Klima ist nur im Großen ein Indikator für die Pflanzenwelt
Große Datenanalyse zeigt: In verschiedenen Lebensräumen reagiert die Vegetation unterschiedlich auf gleiche Klimafaktoren.
Das Klima formt die Vegetation. So scheint es zumindest, wenn man die Pflanzenwelt in den Tropen, in Deutschland, in Wüsten oder der Arktis vergleicht: Während im Regenwald Baumriesen mit großen Blättern gedeihen, sind die Pflanzen in kalten oder trockenen Regionen kleiner, ebenso wie ihr Laub. Blickten Ökologen jedoch im Details auf die Pflanzengemeinschaften einer Region, waren Zusammenhänge mit dem Klima weniger deutlich. „Möglicherweise werden globale Effekte von lokalen Faktoren wie Pflanzenzusammensetzung, Bodenbedingungen, Mikroklima, Grundwasserspiegel oder menschlicher Landnutzung überdeckt“, mutmaßt Stephan Kambach, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geobotanik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Diese Theorie hat ein Team der MLU jetzt überprüft.
300.000 Pflanzengemeinschaften in Europa ausgewertet
Die Fachleute haben mehr als 300.000 Aufnahmen von Pflanzengemeinschaften in Europa mit Informationen über die dort lebenden Pflanzenarten aus dem European Vegetation Archive und regionalen Klimadaten aus der CHELSA-Klimadatenbank zusammengeführt. „Zunächst haben wir neun Haupttypen von Lebensräumen untersucht, zum Beispiel Wälder, Heideland oder Feuchtgebiete", erläutert Kambach. „Diese Habitate haben wir dann in zwei weitere Sub-Ebenen gegliedert, etwa Laubwald auf der zweiten und Pappel-Auwald auf der dritten Ebene.“ Dabei betrachteten die Forschenden jeweils Wuchshöhe, Blattfläche, Wurzellänge und Samenmasse der Pflanzen.
Mittels statistischer Methoden untersuchte das Team, wie diese Pflanzenparameter mit Klimaparametern zusammenhängen. Dabei stellte sich zunächst heraus, dass sich auf die Gesamtvegetation eines Lebensraums bezogen sehr wohl deren Merkmale anhand von Klimafaktoren vorhersagen lassen. So wachsen Pflanzen im Mittelmeerraum und an Europas Küsten höher, bilden mehr Samenmasse und längere Wurzeln, jedoch kleinere Blattflächen.
Regionale Trends sind nicht für alle Teile einer Pflanzengemeinschaft gültig
Betrachteten die Forschenden jedoch die Sub-Ebenen, änderte sich das Bild. „Hier zeigen sich die gegenläufigen Einflüsse zwischen den Trends auf der globalen und der lokalen Ebene“, berichtet Helge Bruelheide. Der MLU-Professor leitet das „FeedBaCks“-Projekt, in dessen Rahmen die Forschungsarbeiten erfolgten, die das Team jetzt im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht hat. Mit einigen Beispielen veranschaulicht Bruelheide die Ergebnisse: „Im Süden wird das Wachstum aufgrund höherer Lichtintensität und längerer Vegetationsperioden allgemein begünstigt, die geringere Wasserverfügbarkeit kann in bestimmten Habitaten aber zum gegenteiligen Effekt führen.“ Auf Feuchtgebiete wiederum wirkten sich geringe Niederschlagsmengen offenbar kaum aus.
Insgesamt beobachteten die Forschenden, dass der Zusammenhang zu Klimafaktoren immer schwächer wurde, je tiefer sie ins jeweilige Habitat blickten. So erreichen die Pflanzen im Grasland größere Wuchshöhen, je näher sie am Mittelmeer wachsen. Bei saisonal nassen Wiesen ist dieser Zusammenhang jedoch nicht vorhanden. Ein weiteres Beispiel sind Feuchtgebiete: Je wärmer es dort ist, desto größer sind die Pflanzen – jedoch mit Ausnahme von großen Uferzonen.
Klima ist nur für die Gesamtvegetation ein guter Indikator
„Insgesamt konnten wir zeigen, dass das globale Klima durchaus ein signifikanter Indikator für lokale Pflanzengesellschaften ist“, resümiert Kambach. „Wenn wir uns auf veränderte Klimabedingungen vorbereiten wollen, insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft, müssen wir aber sehr genau in die Lebensräume mit ähnlicher floristischer Zusammensetzung, gemeinsamer Evolutionsgeschichte und vergleichbaren Umweltbedingungen schauen.“
bl