EU-Forschungsförderung für die Bioökonomie

EU-Förderung für die Bioökonomie im Überblick

Text: Philipp Graf

Mit dem Rahmenprogramm Horizont Europa unterstützt die Europäische Union Forschende aus Wissenschaft und Unternehmen dabei, ihre Ideen zu verwirklichen. Wie können Bioökonomie-Forschende von der attraktiven EU-Förderung profitieren? Das Dossier gibt einen kompakten Überblick über die Vielfalt der Förderformate und erläutert, wo interessierte Akteure Hilfe bei der Antragstellung bekommen.

Horizont Europa im Überblick

Mit einem Budget von mehr als 95,5 Mrd. Euro ist Horizont Europa das weltweit größte Rahmenprogramm für Forschung und Innovation (Laufzeit 20212027). Es handelt sich um das neunte seiner Art und ist Nachfolger von Horizont 2020 (2014-2020). Mit Horizont Europa fördert die EU sowohl Grundlagenforschung als auch Innovationen. Das Programm zielt darauf ab, zum Wirtschaftswachstum beizutragen, neue Jobs zu schaffen und so eine wettbewerbsfähige Wirtschaft aufzubauen. 

Zudem unterstützt es die Bewältigung globaler Herausforderungen wie Klimawandel, Umweltschutz, Gesundheit und Ernährungssicherung und will so zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Ein drittes Ziel ist die Stärkung des Europäischen Forschungsraums.
Neben den EU-Mitgliedsländern sind 18 Drittstaaten assoziiert, haben also ein Abkommen mit der EU zur Förderung und nehmen gleichberechtigt an Horizont Europa teil. 

Horizont Europa bietet themenoffene und themengebundene Ausschreibungen und eine große Bandbreite an Förderformaten für etablierte Forschende und wissenschaftlichen Nachwuchs, für grundlagenorientierte und angewandte Forschung, für Einzelförderung sowie für Verbundprojekte. In Horizont Europa gibt es eine große Vielfalt an Förderinstrumenten, die in einer komplexen und verflochtenen Struktur miteinander verbunden sind.

Die Programmstruktur ist in drei Säulen gegliedert: 

Die drei Säulen von Horizont Europa im Überblick

Aktuellen Beteiligungsstatistiken zu Horizont Europa (Quelle: ECORDA-Vertragsdatenbank, Stand: Ende 2023) zufolge hat Deutschland mit insgesamt ca. 4,1 Mrd. Euro die meisten Mittel eingeworben, gefolgt von Frankreich mit 2,94 Mrd. Euro und Spanien mit 2,93 Mrd. Euro. Damit erhalten deutsche Einrichtungen 17,6 % der Zuwendungen, die insgesamt an die EU-Mitgliedstaaten gehen. 

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Themencluster 6: Lebensmittel, Bioökonomie und Landwirtschaft

In der themengebundenen Verbundforschung der zweiten Säule von Horizont Europa umfasst das für dieses Dossier besonders relevante Cluster 6 „Lebensmittel, Bioökonomie, natürliche Ressourcen, Landwirtschaft und Umwelt“ ein großes Themenspektrum. Neben den bereits im Titel genannten Themen gehören zum Beispiel auch Biodiversität, Kreislaufwirtschaft, Klimamaßnahmen und die Stärkung von ländlichen und urbanen Gemeinden zum Portfolio des Clusters 6. 

Die Förderung ist inter- und transdisziplinär sowie sektorüberschreitend angelegt, um eine transformative Wirkung für die gemeinsame Bewältigung globaler Herausforderungen zu entfalten. In der Regel werden internationale Forschungskonsortien gefördert, die aus mindestens drei Partnern aus mindestens drei Staaten bestehen. In der Realität sind die Verbünde meist größer. Auch andere internationale Staaten kommen ggf. als Partner für die Verbünde infrage.

Transdisziplinär ist Forschung dann, wenn sie einen wechselseitigen Lernprozess zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft darstellt.
Das Arbeitsprogramm in Cluster 6 ist durch sogenannte Destinations (Zielpunkte) in sieben Forschungs- und Innovationsthemen gegliedert, die sämtlich auch für Bioökonomie-Themen relevant sind.

  • Destination 1: Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen
  • Destination 2: Gerechte, gesunde und umweltfreundliche Lebensmittelsysteme von der Primärproduktion bis zum Konsum
  • Destination 3: Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie
  • Destination 4: Eine saubere und verschmutzungsfreie Umwelt
  • Destination 5: Klimamaßnahmen an Land und in den Ozeanen und Gewässern
  • Destination 6: Resiliente, inklusive, gesunde und grüne ländliche, küstennahe und urbane Gemeinden
  • Destination 7: Innovative Governance, Umweltbeobachtung sowie digitale Lösungen zur Unterstützung des Europäischen Green Deal

Die Arbeitsprogramme werden in der Regel alle zwei Jahre veröffentlicht und beinhalten Ausschreibungen, in denen die Anforderungen und Förderthemen definiert werden. Diese bleiben ca. vier Monate offen für Bewerbungen, die auf dem Funding and Tenders Portal der Europäischen Union hochgeladen werden müssen. 
 

Bioökonomie-Beispiele für geförderte Konsortien in Cluster 6

Die ausgewählten Beispiele mit Koordinatoren aus Deutschland stammen aus der Ausschreibungsrunde 2021:

Valuable (Koordination: TU München), Scale-up (Ecologic Institute – ECO), Starfor BBS (TU Berlin), Shaping Bio (Fraunhofer ISI), Grazing4AgroEcology (Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen), Solo (Uni Leipzig); 
Landwirtschaft: Foster (DIL Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e. V.), D4AgEcol (Leipzig ATB), SPIDVAC (FLI Friedrich Loeffler Institut), REACT (Uni Gießen), Feast (Universität Heidelberg)

Zu den Ausschreibungen im Cluster 6 berät Sie die NKS Bioökonomie und Umwelt.

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Missionen

Erstmals in Horizont Europa wurden die sogenannten Missionen eingeführt. Inspiriert wurde der Begriff der Mission durch die Apollo-11-Mission in den 1960er Jahren. Innerhalb eines Jahrzehnts wollten die USA damals die erste bemannte Mondlandung realisieren. 

Ziel der EU-Missionen ist es, dazu beizutragen, ehrgeizige Ziele zur Bewältigung drängender Zukunftsaufgaben zu erreichen. Sie sollen Synergien mit anderen Programmen auf EU-, nationaler und regionaler Ebene schaffen. Themen und Charakteristika der EU-Missionen wurden in einem aufwendigen, mehrjährigen Prozess unter Mitwirkung von EU-Mitgliedsstaaten und Stakeholdern erarbeitet. 

Ziele der Missionen: Die Bewältigung aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen durch interdisziplinäre Innovationen angehen und die Bevölkerung von Anfang an einbinden. Die Förderung und Umsetzung der Missionsziele sind auf zehn Jahre bis 2030 angelegt. Insgesamt wurden zunächst fünf Missionen definiert.

Das sind die aktuellen Missionen der ersten Generation: 

  1. Anpassung an den Klimawandel: Unterstützen der Klima-Resilienz von mindestens 150 europäischen Regionen und Gemeinden
  2. Krebsbekämpfung: Die Lebensqualität von mehr als 3 Millionen Menschen verbessern
  3. Gesunde Ozeane und Gewässer: Wiederbeleben und Reinigen unserer Meere und Gewässer
  4. Klimaneutrale und intelligente Städte: Aufbau 100 klimaneutraler und intelligenter Städte
  5. Ein „Bodendeal“ für Europa: 100 „Living Labs“ (Reallabore) und sogenannte Leuchtürme für gesunde Böden

Dem Themencluster 6 der zweiten Säule von Horizont Europa sind die Gewässermission und die Bodenmission zugeordnet.
 

Förderprojekte in der Bodenmission

Ein Beispiel für ein Bioökonomie-Projekt aus der Boden-Mission ist das Projekt Healthy Municipal Soils (HuMUS) mit dem deutschen Partner Universität Hohenheim.

Zu den Ausschreibungen der Bodenmission und der Gewässermission berät Sie die NKS Bioökonomie und Umwelt (siehe Kapitel 7). 

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Europäische Partnerschaften

Wichtiger Bestandteil der europäischen Forschungs- und Innovationsförderung sind die Europäischen Partnerschaften. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zu den politischen Prioritäten der EU, etwa zum European Green Deal.

Die Partnerschaften führen die EU sowie private und/oder öffentliche Partner zusammen. Die jeweiligen Partner verpflichten sich, eine gemeinsame Forschungsagenda zu entwickeln und zu implementieren. 49 Europäische Partnerschaften sind im ersten Strategischen Plan (2021–2024) von Horizont Europa enthalten. Deutschland ist an den meisten der Europäischen Partnerschaften beteiligt.

Im Rahmen von Horizont Europa gibt es drei Typen von Partnerschaften:

Co-programmed European Partnerships
Partnerschaften zwischen der Europäischen Kommission und meist privaten Partnern (wie z.B. Verbänden oder sonstigen Plattformen von Interessensträgern), Programme, die gemeinsam von der Europäischen Kommission mit der Industrie aufgelegt werden, die sogenannten öffentlich-privaten Partnerschaften (Public-Private Partnerships, PPPs) wie beispielsweise aus dem Forschungsrahmenprogramm Horizont 2020 die Bio-based Industries Joint Undertaking (BBI).

Co-funded European Partnerships
Partnerschaften zwischen der Europäischen Kommission und Forschungsförderorganisationen sowie weiteren öffentlichen Einrichtungen aus verschiedenen Ländern öffentlich-öffentliche Partnerschaften (Public-Public Partnerships“, P2Ps). Vergleichbar sind diese mit den ERA-Netzen und Joint Programming Initiativen aus FP 8 Horizont 2020.

Institutionalised European Partnerships
Großangelegte Partnerschaften zwischen der Europäischen Kommission und meist privaten Partnern (wie z.B. Verbände oder sonstige Plattformen von Interessensträgern) sowie EU-Mitglieds- und assoziierten Staaten.

Aktuell sind im Cluster 6 „Lebensmittel, Bioökonomie, natürliche Ressourcen, Landwirtschaft und Umwelt“ acht Partnerschaften existent oder geplant, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten von Horizont Europa starten.

Darunter sind unter anderem folgende für die Bioökonomie besonders relevant:

Zu den Ausschreibungen der Partnerschaften berät Sie die NKS Bioökonomie und Umwelt (siehe Kapitel 7).

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Wissenschaftsexzellenz: ERC und Marie-Curie-Förderung

In der Säule „Wissenschaftsexzellenz“ sind die Förderungen des Europäischen Forschungsrats (European Research Council; ERC), die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen sowie die Unterstützung gemeinsamer Forschungsinfrastrukturen versammelt. All diese Förderlinien haben das gemeinsame Ziel, Pionier- und Spitzenforschung europaweit zu unterstützen und voranzubringen.

Der ERC fördert themenoffen herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie ihre Teams in verschiedenen Förderlinien für die jeweils passende Karrierestufe. Einzelne, herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jeder Nationalität können in den Förderlinien Starting, Consolidator und Advanced Grants für bahnbrechende Projektideen eine bis zu fünfjährige Projektförderung einwerben. Die Fördersumme beträgt je nach Förderlinie 1,5 bis 2,5 Mio. Euro. Teams von zwei bis vier vielversprechenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fördern die ERC Synergy Grants in Projekten mit einer Laufzeit von bis zu sechs Jahren und bis zu 10 Mio. Euro Fördersumme. Über die Förderlinie Proof of Concept können für maximal 18 Monate ergänzend 150.000 Euro für alle bereits laufenden Förderungen beantragt werden.

Die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen fördern im Rahmen exzellenter und themenoffener Forschungsvorhaben die länder- und sektorübergreifende Mobilität und die Karriereentwicklung von Forschenden. Zu den Instrumenten gehören länderübergreifende Netzwerke zur Ausbildung von Promovierenden, die Finanzierung von Forschungsaufenthalten für Postdoktoranden, Personalaustausch zu internationaler wie sektorübergreifender Kooperation und die Co-Finanzierung regionaler, nationaler oder internationaler Mobilitätsprogramme für Promovierende und Postdocs sowie die Förderung der Wissenschaftskommunikation.

Zur ERC-Förderung informiert und berät Sie die Nationale Kontaktstelle Europäischer Forschungsrat (NKS ERC)

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Innovatives Europa

In der dritten Säule „Innovatives Europa“ werden disruptive und hochrisikoreiche Innovationen sowie deren schneller Transfer in marktfähige Produkte gefördert. Umgesetzt wird diese Förderung durch den Europäischen Innovationsrat (European Innovation Council; EIC), das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (European Institute of Innovation and Technology; EIT) und durch die Stärkung und Vernetzung europäischer Innovationsökosysteme (European Innovation Ecosystems; EIE). 

Der EIC wurde erstmals im Rahmen von Horizont Europa fest etabliert. Er identifiziert bahnbrechende Innovationen mit disruptivem Potenzial. Das Programm unterstützt den gesamten Innovationszyklus von der Grundlagenforschung, über die Validierung bis hin zur Markteinführung und Skalierung. Mit EIC Pathfinder, EIC Transition und EIC Accelerator wurden drei Instrumente entwickelt, um technologische Grundlagen für zukünftige Innovationen zu identifizieren, vielversprechende Ideen aus der Grundlagenforschung weiterzuentwickeln und Innovationen in marktfähige Produkte zu überführen. 

Das seit 2008 bestehende EIT unterstützt Unternehmen sowie Bildungs- und Forschungsorganisationen bei der Ausgestaltung grenzüberschreitender Partnerschaften, sogenannte Wissens- und Innovationsgemeinschaften (Knowledge and Innovation Communities; KICs), die schließlich Unternehmen gründen und innovative Produkte, Verfahren und Dienstleistungen erfolgreich an den Markt bringen sollen. 
 

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Die Nationale Kontaktstelle Bioökonomie und Umwelt

Die Antragstellung für Förderprojekte in der EU ist aufwendig und folgt Exzellenzkriterien. Nur die in einem komplexen Auswahlverfahren zur Förderung priorisierten Vorhaben erhalten den Zuschlag für eine Förderung.

Damit ein Antrag erfolgreich ist, gibt es für Interessierte wichtige Anlaufstellen: die Nationalen Kontaktstellen (NKS). Dahinter stehen Fachleute mit einem umfangreichen Wissens- und Erfahrungsschatz zu den jeweiligen Bereichen von Horizont Europa. Sie werden von der Regierung eines Landes gegenüber der Europäischen Kommission offiziell benannt und unterstützen Antragstellende im gesamten Lebenszyklus eines EU-Projekts: von der Einordnung einer Idee, über die Gestaltung des Antrags und die Einreichung bis zur Durchführung und Abwicklung des Projektes. Die Beratung erfolgt vertraulich und kostenlos.

Die Nationalen Kontaktstellen sind in Deutschland in der Regel bei sogenannten Projektträgern angesiedelt. Die Expertinnen und Experten der NKS unterstützen Forschende und Innovatoren in allen Belangen von Horizont Europa, indem sie zum Beispiel

  • über Ausschreibungen und Fristen informieren,
  • in allen Phasen der Antragstellung und Projektbeteiligung individuell beraten,
  • Informations- und Beratungsveranstaltungen anbieten,
  • aktuelle Informationen und Hintergrunddokumente aus dem forschungspolitischen Umfeld auswerten und aufbereiten.

Ein häufig genutztes Angebot der Nationalen Kontaktstellen ist, einzelne Projektanträge durchzusehen und spezifisch zu begleiten. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in der Förderberatung leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der jeweiligen NKS wichtige Hinweise zur Optimierung der einzureichenden Projektskizzen. Daher sollten sich Antragstellende frühzeitig an die thematisch zuständige NKS wenden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein kontinuierlicher, langfristiger Austausch zwischen Antragstellenden, NKS und (wo verfügbar) EU-Referentinnen und -Referenten der jeweiligen Einrichtung eine gute Grundlage für eine erfolgreiche Antragstellung ist.

Was macht die NKS Bioökonomie und Umwelt?

Die Nationale Kontaktstelle Bioökonomie und Umwelt berät und informiert zu den Themen und Ausschreibungen des Clusters 6 „Lebensmittel, Bioökonomie, natürliche Ressourcen, Landwirtschaft und Umwelt“ und den Missionen „A Soil Deal for Europe“ und „Restore our Ocean and Waters“. Der kostenfreie und vertrauliche Service umfasst individuelle Beratung zu kleinen und großen Fragen, die Durchsicht von Skizzen und Anträgen sowie ein umfassendes Angebot an Informations- und Schulungsveranstaltungen.

Hier geht es zur Website der NKS Bioökonomie und Umwelt