fuchs und Bodo Philipp Bürgerinnen und Bürger nach dem Zufallsprinzip angeschrieben und zur Mitwirkung bei den „Biodialogen“ eingeladen. Wichtig war ihnen, dass die Gruppen heterogen zusammengesetzt waren, um die unterschiedlichen Perspektiven verschiedener sozialer Milieus und Erfahrungshintergründe einzubeziehen.

Ziel des Dialogs war, dass die Teilnehmenden sich auf Basis des vermittelten Wissens eine fundierte Meinung zu Bioökonomie und -technologie bilden und ihre eigene Position und persönliche Erfahrung in die Diskussion einbringen. So sollte die Gruppe schließlich zu Argumenten gelangen, die sich mit Bioökonomie als Vision für eine lebenswerte, nachhaltige Zukunft auseinandersetzen.

AMSilk war 2013 das weltweit erste Unternehmen, das nach dem Vorbild der Natur biotechnologisch hergestellte Spinnenseide produzierte. Das 2008 als Spin-off der TU München gegründete Unternehmen nutzt zur Produktion der Spinnenseidenproteine umfunktionierte Bakterien. Bei der mikrobiellen Herstellung und Verarbeitung von biologisch abbaubarem Seidenprotein werden lediglich Zucker aus nachwachsenden Pflanzen, Wasser, Mineralien und Energie benötigt. In verschiedenen Kooperationsprojekten mit großen Firmen – darunter Adidas – hat das Neurieder Unternehmen bereits die technische Machbarkeit von Applikationen in der Bekleidungs-, Gesundheits- sowie Automobil- und Luftfahrtindustrie gezeigt. Zur Ausweitung seiner Protein-Technologieplattform auf weitere Märkte und Anwendungen wird AMSilk nun im Rahmen einer strategischen Zusammenarbeit die Expertise des Zwingenberger Biotechnologie-Unternehmens Brain Biotech nutzen, um neue Anwendungsfelder im Textilbereich zu optimieren und zu erschließen.

Nachhaltige Proteinfasern für die Textilindustrie

Ziel der Kooperation ist es, nachhaltige Proteinfasern anstelle erdölbasierter Fasern zu etablieren und dem Textilmarkt anzubieten. „Unsere Protein-Optimierungstechnologien, basierend auf rationalem sequenz- und strukturgesteuerten Design, haben sich bereits in vielen Optimierungsprozessen bewährt", erklärte Alexander Pelzer, Leiter Forschung & Entwicklung bei Brain Biotech. „Unsere Enzymtechnologie-Einheit wird diese Strukturproteine in enger Zusammenarbeit mit AMSilk weiter entwickeln und so die gewünschten Eigenschaften für leistungsfähigere Fasern erreichen.“ Andreas Schmideder, Head of Business Opportunities & Development bei Amsilk, ergänzt: „AMSilks Proteinfasern haben immenses Potential, da die zugrundeliegenden Strukturproteine auf molekularer Ebene modifiziert werden können. So ist eine maßgeschneiderte Anpassung der Produkte an die jeweiligen Marktanforderungen möglich.“

Großes Substitutions- und Innovationspotential

Der Herstellung nachhaltiger Materiallösungen aus Spinnenseide, die als Pulver, Hydrogele, Fasern und Beschichtungen formuliert werden können, bescheinigen beide Unternehmen ein großes Substitutions- und Innovationspotential. Als Beispiel nennen die neuen Partner den Ersatz erdölbasierter Textilfasern aus Polyethylen oder Polyamid, deren Deponierung als eine Hauptquelle der zunehmenden Mikroplastikverschmutzung von Gewässern betrachtet wird.

tg/bb

In 2013, AMSilk became the world's first company to produce biotechnologically manufactured spider silk modeled on nature. Founded in 2008 as a spin-off from the Technical University of Munich, the company uses transformed bacteria to produce the spider silk proteins. The microbial production and processing of the biodegradable silk protein requires only sugar from renewable plants, water, minerals and energy. In various cooperation projects with major companies - including Adidas - the Neuried-based company has already demonstrated the technical feasibility of applications in the apparel, healthcare, automotive and aviation industries. In order to extend its protein technology platform to other markets and applications, AMSilk will now leverage the expertise of Zwingenberg-based biotechnology company Brain Biotech as part of a strategic collaboration to optimize and open up new fields of application in the textile sector.

Sustainable protein fibers for the textile industry

The aim of the cooperation is to establish sustainable protein fibers instead of petroleum-based fibers and to offer them on the textile market. "Our protein optimization technologies based on rational sequence- and structure-driven design have already proven themselves in many optimization processes," explains Alexander Pelzer, Head of Research & Development at Brain Biotech. "Our enzyme technology unit will further develop these structural proteins in close collaboration with AMSilk to achieve the desired properties for higher-performance fibers." Andreas Schmideder, Head of Business Opportunities & Development at Amsilk, added: "AMSilk's protein fibers have immense potential as the underlying structural proteins can be modified at the molecular level. This makes it possible to tailor products to specific market requirements."

High substitution and innovation potential

The production of sustainable material solutions from spider silk, which can be formulated as powders, hydrogels, fibers and coatings, is seen by both companies as having great potential for substitution and innovation. As an example, the new partners cite the replacement of petroleum-based textile fibers made of polyethylene or polyamide, whose landfilling is considered one of the main causes of the increasing pollution of waters with microplastics.

tg/bb

Wir als Team von bioökonomie.de möchten gerne herausfinden, wie Ihnen unser Informationsportal gefällt und was wir vielleicht noch verbessern können. Dazu haben wir eine Online-Umfrage erstellt. Mit Ihrer Teilnahme würden Sie uns für die Entwicklung unserer zukünftigen Formate und Inhalte sehr weiterhelfen. Zusätzlich werden die anonymisierten Daten im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit genutzt, die von unserer Praktikantin Klara Harres von der Universität Wageningen (Studiengang “Biobased Sciences”) als Abschlussbericht verfasst wird. Das Ziel ist, die Nutzung unserer Plattform genauer zu analysieren und uns in unserer Arbeit noch mehr an Ihren Wünschen zu orientieren. 

Die Beantwortung der Fragen nimmt etwa zehn Minuten in Anspruch. Optional können Sie an unserem Gewinnspiel teilnehmen, wenn Sie im Anschluss an die Umfrage ihre E-Mail-Adresse hinterlassen. Als Hauptpreis gibt es einen Hängegarten mit einigem Zubehör zu gewinnen! Um einfach und platzsparend Pflanzen auf dem Balkon oder Kräuter in der Küche wachsen zu lassen. Drei weitere Glückspilze können sich auf eine Box mit Samenbomben freuen. Das Gewinnspiel endet am 12. März 2023, die Benachrichtigung erfolgt per E-Mail.

Die Medizinforschung sucht intensiv nach neuen Wirkstoffen gegen Krankheitserreger. Forschende am Hans-Knöll-Institut haben in einem alten Bekannten nun einen solchen Wirkstoffkandidaten identifiziert: Bakterien der Gattung Pseudomonas produzieren diesen bislang unbekannten, stark antimikrobiellen Naturstoff. Während der Weg zu einem Medikament noch lang ist, könnte er schon bald in der Landwirtschaft gegen Pflanzenkrankheiten helfen.

Schwer bewaffnete Pseudomonaden

„Wir arbeiten schon länger mit Pseudomonaden und wissen, dass viele dieser Bakterienarten sehr giftig für Amöben sind, die sich von Bakterien ernähren“, beschreibt Studienleiter Pierre Stallforth den Ansatz. Bei den Studien fand das Team schließlich Gene für drei Substanzen einer Wirkstoffgruppe, die zu den sogenannten nicht-ribosomalen Lipopeptiden mit seifenartigen Eigenschaften zählen. Einen davon konnten die Fachleute isolieren und genauer analysieren.

Tödlich wie die Rollen von Keanu Reeves

„Die Lipopeptide töten so effizient, dass wir sie nach Keanu Reeves benannt haben, weil der in seinen Rollen auch extrem tödlich ist“, kommentiert Sebastian Götze mit einem Augenzwinkern. Er ist Erstautor der im „Journal of the American Chemical Society“ veröffentlichten Studie. Die Keanumycine wirken nicht nur gegen Amöben, sondern töten auch viele einzellige Pilze. Schon allein das Kulturmedium, in dem Pseudomonaden gewachsen sind, hemmt auf Hortensienblättern den Erreger der Grauschimmelfäule – selbst wenn keine Bakterienzellen mehr enthalten sind. „Für Pflanzen könnte der keanumycinhaltige Überstand aus Pseudomonas-Kulturen theoretisch direkt verwendet werden“, resümiert Götze. Grauschimmelfäule und andere Pilzkrankheiten sorgen vor allem im Obst- und Gemüseanbau für große Ertragsverluste.

Wirksam gegen Candida albicans

Doch auch in der Humanmedizin haben Keanumycine Potenzial: „Zusätzlich haben wir die isolierte Substanz gegen verschiedene Pilze getestet, die den Menschen infizieren. Dabei haben wir festgestellt, dass sie unter anderem den pathogenen Pilz Candida albicans stark hemmt“, berichtet Götze. Bereits sehr geringe Konzentrationen seien gegen den Erreger wirksam. Erste Tests fanden zudem keine schädlichen Effekte auf menschliche Zellen. Das macht Keanumycine zu attraktiven Wirkstoffkandidaten. Doch selbst wenn die weitere Entwicklung reibungslos verlaufen sollte, werden bis zu einer Zulassung noch einige Jahre vergehen.

bl

Kunststoffe sind vielseitig einsetzbar und langlebig. Doch gerade die lange Haltbarkeit ist das Problem: Erdölbasierte Kunststoffe verrotten nicht oder nur unvollständig und belasten die Umwelt. Doch ganz ohne Plastik geht es noch nicht. Daher suchen Forschende weltweit auch nach Wegen, erdölbasierte Kunststoffe wiederzuverwerten. Noch wird nur ein geringer Anteil des weltweiten Plastikmülls recycelt. Mit der Identifizierung neuer Biokatalysatoren haben Forschende nun den Weg für ein nachhaltiges Recycling von Plastikabfällen geebnet.

Enzyme zerlegen Polyurethane

Ein Team um Uwe Bornscheuer von der Universität Greifswald hat zusammen mit dem deutschen Unternehmen Covestro sowie Forschenden aus Leipzig und Irland Enzyme aufgespürt, die nach einer chemischen Vorbehandlung in der Lage sind, Polyurethane in ihre Bausteine zu zerlegen. „Die Suche nach diesen speziellen Biokatalysatoren war sehr aufwendig und wir mussten ca. zwei Millionen Kandidaten durchmustern, um die ersten drei Enzyme zu finden, die nachweislich in der Lage sind, die spezielle Bindung in Polyurethan aufzubrechen“, beschreibt der Greifswalder Doktorand Yannick Branson die Herausforderung dieses Projekts.

Grundlage für industrielles Plastikrecycling

Polyurethane (PUR) sind Kunststoffe oder Kunstharze, die zur Herstellung von Matratzen, Dämmstoffen, Sportschuhen oder aber für Beschichtungen wie Dichtungsmittel, Farben und Klebstoffe verwendet werden. Bisher sind sie nur unter hohem Energieaufwand chemisch recycelbar. Natürliche Biokatalysatoren wie Enzyme können die Plastikmoleküle hingegen schon bei 40 Grad Celsius und ohne den Einsatz von Chemikalien in ihre Bestandteile zerlegen. „Mit dieser bahnbrechenden Entdeckung haben wir nun die Voraussetzung geschaffen, diese Biokatalysatoren durch Methoden des Protein-Engineerings weiter zu verbessern, um sie für ein industrielles Recycling von Polyurethan maßschneidern zu können“, betont Uwe Bornscheuer.
 
Auch für die weitverbreiteten Polyvinylalkohole (PVA), die etwa bei der Beschichtung von Fasern und als Folien für Verpackungen zum Einsatz kommen, konnte das Team um Bornscheuer die Grundlagen für ein biotechnologisches und damit nachhaltigeres Recycling entwickeln. Hier gelang es den Forschenden, drei verschiedene Enzyme geschickt zu kombinieren, sodass diese das Polymer so verändern, bis sich Bruchstücke bilden, die dann stofflich verwertet werden können.

Der Kreislaufwirtschaft ein Stück näher gekommen

Bis zum ersten Einsatz der neuen Biokatalysatoren im großtechnischen Plastikrecycling werden noch einige Jahre vergehen. Doch der erste Schritt ist getan: „Mit Hilfe der neu identifizierten Enzyme kommen wir unserem Ziel einer vollständigen Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffindustrie ein Stück näher“, so Gernot Jäger, der das Covestro-Kompetenzzentrum für Biotechnologie in Leverkusen leitet.

bb

Plastics are versatile and durable - but it is precisely their durability that poses a problem: petroleum-based plastics decompose only incompletely or not at all, thus polluting the environment. However, it is not yet possible to do without plastics altogether. That's why researchers around the world are looking for ways to recycle petroleum-based plastics. So far, only a small portion of the world's plastic waste is recycled. By identifying new biocatalysts, researchers have now paved the way for sustainable recycling of plastic waste.

Enzymes break down polyurethanes

A team led by Uwe Bornscheuer of the University of Greifswald, together with the German company Covestro and researchers from Leipzig and Ireland, has identified enzymes that, after chemical pretreatment, are capable of breaking down polyurethanes into their building blocks. "The search for these special biocatalysts was very complex and we had to screen about two million candidates to find the first three enzymes that have been shown to be able to break the special bond in polyurethane," says Greifswald doctoral student Yannick Branson, describing the challenge of this project.

Basis for industrial plastic recycling

Polyurethanes (PUR) are plastics or synthetic resins used in the manufacture of mattresses, insulating materials, sports shoes or for coatings such as sealants, paints and adhesives. Until now, they have only been chemically recyclable with a high energy input. Natural biocatalysts such as enzymes, on the other hand, can break down the plastic molecules into their components at just 40 degrees Celsius and without the use of chemicals. "With this groundbreaking discovery, we have now created the prerequisite for further improving these biocatalysts using protein engineering methods in order to tailor them for industrial recycling of polyurethane," emphasizes Uwe Bornscheuer.
 
Bornscheuer's team also developed the basis for biotechnological and thus more sustainable recycling of the widely used polyvinyl alcohols (PVA), which are used, for example, in the coating of fibers and as films for packaging. Here, the researchers succeeded in cleverly combining three different enzymes so that they alter the polymer until fragments are formed that can then be recycled.

One step closer to the circular economy

It will be several years before the new biocatalysts are used for the first time in large-scale plastics recycling. But the first step has been taken: "With the help of the newly identified enzymes, we are getting a step closer to our goal of a complete circular economy in the plastics industry," says Gernot Jäger, who heads Covestro's Center of Excellence for Biotechnology in Leverkusen.

bb

Ein Kurzschluss im Computer oder im Fernseher ist nicht nur ärgerlich, sondern kann auch gefährlich sein. Flammschutzmittel sollen das verhindern und werden daher als Zusatzstoff in die Kunststoffe eingearbeitet. In elektronischen Geräten kommen bisher halogenierte Brandhemmer zum Einsatz, die aus fossilen Rohstoffen bestehen. Sie können aber bei Entsorgung und vor allem Bränden giftige Gase entwickeln. Auch wenn biobasierte Kunststoffe auf dem Vormarsch sind: Einen biobasierten Brandhemmer für Biokunststoffe, die in elektrischen und elektronischen Geräten verwendet werden können, gibt es bisher nicht. Forschenden des Fraunhofer WKI und des Fraunhofer IAP ist dies nun gemeinsam mit Industriepartnern gelungen.

Bioflammschutzmittel für PLA

„Es wurden Synthesen halogenfreier Flammschutzmittel auf Basis von biobasierten Alkoholen und phosphorhaltigen Verbindungen durchgeführt. Anschließend haben wir zahlreiche Versuche zur Compoundierung mit Polymilchsäure (PLA) als Matrixpolymer durchgeführt“, erläutert Arne Schirp, Projektleiter am Fraunhofer WKI, das Vorgehen. Anliegen der Forschenden war es, ein halogenfreies Flammschutzmittel zu entwickeln, das möglichst in geringer Menge und auch mit geringen Kosten eingesetzt werden kann.

Biopolymere mit Elektronenstrahlen an Matrix gebunden

Um einen optimalen Flammschutz zu erreichen, musste das Flammschutzmittel zunächst in der Biopolymermatrix aus PLA gleichmäßig verteilt werden. Die Bindung des biobasierten Brandhemmers an die Matrix erfolgte mithilfe der sogenannten Elektronenstrahlvernetzung – ein nicht-thermisches Verfahren, das zur Behandlung von Biokunststoffen bisher eher selten eingesetzt wurde. Den Forschenden zufolge wurden hier über die Strahlendosis kontrollierbare Vernetzungs- und Kopplungsreaktionen angestoßen und so die Eigenschaften der Polymere modifiziert.

Bei der Synthese halogenfreier, neuartiger Flammschutzmittel auf Basis von biobasierten Alkoholen und phosphorhaltigen Verbindungen erwies sich den Forschenden zufolge die Herstellung vollveresterter Phosphate als besonders vielversprechend. Daraus entwickelte das Team eine Rezeptur zur Herstellung von flammgeschützten PLA-Compounds. Auch bei den Entflammbarkeitstests überzeugte der biobasierte Brandhemmer.

Getestet wurden dabei auch herkömmliche halogenfreie Flammschutzmitteln in der Compoundierung mit unverstärkten und mit Holzpartikeln verstärkten Biopolymeren. Hier zeigte sich, dass diese auch für PLA sowie biobasiertes Polybutylensuccinat (PBS) als Basispolymere verfahrenstechnisch gut einsetzbar sind. Die entwickelten Formulierungen für PLA und PBS entsprachen auch hier den hohen Anforderungen an den Flammschutz und können daher sowohl im Spritzguss sowie mit additiver Fertigung verarbeitet werden. Ein Demonstrator aus flammgeschütztem Polybutylensuccinat (PBS) wurde bereits hergestellt.  

Holzpartikel verbessern Flammschutz

Die Zugabe von Holzpartikeln hatte einen weiteren positivem Effekt auf das Flammschutzmittel: Die Wärmefreisetzungsraten wurden deutlich reduziert. Für diese holzfaserverstärkten, flammgeschützten und auskristallisierten PLA-Compounds konnte eine maximale Wärmeformbeständigkeit von 140 °C bis 160 °C nachgewiesen werden. Darüber hinaus entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler flammgeschützte Formulierungen auf Basis von Biopolyamiden (PA) für den Spritzguss. Auch hier konnte das Team nachweisen, dass die Zugabe von Holzpartikeln einen positiven Einfluss auf die Flammschutz-Performance ergibt.

Mit der Entwicklung des biobasierten Flammschutzmittels für Biokunststoffe könnten elektrische und elektronische Geräten künftig komplett aus biobasierten Materialien bestehen. Doch noch gibt es Forschungsbedarf: „Die Formulierungen auf Basis von Bio-PA wurden bisher nur im Kleinmaßstab im Messkneter und Minispritzguss verarbeitet. Es besteht also weiterer Forschungsbedarf, um herauszufinden, wie die Verarbeitung auf Doppelschneckenextrudern und im Spritzguss gelingt. Auch sollte eine Optimierung der flammgeschützten, PA-basierten Compounds im Hinblick auf die gesamte Bandbreite an Anforderungen aus dem Bereich Elektrotechnik und Elektronik erfolgen“, resümiert Schirp.

bb

Der Kohleausstieg ist beschlossen. Ab 2030 soll in Deutschland keine Kohle mehr abgebaut werden. Regionen wie das Rheinland müssen daher umdenken. Mit dem BioökonomieREVIER hat die Landesregierung von NRW bereits 2020 den Weg für ein biobasiertes und nachhaltiges Wirtschaften geebnet. Um den Strukturwandel voranzutreiben, müssen entsprechende Innovationen aus Forschung und Entwicklung jedoch schnellstmöglich in die Praxis kommen. Eine vom Fraunhofer-Institut UMSICHT entwickelte Pyrolyseanlage zur Gewinnung nachhaltiger Kohlenwasserstoffe aus Biomasse ging nun am Forschungsstandort des Energiekonzerns RWE in Niederaußem in Betrieb.

Testlauf für Fraunhofer-Pyrolyseanlage

Grundlage des vom Fraunhofer-Institut entwickelten Forschungsreaktors ist das sogenannte TCR-Verfahren – ein Pyrolyseprozess, der nach dem Prinzip des thermokatalytischen Reformierens arbeitet und einen nachgelagerten Reformierungsschritt beinhaltet. „Das TCR-Verfahren ist ein Prozess, der viel Potenzial hat, um synthetische Kraftstoffe zu erzeugen. Deswegen testen wir in Niederaußem diese Technologie, um sie noch effizienter und kostengünstiger zu gestalten“, so RWE-Projektleiterin Natividad Jordan Escalona.

Klärschlamm als Kohlenwasserstoff-Quelle

In Niederaußem soll die Pilotanlage Klärschlamm in ein wasserstoffreiches Gas, in Karbonisat und Öl umwandeln. Diese können später zu CO2-armen Kraftstoffen oder anderen Chemieprodukten weiterverarbeitet werden. So soll etwa die Ölphase aus dem Prozess zur Herstellung hochwertiger flüssiger Kohlenwasserstoffe und Kraftstoffe genutzt werden. Der Feststoff Karbonisat, auch als Klärschlammkohle bezeichnet, wird wiederum testweise in einer Anlage zur Hochtemperaturkonversion eingesetzt, um den Phosphoranteil aus dem Klärschlamm zurückzugewinnen. Die Anlage wurde ebenfalls im Zuge des Vorhabens ITZ CC von RWE errichtet. Das Karbonisat könnte aber auch der Erzeugung von Aktivkohle oder Wasserstoff dienen.

Potenzial zur Verwertung weiterer Rest- und Abfallstoffe

Auch andere biogene Reststoffe wie Gärreste aus Biogasanlagen könnten hier als Rohstoffbasis und damit nachhaltige Kohlenwasserstoff-Quelle dienen, wie Johannes Neidel, Projektleiter bei Fraunhofer, erklärt. „Wir zielen auf die Verwertung biogener Rest- und Abfallstoffe in einem breiten Spektrum ab, welche in hochqualitativen Produkten mündet. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei zum einen auf den erzeugten flüssigen Kohlenwasserstoffen, welche in Form von Öl mit vergleichbaren Eigenschaften zu fossilem Rohöl anfallen, und zum anderen auf einem stabilen Langzeitbetrieb.“ Darüber hinaus wollen die Fraunhofer-Forschenden die Pyrolyseanlage weiter optimieren und automatisieren.

Die Pilotanlage wurde im Rahmen des Verbundprojektes „ITZ CC“ entwickelt und vom Land NRW gefördert. An dem Projekt beteiligt sind neben den Fraunhofer-Forschenden die RWE Power AG und die Ruhr-Universität Bochum.

bb