Textilien

Textilien

Für die Textilindustrie ist der Einsatz nachwachsender Rohstoffe alltägliche Routine. Ob Pflanzenfasern wie Leinen oder Baumwolle, ob tierische Produkte wie Wolle, Seide oder Leder – in vielen Bereichen kommen traditionell Naturprodukte zum Einsatz. Mit Blick auf Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz werden inzwischen aber auch unkonventionelle Ideen umgesetzt. So entstehen aus Reststoffen der Lebensmittelindustrie neue Hightech-Fasern mit bisher ungekannten Eigenschaften.

DATEN UND FAKTEN

Unternehmen:
1.400 (2018)
 

Mitarbeiter:
135.000 (2018)
 

Umsatz:
32 Mrd. Euro (2018)

(Quelle: Gesamtverband Textil-Mode)
 

Beispiele aus der Bioökonomie:
Hightech-Fasern aus Spinnenseide,
pflanzliche Gerbstoffe

 

Branche: Textilien

Bei der Herstellung von Bekleidung kommen seit Jahrtausenden Naturprodukte zum Einsatz. Schon die alten Ägypter und Römer nutzten Flachs, um aus seinen Fasern Leinengewebe zu produzieren. Leder – gegerbte Tierhäute – war sogar schon in der Steinzeit ein beliebtes Material, um daraus Schuhe oder Gürtel zu fertigen. Erst in den vergangenen Jahrzehnten haben sich preiswerte erdölbasierte Kunstfasern durchgesetzt. Gerade in der jüngsten Vergangenheit konnte jedoch eine Rückkehr zu traditionellen Naturfasern beobachtet werden.

 

 

Nachhaltige Verwendung der gesamten Pflanze

Weltweit wurden im Jahr 2014 rund 96 Mio. Tonnen Textilfasern produziert (The Fiber Year Consulting 2015). Ein Drittel davon entfällt auf Baumwolle. Sie ist mit Abstand die am häufigsten eingesetzte Naturfaser für Heim- und Bekleidungstextilien. Sie wird aus den Samenhaaren der Pflanzen der Gattung Baumwolle (Gossypium) gewonnen und entweder maschinell oder von Hand geerntet. Doch nicht nur die weite Verbreitung macht die Baumwolle zu einem Symbol für biobasiertes Wirtschaften. Vielmehr lässt sich fast die gesamte Pflanze nachhaltig verwenden: Die Samenfasern werden zu Textilien, aus den Samen wird Baumwollöl gepresst – ein Grundstoff für die kosmetische Industrie. Der nach dem Auspressen verbleibende Ölkuchen wiederum landet häufig als eiweißreiches Viehfutter in der Landwirtschaft. Und die Pflanze selbst wird nach dem Verblühen häufig untergepflügt und dient so als Gründünger für das Feld.

Im Gegensatz zur Baumwolle werden bei weiteren Textilpflanzen wie Flachs, Hanf oder Jute auch die Pflanzenstängel weiterverarbeitet. Die weltweite Produktion dieser Bastfasern fällt jedoch mit jeweils rund zwei Mio. Tonnen pro Jahr sehr viel geringer aus. Nachdem die Bastfasern vereinzelt wurden, ähnelt ihre Weiterverarbeitung aber jener der Baumwolle: Aus den einzelnen Fasern wird Garn gesponnen, das sich wiederum zu Geweben weiterverarbeiten lässt. Ihre Einsatzbereiche unterscheiden sich jedoch: So werden die Bastfasern vorwiegend als sogenannte technische Textilien in industriellen Anwendungen eingesetzt, weniger für die Herstellung von Kleidung.

Der enorme Stoffbedarf weltweit lässt sich inzwischen immer weniger durch Baumwolle decken. 1990 waren weltweit 19 Mio. Tonnen verfügbar, was einem Anteil von 49% entsprach. Im Jahr 2000 gab es zwar 20 Mio. Tonnen Baumwolle, doch das entsprach lediglich einem Anteil von rund 40%, weil der weltweite Markt aller Fasern gewachsen war. Derzeit hat Baumwolle noch einen Anteil von 31%.

Synthetische Fasern mit grünem Anstrich

Ein Großteil der in der Industrie genutzten Materialien besteht jedoch aus Kunst- und Chemiefasern, die aus synthetischen Polymeren wie Polyester, Teflon, Lycra, Trevira, Nylon und anderen bestehen. Inzwischen gibt es aber auch Beispiele für natürliche Polymere, die als Rohstoff für Fasern eingesetzt, aber über chemische Prozesse hergestellt werden. Dazu zählt auch die Viskose, deren Rohstoff Cellulose ist. Im Gegensatz zu Baumwollfasern zeichnen sich Viskosefasern durch eine größere Variation in ihrer Fasergeometrie (Länge, Kräuselung, Feinheit, Querschnittsform) aus und können dadurch breiter angewendet werden. Der Energie- und Wasserverbrauch bei Herstellung und Verarbeitung von Viskose ist zwar geringer als bei Baumwolle, allerdings entstehen im Laufe des Verarbeitungsprozesses teilweise ungesunde und umweltschädliche Gifte wie Schwefelwasserstoff (H2S) und Schwefelkohlenstoff (CS2). Andere Chemiefasern aus Cellulose haben dieses Problem nicht: So wurde für die Produktion von Tencel- und Lyocellfasern ein Direkt-Löse-Verfahren entwickelt, das auf ein ungiftiges Lösungsmittel setzt und im Rahmen eines geschlossenes Stoffkreislaufes funktioniert. Zudem wird die Cellulose für Lyocellfaser aus Eukalyptus- oder Buchenholz gewonnen. Da diese Pflanzen schneller wachsen und einen hohen Ertrag pro Fläche aufweisen, ist ihre Umweltbilanz besser als bei Baumwolle. Neuere Forschungsarbeiten zeigen zudem, dass sich auch Flachs, Hanf und Bambus sowie Bananenpflanzen und Soja für den Cellulosebrei eignen.

Kunstfasern dominieren den Markt.

Züchtung neuer Faserpflanzen

Inzwischen rücken auch zuletzt kaum noch beachtete Pflanzen wieder in den Fokus des Interesses – zum Beispiel die Fasernessel. Neben Hanf und Faserlein gehörte die Brennnessel bis zum Zweiten Weltkrieg zu den wichtigsten einheimischen Faserpflanzen, danach geriet sie in Vergessenheit. Dank neuer Verarbeitungsmethoden kann man heute aus ihren Fasern Stoffe in der Feinheit von Baumwolle mit sehr guten textilen Eigenschaften oder Vliese für technische Zwecke weben. Die bislang übliche Vermehrung über Stecklinge ist allerdings für den großflächigen Anbau wenig geeignet und auch beim Fasergehalt der vorhandenen Sorten sind Steigerungen noch möglich. Das Institut für Pflanzenkultur (IFP) im Wendland und das Faserinstitut Bremen e. V. haben nun mit Unterstützung des BMEL neue Fasernessellinien gezüchtet, die sich durch feine und trotzdem feste Fasern sowie einen hohen Fasergehalt auszeichnen.

Hightech-Faser aus Spinnenseide

Spinnenseide ist ein wahres Wunder der Natur – zehnmal dünner als menschliches Haar, doch zwanzigmal stärker als Stahl und gleichzeitig elastischer als Gummi. Für eine ganze Reihe von Anwendungen – zum Beispiel als Hightech-Textilien – wäre dieser Naturstoff daher ideal. Bislang stellte sich die Produktion von Spinnenseide aber als Problem dar, denn die Tiere lassen sich nicht in großen Mengen züchten und „melken“. Die AMSilk GmbH in Martinsried setzt auf Biotechnologie. Nach vielen Jahren Tüftelei zusammen mit Materialforschern aus Bayreuth und mit finanzieller Unterstützung des BMBF hat das Spin-off der Technischen Universität München Bakterien so maßgeschneidert, dass sie die Spinnenseideproteine herstellen können. Zudem wurde ein Verfahren entwickelt, um diese Moleküle zu Fasern zu verarbeiten. Im März 2013 wurden die ersten Biotech-Fasern gesponnen, die sich für den Einsatz in Hightech-Textilien für Sport oder Medizin eignen. Nun gilt es, die Anlage vom Labor- in den Technikumsmaßstab zu überführen. Mit dem eingeworbenen Kapital in zweistelliger Millionenhöhe soll die Produktion der Hochleistungsfaser BIOSTEEL hochgefahren werden (AMSilk GmbH).

Spinnenseide - zehnmal dünner als menschliches Haar, jedoch zwanzigmal stärker als Stahl und hochelastisch.

spinnennetz spinnenseide
Pflanzliche Gerbstoffe mindern Umweltbelastung

In der Textilindustrie kommen jedoch nicht nur pflanzliche Rohstoffe zum Einsatz – mit Wolle, Seide oder Leder haben auch tierische Produkte ihren festen Platz im Rohstoffsortiment. Während es sich bei Wolle und Seide ebenfalls um Fasern handelt, werden bei der Lederherstellung die Häute von Tieren gegerbt und somit haltbar gemacht. Von allen weltweit verarbeiteten Häuten stammen über 95% von Rindern, Kälbern, Schafen, Ziegen und Schweinen, sie sind ein Nebenprodukt der Lebensmittelindustrie. Wurden früher vor allem Holz- und Rindengerbstoffe verwendet, kamen in den vergangenen Jahre vor allem auf Chromsalzen oder anderen Mineralien basierende Gerbverfahren zum Einsatz. Diese sind zwar kostengünstiger und weniger aufwendig, stehen aber wegen ihrer Umwelteigenschaften in der Kritik.

Deshalb sind in den vergangenen Jahren wieder vermehrt pflanzliche Gerbverfahren entwickelt worden. Die Wet-Green GmbH hat beispielsweise einen Extrakt aus Olivenblättern als Gerbstoff entwickelt. Der Wirkstoff dient den Bäumen eigentlich als Schutz vor Fraßfeinden. Bei der Olivenernte und beim Rückschnitt der Bäume fallen rund 10% des Erntegewichts an Blättern an. Wurden sie bisher von den Olivenbauern häufig vor Ort verbrannt, werden sie nun für die Herstellung eines pflanzlichen Gerbmittels genutzt, das am Ende die Umweltbilanz von so unterschiedlichen Produkten wie Autos, Schuhen, Sofas und Uhrenarmbändern verbessert. Das wirtschaftliche Potential des Olivenblatt-Abfalls ist groß: Theoretisch können bis zu 40% der Weltlederproduktion auf diese Weise bearbeitet werden.

Vom Abfallprodukt zum Rohstoff

Auf Nachhaltigkeit setzt auch der Sportartikelhersteller Puma. So wurde das Remake des Klassikers „Suede“ komplett als „Öko-Schuh“ entwickelt. Das Obermaterial ist aus synthetischem Wildleder und wurde von der japanischen Firma Toray entwickelt. Es besteht aus 100% recycelten Polyesterfasern, die in einem chemischen Recyclingprozess aus Abfallprodukten von Fertigungsprozessen in synthetisches Material verwandelt werden. Im Gummi-Anteil der Laufsohle sind Reishülsen verbaut, die in der Lebensmittelproduktion als Abfall anfallen und den Anteil erdölbasierten Gummis im Schuh reduzieren. Die Fertigung des Remakes spart, verglichen mit herkömmlichen Produktionen, 80% der CO2-Emissionen ein. Der Recycling-Schuh, 140 Gramm leichter als sein Vorgänger von 1968, schont über Produktion und Vertrieb die Umwelt: Laut Hersteller ergibt sich eine Einsparung von 15 Tonnen Kohlendioxid Emissionen pro zehntausend verschickter Schuhpaare.

Um auf die zunehmende Verschmutzung der Weltmeere aufmerksam zu machen haben Adidas und Parley for the Oceans, ein Zusammenschluss aus Kreativen, Denkern und Führungskräften, einen Schuh entworfen, dessen Obermaterial aus recycelten Plastikabfällen und Netzen aus dem Meer besteht. Durch die Aktion wollen sie die Ozeane stärker in die Klimawandeldebatten integrieren und den Zustand der Meere verbessern (adidas 2015).

Auf die Verwertung von Abfällen aus der Lebensmittelindustrie hat sich die Qmilk Deutschland GmbH in Hannover spezialisiert. Sie entwickelt ein Biopolymer bestehend aus dem Milcheiweiß Kasein, das aus nicht mehr verkehrsfähiger Rohmilch hergestellt wird. Jährlich fallen davon 1,9 Mio. Tonnen an. Schon in den 30er Jahren gab es Ansätze, diesen Abfall für die Textilherstellung zu nutzen, allerdings kam damals noch viel Chemie zum Einsatz. Dies ist heute nicht mehr der Fall. Derzeit findet die Produktion der Faser in Zusammenarbeit mit dem Faserinstitut Bremen e.V. ohne chemische Zusätze statt. Das Produkt wird nicht nur für Bekleidung und Heimtextilien verwendet, sondern kommt auch als technische Faser beispielsweise für den Einsatz in der Medizintechnik und im Automobilbau in Frage.

Enzyme verbessern Umweltbilanz

Für die Textilindustrie sind jedoch nicht nur nachwachsende Rohstoffe von Relevanz. Um die Umweltbilanz der zumeist stark chemiebasierten Verfahren und Prozesse zu verbessern, kommen inzwischen verstärkt biotechnologische Ansätze zum Zuge. Ein Beispiel ist das Bleichen von Textilien. Weit verbreitet ist hier immer noch das Wasserstoffperoxid (H2O2). Dieses Oxidationsmittel muss nach dem jeweiligen Bleichprozess wieder vollständig aus dem Textilmaterial entfernt werden. Im konventionellen Verfahren geschieht das, indem das Textilmaterial mindestens zweimal mit 80°C bis 95°C heißem Wasser gespült wird. Dieser Prozess dauert etwa zwei Stunden und verbraucht viel Wasser und Energie. Da eine vollständige Entfernung des Bleichmittels hiermit nicht gelingt, müssen noch verschiedene Chemikalien zur Nachbehandlung eingesetzt werden. Die biotechnologische Variante bedient sich der natürlichen Kraft von Biokatalysatoren, zum Beispiel des Enzyms Katalase. Dieses Enzym besitzt die Fähigkeit, Wasserstoffperoxid innerhalb von wenigen Minuten in nur einem Spülschritt mit warmen Wasser (30°C bis 40°C) zu entfernen. So reduzieren sich die Kosten für Kühlwasser, Prozesswasser und Dampf, gleichzeitig wird die Umwelt durch den geringeren Energieaufwand geschont.

Stonewashed-Effekt mithilfe von Cellulasen

Biotechnologische Prozesse auf der Basis von Enzymen finden auch in der Jeans-Herstellung Verwendung. Traditionell werden Bimssteine genutzt, um den sogenannten „Stonewashed“-Effekt zu erzielen, eine fleckige Farbstruktur. Das kostet Wasser, Energie und Produktqualität, denn das Gewebe wird durch den Bimsstein stark beansprucht. Pro Hose fallen 600 Gramm Steinabrieb an, der die Maschinen schädigt und auch noch entsorgt werden muss. Doch es geht auch anders – ohne Bimssteine, dafür mit speziellen Enzymen. Der mit Cellulasen erreichte Stonewashed-Effekt ist der gleiche, doch die umweltrelevanten Kosten sinken um 54%, Schadstoffe im Abwasser (-97%) und in der Luft (-86%) fallen fast gar keine mehr an. Ein anderes Beispiel zeigt die Umweltentlastungs- und Kostensenkungspotentiale bei der Gewebefärbung. Durch Einsatz des Enzyms Katalase in der Färbevorbehandlung von Baumwolle war es möglich, pro Tonne Textil den Ausstoß des klimaschädigenden Kohlendioxids um bis zu 120 Kilogramm zu verringern sowie bis zu 19.000 Liter Wasser und bis zu 500 Kilowattstunden einzusparen. Enzyme spielen auch bei der Reinigung von Textilien eine wichtige Rolle. Schon bei alten Hausmitteln wie der Gallseife wird die reinigende Wirkung durch Enzyme vermittelt. Die heutzutage für Waschmittel genutzten Enzymcocktails werden meist mikrobiell hergestellt (vgl. Konsumgüter). Sie dienen nicht nur dazu, Schmutz aus dem Gewebe zu entfernen, sondern erfüllen auch vielfältige weitere Aufgaben. So entfernen Cellulasen beispielsweise kleine abstehende Einzelfasern und sorgen so dafür, dass sich auf den Textilien weniger Fussel bilden.

Im Mittelalter wurden Bekleidungsstücke mit Färberkrapp rot gefärbt.

Färberkraut zum Färben von Textilien

Pflanzlich gefärbte Naturtextilien

Um die Textilfärbung nachhaltiger zu gestalten, wird an eine alte Tradition im Textilgewerbe zurückgegriffen. Schon vor 4.000 Jahren färbten die Menschen in Europa mit pflanzlichen Farbstoffen Gewebe aus Naturfasern. Seit dem Mittelalter wurden Färbepflanzen angebaut: Färberwaid für Blau, Färberkrapp für Rot und Färberessede für Gelb. Mit der Entwicklung synthetischer Farbstoffe auf Basis von Kohle und Erdöl im 19. Jahrhundert verloren diese jedoch an Bedeutung. Erst in den 90er Jahren rückten sie wieder ins Blickfeld. Derzeit nehmen diese pflanzlich gefärbten Naturtextilien in Deutschland allerdings eher eine Randposition ein. Ein Grund ist die globalisierte und an manchen Standorten sehr günstige Textilproduktion, die den Wettbewerb erschwert