Ines Schiller & Melanie Schichan – Die Tampon-Rebellinnen

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Ines Schiller & Melanie Schichan – Die Tampon-Rebellinnen

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Der Tangpon ist dafür da, die Welt besser zu machen – für die Menschen und für die Umwelt. Erfunden wurde er vom Berliner Startup Vyld und seinen beiden Gründerinnen Ines Schiller und Melanie Schichan. Der weltweit erste Tampon aus Meeresalgen soll die Menstruationsgesundheit fördern und zugleich das globale Problem des Periodenmülls in Angriff nehmen. – Taucht mit uns ein ins Algenuniversum von Ines und Melanie. Die beiden Macherinnen führen uns in eine inspirierende Welt des nachhaltigen Produzierens, Wirtschaftens und Denkens!    

Vyld steht für gesund menstruieren. Und Ozeane retten. Und das machen wir mit der Kraft der Meeresalge.

Mit ihrem Start-up Vyld entwickeln Ines Schiller und Melanie Schichan den weltweit ersten Tampon aus Meeresalgen, den sogenannten „Tangpon“. Mit der nachhaltigen, patentierten Alternative soll die Menstruationsgesundheit gefördert und zugleich das globale Problem des Periodenmülls angegangen werden. Das in Berlin-Neukölln ansässige Start-up geht bewusst den Weg einer nachhaltigen Finanzierung, z.B. über Crowdfunding. Vyld firmiert als profit-for-purpose Unternehmen in Verantwortungseigentum.      

Mein Name ist Ines Scheller und ich bin die Gründerin und Geschäftsführerin von Vyld und habe vor vier Jahren die Idee gehabt, Tampons aus Meeresalgen zu machen und nicht nur Tampons, sondern eines alles, was gesund absorbieren soll.

Ich bin Melanie Schichan und ich bin die Co-Founderin von Vyld und bin von Anfang an mit dabei. Mein Background: Ich habe BWL studiert und Gender Studies. Das heißt, als es dann um Menstruationsprodukte ging, war ich schnell dabei.

Gott sei Dank bin ich mit Melli schon ganz lange beruflich verbandelt. Also wir haben schon zusammen Filme gemacht, wir haben auch schon bei einer NGO zusammengearbeitet und es war einfach klar, dass wir auch weiter zusammenarbeiten wollen.

Ich habe tatsächlich einen ganz bunten Hintergrund. Ich bin von Hause aus Neurowissenschaftlerin und Philosophin. Das habe ich studiert. Ich habe vor einigen Jahren eine Ausbildung gemacht zum Field- und Marine Guide in Südafrika gemacht, also eine Art Meeres-Ranger. Mir war natürlich schon bewusst, Algen sind irgendwie gesund und lecker, aber dass man ebenso viel mehr mit denen machen kann, war mir neu. Und dann war mir klar, ich will gerne die Algen im Non Food Bereich populärer machen. Und da war der Tampon tatsächlich naheliegend als menstruierende Person, weil die Tampons, die es gibt, halt einfach nicht gut sind.

Wir wussten, dass die Alge schon im medizinischen Bereich eingesetzt wird und das war ja auch genau der Punkt für uns, dass wir zusätzlich Gesundheit für Menstruierende wollen.

Wir arbeiten mit Braunalgen und was sie so besonders macht, ist ein Biopolymer, das sie in ihren Zellwänden tragen, mit dem sie die Wasseraufnahme regeln. Und das ist natürlich genau die Eigenschaft, die wir in den absorbierenden Produkten haben wollen. Wir nehmen ein Extrakt aus der Alge und das können wir dann zu einer Faser machen. Und die ist dann eben weiß, ohne dass wir die Faser bleichen müssen.

Und alle diese Faktoren, die können wir uns eben anschauen. Im Labor machen wir Tests mit verschiedenen Testflüssigkeiten, mit verschiedenen Algen, weil die verschiedenen Spezies schon unterschiedliche Eigenschaften mitbringen. Als wir herausgefunden haben, wie in der Industrie getestet wird, nämlich mit Salzwasser, waren wir erstaunt. Das macht für uns überhaupt gar keinen Sinn. Und dann haben wir immer Menstruationsflüssigkeit gesammelt, davon haben wir ja genug. Ja, so war der Anfang!

Wir haben Glück, denn in Deutschland gibt es Tampon-Produzenten, die sind längst nicht überall in Europa vertreten. An die konnten wir herantreten und sagen: ja, wir wissen schon, so grob wie es geht und wir haben hier was und es wird funktionieren. Und so waren wir eben immer gut vorbereitet zu dem richtigen Zeitpunkt, mit dem richtigen Partner, um dann eben auch professionell genug herüberzukommen und auch schnell in die Produktion einsteigen zu können.

Also wir haben es in einem halben Jahr geschafft, dann Prototypen für den „Tangpon“ zu entwickeln und zu produzieren. Und dann konnten wir das erste Geld sozusagen einsammeln, weil wir überzeugt waren.

Für uns war es am Anfang essenziell, dass wir Gelder akquirieren konnten, weil wir ja als Biotechnologieunternehmen ein Produkt erst noch entwickeln, und gleichzeitig war uns aber auch klar, dass wir uns ganz und gar nicht in diese klassische Startup-Welt reinbegeben wollen. Dann sind wir auf das Konzept Verantwortungseigentum gestoßen. Das ist eine Unternehmensform, die es ermöglicht, dass das Unternehmen selbstbestimmt bleibt, mit den Grundprinzipien Selbstbestimmung und Zweckorientierung. Unsere Gewinne können also nicht entnommen werden, sondern werden immer reinvestiert in unsere Mission. Das heißt, auch unsere Investorinnen wollen und kriegen ihr Geld zurück. Aber der große Unterschied ist, wir haben dafür keine Anteile des Unternehmens an die verkauft.

Hätten wir Unternehmen mit drin, die Anteile haben und Stimmrechte, dann hätte das dazu führen können, dass wir einen Tampon auf den Markt bringen, mit dem wir beide überhaupt nicht happy sind. Unser Ziel ist aktuell, auf 100 % Alge im Produkt zu kommen. Also Tampon, Faden – Verpackung am besten auch – und das wäre gar nicht möglich in einer Welt, wo es darum geht, ein Produkt möglichst günstig und schnell an viele Leute zu verkaufen.

Wir wollen eine nachhaltige Welt, in der Konkurrenz einfach kein Begriff ist, weil das uns nicht weiterbringt. Das führt uns nur dazu, dass der Planet kaputtgeht. Und wir arbeiten an einem Weg, wie wir den Tampon an Menstruierende kostenlos herausgeben können und trotzdem die Forschung und Weiterentwicklung des Tampons, aber auch anderer Produkte aus dem „Algaeverse“ finanzieren.

Also es geht darum, dass da auch sehr wichtige Themen von der Gesellschaft ignoriert werden. Im Falle der Menstruierenden zunehmend auch stigmatisiert werden. Hier wollen wir auch eine gewisse Art von Aufklärung machen. Der Tampon wurde halt Jahrzehnte tatsächlich nicht von Frauen entwickelt. Das heißt, wir sind hier tatsächlich selbst Menstruierende, zwei Gründerinnen, die hier ein Produkt entwickeln, das wir selbst testen können. Das ist auch ein wichtiger Punkt. Über diese ganzen Themen reden wir dann als Erstes mit Partnern aus der Industrie und das ist dann Mindblowing für die. Aber wir sind bereits seit 20 Jahren dabei, uns Tampons einzuführen und diese zu benutzen und wir wissen genau, was wir da entwickeln, weil wir sie halt selber benutzen.

Menstruierende können nichts dafür, dass sie menstruieren und dass sie dafür Produkte brauchen, sondern die Hersteller sind in der Verantwortung, Produkte zu machen, die nicht schädlich sind. Das kann einfach nicht sein, dass jedes vierte Produkt, was man an einem europäischen Strand angespült findet, irgendein Produkt ist, was niemals verrottet, weil es aus Plastik ist. Da sehen wir uns ganz klar in der Rolle zu zeigen, es geht aber anders, und zwar komplett biologisch abbaubar.

Wir nehmen eben einen Teil der Algenmenge, die aktuell in Europa produziert wird. Da wäre jetzt schon die Möglichkeit gegeben, dass wir unseren Jahresbedarf in einer Größenordnung decken können, dass wir tatsächlich in der Dachregion alle mit unseren Tampons versorgen können. Noch viel wertvoller fänden wir es natürlich, wenn dann zusätzlich Algen auch gepflanzt werden, weil wir durch den Klimawandel auch das Problem haben, dass Algenwälder verschwinden.

Wir hoffen eben mit unserer Nachfrage nach mehr Algen, zukünftig auch dazu beitragen zu können, dass sich eine marine Permakultur etabliert. Und langfristig ist es aber ja ein Produkt, was mehr als die Hälfte der Menschheit benötigt und wir dürfen nicht vergessen, 300 Millionen Menschen menstruieren jeden Tag, sodass es eigentlich gar keine obere Grenze gibt.

Ich will den Meeren helfen und etwas dagegen tun, dass wir als Menschen in den letzten Jahrzehnten wirklich nicht gut mit dem Meer umgegangen sind. Und alles, was ich dazu beitragen kann, dass es dem Meer besser geht, motiviert mich intrinsisch. Das ist das, was ich wirklich will.

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