„Für die nachhaltige Verbesserung von Ernährungssystemen gibt es keine einfache Lösung“

„Für die nachhaltige Verbesserung von Ernährungssystemen gibt es keine einfache Lösung“

Martina Brockmeier

Beruf:
promovierte Agrarökonomin

Position:
Professorin für Internationalen Agrarhandel und Welternährungswirtschaft an der Universität Hohenheim. Designierte Präsidentin der Leibniz-Gemeinschaft (ab Mitte 2022)

Prof. Martina Brockmeier
Vorname
Martina
Nachname
Brockmeier

Beruf:
promovierte Agrarökonomin

Position:
Professorin für Internationalen Agrarhandel und Welternährungswirtschaft an der Universität Hohenheim. Designierte Präsidentin der Leibniz-Gemeinschaft (ab Mitte 2022)

Prof. Martina Brockmeier

Die Hohenheimer Agrarökonomin Martina Brockmeier wurde im November 2021 mit großer Mehrheit zur künftigen Präsidentin der Leibniz-Gemeinschaft gewählt. Bioökonomie-Forschung liefert aus ihrer Sicht wichtige Beiträge, um die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Martina Brockmeier hat in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, die Universität Hohenheim zu einem akademischen Bioökonomie-Hotspot zu entwickeln. Die Agrarökonomin ist überzeugt, dass die Bioökonomie entscheidend zum Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele beitragen kann. Ab Mitte 2022 wird sie ihr Amt als Präsidentin der Leibniz-Gemeinschaft antreten. Im Interview erläutert sie, wie sie auch die Bioökonomie-Forschung in den Leibniz-Instiuten weiter stärken möchte.

Frage

Wie kann die Bioökonomie aus Ihrer Sicht helfen, die UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen?

Antwort

Die Bioökonomie kann dazu beitragen, viele Ziele der UN-Nachhaltigkeitsstrategie zu erreichen. Hierzu gehören insbesondere die sich oft gegenseitig beeinflussenden Ziele des Klima- und Biodiversitätsschutzes, der Lebensmittel- und Trinkwassersicherheit, der Gesundheit und der sauberen Energie. Im Hinblick auf das SDG-Ziel 2 „Kein Hunger“ besteht gerade vor dem Hintergrund der alarmierend negativen Entwicklungen der letzten Jahre dringender Handlungsbedarf. Die Forschung liefert hier wichtige Beiträge, um nachhaltige landwirtschaftliche Produktionssysteme mit ihren Lieferketten vom Produzenten bis hin zum Konsumenten im Sinne einer gesunden Ernährung anzustreben und insbesondere systemische Betrachtungen der Mensch-Pflanze-Tier-Interaktionen, aber auch Technologieentwicklung und Digitalisierung voranzubringen.

Frage

Kürzlich fand erstmals der UN Food Systems Summit statt. Wie schätzen Sie die Rolle und Bedeutung eines solchen internationalen Gipfels und des dazugehörigen Beratungsgremiums ein?

Antwort

Der UN Food Systems Summit der Vereinten Nationen setzt wichtige Impulse. Er bringt mit Wissenschaft, Praxis und Politik drei wichtige Partner auf internationaler Ebene zusammen und kann dadurch einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der 17 SDG-Ziele leisten sowie die Transformation hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft voranbringen. Hierzulande wurde in den Medien – wahrscheinlich angesichts der Corona-Pandemie – zu wenig darüber berichtet. Interessant ist der Plural des Wortes „Systeme“: Er unterstreicht, dass es keine einfache und einzige Lösung für die nachhaltige Verbesserung der Ernährungssysteme gibt, sondern je nach Region, Land und Kultur verschiedene Antworten und Lösungen gesucht werden müssen.

Frage

Die Universität Hohenheim hat sich zu einem akademischen Bioökonomie-Hotspot entwickelt. Wie ist das gelungen, wie ist die Resonanz bei den Studierenden und wie wird der Schwerpunkt ausgebaut?

Antwort

Das Thema Bioökonomie wurde sehr früh von der Hochschulleitung der Universität Hohenheim strategisch ausgebaut. Bereits 2014 wurde ein Bioeconomy Master als erstes Masterprogramm zur Bioökonomie in Europa an der Universität Hohenheim etabliert und mit der initiativ gegründeten Allianz der European Bioeconomy University (EBU) jetzt auch europaweit angeboten. Die Bioökonomie-Forschung der Universität Hohenheim ist gut aufgestellt und greift auf eine umfassende Forschungsinfrastruktur zurück. Neben der Versuchsstation für Agrarwissenschaften, dem Bioraffinerie-Technikum und dem Lebensmittel-Technikum entsteht jetzt auch der neue Forschungsbau des Hohenheim Center for Livestock Microbiome Research (HoLMiR). All das erhöht die Attraktivität der Universität Hohenheim für Studierende, sodass mittlerweile sehr viele Studieninteressierte aus der ganzen Welt zum forschungsbasierten Bioökonomiestudium nach Hohenheim kommen.

Frage

Welchen Stellenwert hat die Bioökonomie-Forschung in der Leibniz-Gemeinschaft?

Antwort

Bioökonomische Forschungsansätze spielen in der Leibniz-Gemeinschaft eine große Rolle. Insbesondere die Institute der Agrar- und Ernährungswissenschaften und die technologieaffinen, zu biogenen Ressourcen forschenden Institute bilden ein starkes interdisziplinäres Netzwerk. Aktivitäten zu Themen der Bioökonomie werden in der Leibniz-Gemeinschaft im Strategieforum „Zielkonflikte nachhaltiger Biomasseproduktion“, im Leibniz-Forschungswerk „Grüne Ernährung – Gesunde Gesellschaft“, im Leibniz-WissenschaftsCampus „Pflanzenbasierte Bioökonomie“, dem Leibniz-Forschungsnetzwerk „Integrierte Erdsystemforschung“ und in weiteren Netzwerken und Zusammenschlüssen gebündelt. In den nächsten Jahren entsteht unter der Federführung des Leibniz-Instituts für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) ein Leibniz-Innovationshof für nachhaltige Bioökonomie. Zudem wirken die Forschenden der Leibniz-Gemeinschaft seit jeher durch Forschung und Beratung in den unterschiedlichen Kontexten in der Umsetzung der Bioökonomiestrategie der Bundesregierung mit.

Frage

Welche Akzente wollen Sie als Leibniz-Präsidentin setzen – welche Rolle wird dabei die Bioökonomie spielen?

Antwort

Die Leibniz-Gemeinschaft steht für Interdisziplinarität und eine gelungene Kombination von Erkenntnis und Anwendung. Ich möchte die Leibniz-Gemeinschaft motivieren, diese Stärke mit internen wie externen, auch internationalen Kooperationen weiter auszubauen. Die Leibniz-Gemeinschaft hat alle wichtigen Disziplinen an Bord, um für die Gesellschaft und insbesondere für die Wissenschaft selbst und natürlich auch für die Bioökonomie wichtige Impulse in einem Jahrzehnt der Veränderungen zu geben. Überhaupt: Die Leibniz-Gemeinschaft kann einen guten Teil dazu beitragen, dass es hier und in weiteren Feldern gute, ja, sehr gute Veränderungen werden!

Interview: Philipp Graf