Algenproduktion an Biogasanlagen koppeln

Algenproduktion an Biogasanlagen koppeln

Kieler Wissenschaftler forschten im Projekt ÖkoPro mit Partnern an einer Prozesskette, um die Algenproduktion an Biogasanlagen zu koppeln. Im Fokus stand die Reinigung von sogenanntem Oberflächenwasser durch Mikroalgen und die anschließende Nutzung der Algenbiomasse.

Kultivierung des auf Oberflächenwasser adaptierten Algenmix im Algenreaktor (GICON GmbH) auf der Biogasanlage B.E.S.
Kultivierung des auf Oberflächenwasser adaptierten Algenmix im Algenreaktor (GICON GmbH) auf der Biogasanlage B.E.S.

Ob Agrarreststoffe wie Stroh, Lebensmittelabfälle aus der Biotonne oder Mist und Gülle aus der Tierhaltung: In Biogasanlagen werden bundesweit verschiedenste Rest- und Abfallstoffe mithilfe von Mikroorganismen vergoren und zu Biogas und anderen Gärprodukten umgewandelt. Das auf der versiegelten Fläche einer Biogasanlage gesammelte Oberflächenwasser muss jedoch gelagert und gereinigt werden, damit es wieder ins Grundwasser eingeleitet werden kann. Denn es enthält neben Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphat auch verschiedene Schadstoffe wie Schwermetalle oder Mineralöle, die aus landwirtschaftlichen Maschinen sowie Reststoffen eingebracht werden.

Mit Mikroalgen Oberflächenwasser von Biogasanlagen reinigen

Im Projekt ÖkoPro haben Forschende um Edmund Maser vom Institut für Toxikologie am Kieler Universitätsklinikum Schleswig-Holstein gemeinsam mit Partnern eine Prozesskette entwickelt, um mithilfe eines Mikroalgen-Cyanobakterien-Mixes das verunreinigte Oberflächenwasser von Biogasanlagen nachhaltig und effektiv zu reinigen. Darüber hinaus sollte die Algenbiomasse gesammelt werden, damit sie hinsichtlich der Herstellung von Tierfutter und Kosmetika erforscht werden kann. Das Vorhaben wurde vom Bundesforschungsministerium im Rahmen der Fördermaßnahme „Innovationsräume Bioökonomie“ von 2020 bis 2024 mit rund 283.000 Euro unterstützt.

Um eine nachhaltige Prozesskette zur Nutzung von landwirtschaftlichen Reststoffen mithilfe von Mikroalgen zu etablieren, mussten nicht nur die Schadstoffe auf ihre toxische Wirkung analysiert werden. Zunächst musste sich das Team einen Überblick verschaffen, welche toxischen Substanzen überhaupt in einer Biogasanlage auftauchen. „Wir haben relevante Schadstoffe untersucht, deren Vorkommen im Oberflächenwasser sowie in der Biomasse als auch den Reinigungseffekt durch die Algenkultivierung“, berichtet Maser. Sämtliche Biomasse-Proben wurden wiederum vom Projektpartner Microganic GmbH hinsichtlich der mikrobiellen Belastung durch Hefen, Schimmelpilze oder E-coli-Bakterien untersucht. Die Keimzahl in den Biomassen konnte durch Autoklavieren – ein Verfahren zur Sterilisation  –deutlich reduziert werden.

Die zur Abwasserreinigung benötigten Algen wurden von Forschenden am Botanischen Institut der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel kultiviert und für Versuche bereitgestellt. Für die Labortests standen dem Team Proben von Oberflächenwasser aus insgesamt 16 Biogasanlagen in Norddeutschland zur Verfügung.

Algenkultivierung an Biogasanlage

Doch der Reinigungseffekt wurde nicht nur im Labor, sondern auch im Großmaßstab in der Biogasanlage beim Projektpartner B.E.S – Bio Energie Sieringhoek GmbH & Co KG in Bad Bentheim geprüft. „Wir haben dort einen Algenreaktor etabliert, wo das Oberflächenwasser durchlief und die Algen gewachsen sind. Hier haben wir das Wasser abgezapft und kontrolliert und auch die Algenbiomasse untersucht“, so Maser.

gesammelte Algenbiomasse aus dem Algenreaktor
Aus dem Algenreaktor geerntete Algenbiomasse

Algen und Cyanobakterien als Reinigungsgehilfen

Während im Labor die Mikroalge Chlorella vulgaris als Reinigungsgehilfe zum Einsatz kam, mussten für die Biogasanlage erst geeignete Kandidaten gefunden werden. „Den Kollegen aus der Botanik der CAU und der Firma GICON war wichtig, dass die Mikroalgen zum Animpfen gute Eigenschaften haben und sich im Reaktor eine stabile Artengemeinschaft einstellt“, erklärt Maser. Letztlich entstand ein Mix aus verschiedenen Algen und Cyanobakterien, welcher fortlaufend mikroskopisch und genetisch auf seine Zusammensetzung analysiert wurde. Maser zufolge musste im Rahmen der toxikologischen Untersuchung jeder einzelne Schadstoff einer Risikobewertung unterzogen werden, auch unter Berücksichtigung der Vorgaben, die für Tierfutter und Kosmetikprodukte gelten.

Signifikante Reduktion von Schadstoffen

In puncto Wasserreinigung waren die Testergebnisse aus dem Labor und der Biogasanlage eindeutig positiv. „Hier zeigte sich, dass die Algen das Wasser tatsächlich reinigen. Wir konnten eine signifikante Reduktion von Schadstoffen feststellen“, berichtet der Toxikologe. Dazu gehörten beispielsweise toxische Substanzen wie Schwermetalle, Mineralölkohlenwasserstoffe und polychlorierte Biphenyle, die mithilfe des Mikroalgenmix zum Großteil aus dem Oberflächenwasser eliminiert werden konnten.

Die Untersuchung der Algenbiomasse zeigte ein anderes Bild: „Die Schadstoffe aus dem Prozesswasser sind in dem Algenmix wieder aufgetaucht. Daher kann die Algenbiomasse noch nicht für Tierfutter oder Kosmetika verwendet werden. Die Schadstoffanreicherung ist noch zu hoch“, resümiert der Forscher. Auch Bakterien hatten sich Maser zufolge in der Biomasse angereichert. Im Ergebnis konnte die Keimbelastung der Algen mittels Sterilisation zwar deutlich gesenkt werden. „Wir wissen aber noch nicht, inwiefern durch die Sterilisierung wertvolle Nährstoffe verloren gehen“, so Maser.

Projekt ÖkoPro – Projektpartner und deren Aufgaben

3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e.V (Werlte) – Koordinator
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein UKSH in Kiel – Institut für Toxikologie: Analyse und Bewertung der Schadstoffe
CAU - Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Botanisches Institut, AG Physiologie und Biotechnologie der pflanzlichen Zelle: Kultivierung und Etablierung der Algen 
B.E.S – Bio Energie Sieringhoek GmbH & Co KG – Betreiber der Biogasanlage 
GICON - Großmann Ingenieur Consult GmbH – Algenreaktor gebaut und auf der Biogasanlage etabliert
Microganic GmbHSpezialist für Mikroalgenkultivierung
oceanBASIS GmbH (Kiel) – Aufbereitungs- und Nutzungsmöglichkeiten der Algenbiomasse für Kosmetika geprüft

Am Ende des vierjährigen Vorhabens bleiben demnach noch einige Fragen offen, bis Biogas- und Algenproduktion gekoppelt werden können. Als Nächstes wollen die Forschenden klären, wie die Algenbiomasse von Schadstoffen gereinigt werden kann und ob Nährstoffe durch die Sterilisation auf der Strecke bleiben. Sollte das gelingen, könnte die Algenkultivierung Biogasbetreibern eine zusätzliche Einnahmequelle bieten. Aber auch die Landwirtschaft würde davon profitieren. Durch die erweiterte Nutzung landwirtschaftlicher Reststoffe in Biogasanlagen zur Algenproduktion könnte der ökologische Fußabdruck der Branche gesenkt und die Produktionseffektivität pro Fläche weiter optimiert werden.

Autorin: Beatrix Boldt