Probelauf für Algenfarmen auf hoher See
Im Rahmen eines internationalen Forschungsprojektes untersuchen Braunschweiger Forschende, wie der Anbau von Seetang in Offshoreanlagen gelingen kann, um Küstengebiete zu entlasten.
Viele Fischarten wie Lachs und Forelle werde heute in Aquakulturanlagen gezüchtet, um die steigende Nachfrage zu bedienen. In der Regel sind diese Fischfarmen in Küstennähe angesiedelt, wo die Aufzucht durch Schifffahrt, Tourismus oder Bauwerke beeinträchtigt wird. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung von Forschenden der Technischen Universität Braunschweig will nun die Aquakultur ins offene Meer verlagern.
Landwirtschaftliches Potenzial der offenen See erschließen
Im Fokus des Vorhabens, das 2021 gestartet ist und bis 2026 läuft, steht die Entwicklung einer neuartigen Seetangfarm, die als Prototyp vor der Küste Neuseelands installiert werden soll. „Damit könnte also das landwirtschaftliche Potenzial der offenen See erschlossen werden“, sagt Nils Goseberg, Leiter des Leichtweiß-Instituts für Wasserbau der TU Braunschweig.
Der Bau von Algenfarmen auf hoher See ist jedoch mit deutlich höheren Herausforderungen verbunden als vergleichbare Farmen im küstennahen Bereich. Sie befinden sich nicht nur in tieferen Gewässern, sondern sind auch höheren Wellen und stärkeren Strömungen ausgesetzt.
Offshore-Bedingungen im Wellenbecken
Zu den Aufgaben der Braunschweiger Forschenden gehörte es, jene Kräfte präzise zu bestimmen, die auf die Offshoreanlage wirken. Um das Verhalten von Seetang und Farmstruktur unter realen Bedingungen zu analysieren, wurden mehrere Versuchsreihen am Leichtweiß-Institut durchgeführt.
So wurde in einem zwei Meter langen Wellenkanal untersucht, wie sich die Kräfte und Bewegungen des Seetangs unter verschiedenen Wellenbedingungen verändern und wie sich die Kunststoffseile, an denen der Seetang wächst, gegenseitig beeinflussen. Dafür wurden Ersatzkörper gebaut, deren Form dem Seetang nachempfunden ist, sodass die Verformungen der Algen realistisch abgebildet werden. Mithilfe spezieller Sensorsysteme wurde dann das Strömungsfeld um die Algenstruktur erfasst, während sogenannte Kraftmessdosen jene Kräfte ermittelten, die gezielt auf die Pflanzen wirken. Diese Erkenntnisse flossen wiederum in Computermodelle ein, um die Lastenbestimmung für die gesamte Offshoreanlage überprüfen und weiter optimieren zu können.
Seetangfarm im Maßstab 1:20 nachgebaut
Für die nächste Versuchsreihe wurde im Wellenbecken eine Seetangfarm im Maßstab 1:20 nachgebaut. Hier ging es darum, zu ermitteln, ob das System unter realen Offshore-Bedingungen auch funktioniert. Dafür wurden unterschiedliche Materialien für die Kopfleinen getestet, die die Kultivierungsleinen miteinander verbinden und damit als Anschlusspunkte zwischen Anker und Farm dienen, sowie verschiedene Arten von Verankerungssystemen, um optimale Bedingungen für das Wachstum des Seetangs sicherzustellen. „Dabei sind vor allem Spannung und Stabilität der Leinen entscheidend, um gleichbleibende Wachstumsbedingungen hinsichtlich Licht und Nährstoffen zu gewährleisten“, erklärt Projektmitarbeiter Henrik Neufeldt vom Leichtweiß-Institut.
Verformungen und Bewegungen analysiert
Durch die Kombination von Kraftsensoren, Wellenpegeln, Geschwindigkeitssensoren und Motion-Tracking-Kameras konnte das Team eigenen Angaben zufolge die Verformungen und Bewegungen des Systems detailliert erfassen und analysieren.
Das Projekt mit dem Titel „Ngā Punga o te Moana“ wird vom Cawthron Institute in Neuseeland geleitet und von der neuseeländischen Regierung mit rund 11 Mio. Neuseeländische Dollar gefördert. Ziel der Forschenden ist es, die Offshore-Aquakultur nachhaltig und effizient zu gestalten, um den wachsenden Bedarf an marinen Ressourcen – nicht nur für die Nahrungsmittelproduktion – zu decken. Gleichzeitig soll die Entwicklung neuer Technologien dazu beitragen, das Ökosystem Meer zu schonen.
bb