Textilien
Für die Textilindustrie ist der Einsatz nachwachsender Rohstoffe alltäglich. Ob Pflanzenfasern wie Leinen oder Baumwolle, ob tierische Produkte wie Wolle, Seide oder Leder. Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit sind biobasierte Innovationen zunehmend gefragt. Biotech-Seide, veganes Leder und pflanzliche Gerb- und Farbstoffe sind Beispiele dafür.
Beispiele aus der Bioökonomie:
Hightech-Fasern aus Spinnenseide,
Mikroalgen als Rohstoff für Kunststoffgarne,
Textilbeschichtung mit Chitosan,
Lederersatz aus Pilzmyzel,
pflanzliche Gerbstoffe

Bei der Herstellung von Kleidern kommen seit Jahrtausenden Naturprodukte zum Einsatz. Schon die alten Ägypter und Römer nutzten Flachs, um aus seinen Fasern Leinengewebe zu produzieren. Erst in den vergangenen Jahrzehnten haben sich preiswerte erdölbasierte Kunstfasern durchgesetzt. Weltweit wurden im Jahr 2020 nach Zahlen der Industrievereinigung Chemiefaser e.V. rund 108 Mio. Tonnen Textilfasern produziert. Naturfasern machen einen Anteil von 25 % aus, bei 75 % der weltweiten Produktion handelt es sich um synthetische Chemiefasern.
Baumwolle ist mit Abstand die am häufigsten eingesetzte Naturfaser für Heim- und Bekleidungstextilien. Die gesamte Pflanze lässt sich verwenden – von den Samenfasern für Textilien über das Baumwoll-Öl für Kosmetik bis hin zur Nutzung der Pflanzenreste auf dem Feld als Gründünger.
Im Gegensatz zu anderen Textilpflanzen wie Flachs, Hanf oder Jute werden bei Baumwolle auch die Pflanzenstängel weiterverarbeitet. Die weltweite Produktion dieser Bastfasern fällt jedoch mit jeweils etwa 2 Mio. Tonnen pro Jahr sehr viel geringer aus. Sie können zwar wie Baumwolle verarbeitet werden, werden aber vorwiegend als sogenannte technische Textilien in industriellen Anwendungen eingesetzt und weniger für die Herstellung von Kleidung. Der enorme Stoffbedarf weltweit lässt sich inzwischen immer weniger durch Baumwolle decken. 1990 waren weltweit 19 Mio. Tonnen verfügbar, was einem Anteil am Gesamtfasermarkt von 49 % entsprach. Im Jahr 2020 wurden laut Industrievereinigung Chemiefaser rund 26 Mio. Tonnen Baumwolle produziert, das waren allerdings nur knapp 24 % der gesamten Faserproduktion weltweit.

Gleichgültig ob Natur- oder Chemiefaser: Die Produktionsprozesse in der Textilindustrie sind ressourcenintensiv und bisher wenig nachhaltig. Während Chemiefasern zum großen Teil erdölbasiert und schlecht abbaubar sind, hat auch die Baumwollproduktion ihre Schattenseiten: Der Anbau verbraucht große Mengen Wasser und es werden massiv Pestizide eingesetzt. Aber auch der weitere Lebensweg eines Textils verbraucht viele Ressourcen und wirkt sich auf die Umwelt aus. Das offenbart die Ökobilanz eines T-Shirts, die Forschende der TU Berlin ermittelt haben. Neben Produktion, Vertrieb und Entsorgung ist es die Wäschepflege, die sich negativ auf die Treibhausgas-Bilanz sowie den Energie- und Wasserverbrauch auswirkt.
Sie zählen zu den Chemiefasern, basieren jedoch auf dem nachwachsenden Rohstoff Holz: Cellulose-Regeneratfasern, die aus Zellstoff gewonnen und in der Folge chemisch modifiziert werden. Dazu zählt auch die Viskose. Obwohl chemisch identisch zu Baumwollfasern, zeichnen sich Viskosefasern durch eine größere Variation in ihrer Fasergeometrie (Länge, Kräuselung, Feinheit, Querschnittsform) aus und können dadurch breiter angewendet werden. Der Energie- und Wasserverbrauch bei Herstellung und Verarbeitung von Viskose ist zwar geringer als bei Baumwolle, allerdings entstehen im Laufe des Verarbeitungsprozesses teilweise ungesunde und umweltschädliche Gifte wie Schwefelwasserstoff (H2S) und Schwefelkohlenstoff (CS2).
Andere Chemiefasern aus Cellulose lassen sich umweltfreundlicher produzieren: So wurde für die Produktion von Lyocellfasern ein Direkt-Löse-Verfahren entwickelt, das auf ein ungiftiges Lösungsmittel setzt und im Rahmen eines geschlossenen Stoffkreislaufes funktioniert. Die Cellulose für Lyocellfasern wird aus Eukalyptus- oder Buchenholz gewonnen. Da diese Pflanzen schneller wachsen als Baumwolle und einen hohen Ertrag pro Fläche aufweisen, ist ihre Umweltbilanz besser. Neuere Forschungsarbeiten zeigen zudem, dass sich auch Flachs, Hanf und Bambus sowie Bananenpflanzen und Soja für den Cellulosebrei eignen.
Biobasierte Innovationen für die Textilindustrie – der Innovationsraum BIOTEXFUTURE
Der Innovationsraum BIOTEXFUTURE will die Textilbranche entlang der gesamten Wert- schöpfungskette nachhaltiger machen. Dazu vernetzt der Innovationsraum Unternehmen mit Forschungseinrichtungen und Hochschulen – insgesamt sind es 75 Partner. Gefördert vom BMBF mit bis zu 20 Mio. Euro widmen sich zahlreiche Projekte der Herstellung biobasierter Textilien auf Basis nachhaltiger Rohstoffkreisläufe. Projektpartner sind unter anderem der Sport- artikelhersteller Adidas, das Fraunhofer IGB, die RWTH Aachen und die Universität Bayreuth. In dem Projekt Algaetex liefern Mikroalgen den
Rohstoff für Kunststoffgarne, aus denen künftig
T-Shirts oder gestrickte Schuhschäfte entstehen sollen. In einem weiteren Projekt wird eine biobasierte Beschichtung entwickelt, die wasserabweisend und antimikrobiell ist und schneller trocknet. Das Projekt BIOBASE hat sich zum Ziel gesetzt, in den Bereichen Automobil, Sportbekleidung, Innenausstattung und technische Textilien jeweils ein erdölbasiertes Produkt durch ein Produkt aus Biopolymeren zu ersetzen. Die enge Verzahnung der Projektpartner soll dazu beitragen, alle Möglichkeiten in der gesamten Wertschöpfungskette zu verankern.
Einen innovativen Werkstoff aus reiner Cellulose haben die DITF Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf entwickelt: Purcell ist ein Einkomponenten-Verbundmaterial, sowohl die Matrix als auch die darin eingebettete Verstärkungsfaser sind aus Cellulose. Das ermöglicht ein Wiederverwertungskonzept unter ökologischen Gesichtspunkten bei geringer Umwelt- und CO2-Belastung. Hergestellt wird Purcell mittels einer neuartigen Technologie auf Basis ionischer Flüssigkeiten. Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Forschenden der DITF unterstützt. Auch Abfälle aus der Lebensmittelindustrie werden mittlerweile zur Textilherstellung genutzt. So stellt Qmilk Deutschland in Hannover aus nicht verkehrsfähiger Rohmilch ein Biopolymer bestehend aus dem Milcheiweiß Casein her. Die Fasern werden ohne chemische Zusätze produziert. Daraus können sowohl Kleidung aber auch technische Textilien für die Medizintechnik oder die Automobilindustrie gefertigt werden.
Spinnen-Seidenfäden sind Wunderwerke der Natur – zehnmal dünner als ein Menschenhaar, doch zwanzigmal stärker als Stahl und elastischer als Gummi. Für den Einsatz in Hightech-Textilien ist der Naturstoff hoch interessant. Das Martinsrieder Unternehmen AMSilk hat ein biotechnologisches Verfahren entwickelt, um Spinnenseide-Protein im industriellen Maßstab herzustellen. Das 2008 als Spin-off der TU München gegründete Unternehmen hat dafür Bakterien zu Zellfabriken für Spinnenseiden-Protein umfunktioniert. Am Ende eines Bioprozesses entsteht ein weißes Proteinpulver, das maschinell zu Fasern gesponnen werden kann. Textilien aus den veganen Seiden-Biopolymeren sind nicht nur besonders strapazierfähig und hautverträglich, sondern auch vollständig biologisch abbaubar. Der Sportartikelhersteller Adidas hat in einer Kooperation mit AMSilk einen Sneaker-Prototypen gefertigt, dessen Obermaterial aus „Biosteel-Fasern“ besteht. Auch in Armbändern für den Uhrenhersteller Omega kamen die Biotech-Textilien bereits zum Einsatz.
Textilien veredeln mit Enzymen und Biopolymeren
Enzyme werden als Biokatalysatoren in der Textilproduktion zur Verarbeitung und Veredelung der Stoffe eingesetzt, etwa beim Bleichen oder um den Stonewashed-Effekt bei Jeans zu erzielen. Eine Herausforderung für die Hersteller sind Textilien aus synthetischen Fasern, da sie nach mehrmaligem Waschen unliebsame Knötchen an der Textiloberfläche bilden (Pilling). In dem vom BMBF geförderten Projekt FuPol forschte eine strategische Allianz unter Beteiligung des Waschmittelherstellers Henkel. Mit dem Enzym Cutinase ließ sich die Knötchenbildung reduzieren und zugleich das Färben verbessern. Nicht nur Enzyme, auch Biopolymere geraten für die Veredelung von Textilien ins Visier. So hat der Forschungsverbund Chitotex unter Leitung des Fraunhofer IGB mit Unterstützung des BMBF einen Weg gefunden, Textilfasern mit Chitosan zu beschichten und so wasserabweisend zu machen. Das Biopolymer wurde aus Insektenhäuten gewonnen und könnte bisher genutzte Chemikalien ersetzen.
Leder findet als langlebiges und vielseitig einsetzbares Material in vielen Bereichen des Alltags Verwendung – etwa in der Möbel- und Kleidungsindustrie. Doch die Lederproduktion aus gegerbten Tierhäuten belastet die Umwelt und wird von Konsumentinnen und Konsumenten zunehmend kritisch gesehen. Als nachhaltiger gelten Lederimitate, die beispielsweise aus Ananasfasern, Apfeltrester oder Kakteenleder gefertigt werden. Doch in diesen Materialien werden immer auch einige Anteile erdölbasierter Kunststoffe wie Polyvinylchlorid oder Polyurethan eingesetzt. Als weitere Alternative sind Lederersatzmaterialien aus Pilzen in den Fokus gerückt. Sie werden auf Reststoffen aus der Land- und Forstwirtschaft wie Sägemehl oder Melasse kultiviert. Das wachsende Pilzgeflecht, das Myzel, baut dann Pilzbiomasse auf, die sich zu einem Material weiterverarbeiten lässt, das Leder optisch wie haptisch stark ähnelt. Erste Biotechnologie-Unternehmen vermarkten die aus Pilzen gewonnenen Materialien bereits. Adidas hat einen Prototypen eines veganen Sportschuhs produziert, bei dem anstelle von Leder ein Pilzmyzel-Material namens Mylo vernäht wurde. Hergestellt wird es vom US-Unternehmen Bolt Threads aus Kalifornien. Das Leipziger Start-up ScobyTec hat ebenfalls ein biotechnisches Verfahren entwickelt, in dem Mikroorganismen bakterielle Nanocellulose (BNC) als Lederersatzmaterial in Form eines Vliesstoffes herstellen.
Biobasierte Innovationen gibt es auch bei der Ledergerbung. Als Alternative zu umwelt- und gesundheitsschädlichen Chromsalzen rücken immer stärker pflanzliche Gerbverfahren in den Fokus. So konnte beispielsweise das Start-up Rhubarb Technology aus den Wurzeln der Rhabarberpflanze einen Extrakt entwickeln, der sich als Gerbstoff eignet. Die Reutlinger Firma wet-green bietet einen Gerbstoff aus Olivenblättern an, der zusammen mit N-Zyme BioTec entwickelt wurde. Pflanzliche Rohstoffe spielen auch beim Färben von Textilien eine immer wichtigere Rolle. Um die Textilfärbung nachhaltiger zu machen, wird wieder auf alte Färbepflanzen zurückgegriffen. Für den Textildruck haben sich Färberpflanzen wie Krapp, Reseda, Blauholz, Gelbbeere und Jasminblüte als sinnvolle Farbstofflieferanten erwiesen. In einem vom BMEL geförderten Projekt wurden jeweils zwei pflanzliche Farbtöne für den Textildruck von Seide und Modalfasern entwickelt. Das Unternehmen hessnatur hatte in der Frühjahrskollektion 2019 bereits zwei Seidenblusen im Sortiment, die mit den im Projekt entwickelten Farbpasten bedruckt sind.

Etwa eine Million Tonnen Kleidungsstücke landen nach Angaben des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. V. (BVSE) jährlich in den Kleidercontainern. Meist wird nicht mehr tragbare Kleidung zu Putzlappen oder Malervlies verarbeitet. Bisher ist eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, in der die Faser aus Textilien recycelt werden, jedoch noch nicht realisiert. Forschende am Fraunhofer IAP haben einen Weg gefunden, aus alten Baumwoll-Textilien eine hochwertige Faser herzustellen. Bislang war das technisch nicht möglich, da Kleidung meist aus Mischfasern gefertigt ist. Die Forschenden entwickelten hierfür ein Verfahren, das Zellstoff aus der Baumwolle filtern kann. Im Ergebnis entstand ein Viskose-Filamentgarn, das zu 100 % aus Cellulose besteht. Die Qualität der recycelten Faser ist mit den holzbasierten Cellulose-Regeneratfasern vergleichbar und kann hinsichtlich ihrer Eigenschaften mit Viskosefaser mithalten.
Um Textilien recyceln zu können, ist es wichtig, die einzelnen Fasern und deren Zusammensetzung genau zu kennen. Hier setzt das vom BMBF geförderte Verbundvorhaben DiTex an. Im Rahmen eines Pilotprojektes werden Dienstkleidung und Handtücher aus recycelten Fasern auf Qualitäts-, Ressourcen- und Nachhaltigkeitseffekte geprüft. Die Textilien wurden dafür mit einem intelligenten Etikett ausgestattet, das relevante Parameter wie Materialmix, Faserherkunft sowie Wasch- und Recyclingzyklen speichert. So soll der komplette Lebensweg der Textilien einschließlich aller Umweltaspekte verfolgt und analysiert werden.