Weltklimarat: Anpassung an Klimakrise muss jetzt erfolgen
In seinem sechsten Sachstandsbericht warnt der Weltklimarat, dass bis zu 3,6 Milliarden Menschen besonders verwundbar sind gegenüber den Folgen der Erderwärmung.
„Wir haben ein ganz großes Problem in der Umsetzung.“ Mit diesen Worten kommentierte Hans-Otto Pörtner vom AWI und zugleich Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe II des Weltklimarats IPCC dessen sechsten Sachstandsbericht zu Klimafolgen, Anpassungen und Verwundbarkeiten. Vieles, das im nun vorgelegten Teil des aktuellsten Sachstandsberichts stehe, sei für zahlreiche Menschen nicht neu. Es sei jedoch eine Verstärkung der Botschaften: „Die Risiken sind größer, als früher gedacht.“ Die Risikoschwellen liegen demnach bereits bei geringeren Erwärmungsgraden. Konkret kommt die Zusammenfassung des besten weltweit verfügbaren Wissens zum Klimawandel zu dem Ergebnis, dass zwischen 3,3 und 3,6 Mrd. Menschen „besonders verwundbar“ gegenüber den Folgen des Klimawandels sind.
Das Zeitfenster, um zu handeln, schließt sich
Der Bericht beschreibt nach Regionen aufbereitet die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen, die nötig sind, um die Menschen vor Hitze, Überschwemmungen, Krankheiten und weiteren Konsequenzen des menschlichen CO2-Ausstoßes zu schützen. Einerseits betonten die beteiligten Fachleute bei der Vorstellung der Ergebnisse, dass es noch möglich sei, diese Maßnahmen umzusetzen und damit großes Leid abzuwenden. Andererseits betonte Pörtner: „Die ganz dicke Botschaft ist, dass sich dieses Zeitfenster schließt.“
„Europa erwärmt sich schneller als der globale Durchschnitt“, berichtete Daniela Schmidt von der University of Bristol, Leitautorin das Berichtskapitels zu Europa. Es gebe eine große Liste von Auswirkungen, die heute schon messbar seien, „und viele davon konnten direkt aufs Klima zurückgeführt werden“. Das Auftreten von Hitze, Dürre und Überflutungen sei jedoch nicht in allen Regionen gleich, weshalb die Unterschiede innerhalb von Europa größer werden. Besonders gefährdet seien ältere und sozial schwache Menschen. Zentral sei daher, für alle vulnerablen Gruppen den Zugriff auf Infrastrukturen rund um Wasser, Kommunikation, Mobilität und Gesundheit sicherzustellen.
30 bis 60 Prozent der Erde für Naturräume vorhalten
Der Bericht kommt unter anderem auch zu dem Ergebnis, dass die Natur bestimmte Rahmenbedingungen benötigt, um sich selbst zu erhalten. 30 bis 60 % der Erde müssten die Menschen demnach für Naturräume zur Verfügung halten – was eine nachhaltige Nutzung nicht ausschließt. Dazu sei es erforderlich, Klima- und Artenschutz stets in Verbindung zu denken. Die Fachleute machen zudem zahlreiche Vorschläge, wie sich Natur und Infrastruktur kombinieren lassen, um den Klimawandel zu bremsen, Arten zu schützen und zugleich Städte resilienter zu gestalten.
Auch in anderen Weltregionen werden die Menschen dem Bericht zufolge künftig immer stärker unter den Folgen der Klimakrise leiden. Selbst dort, wo die Klimaveränderungen weniger drastisch ausfallen als in Euroa, könnten die Konsequenzen für die Menschen dramatischer sein, weil insbesondere Entwicklungsländer sich aus Armut oder politischen Gründen nicht im gleichen Maß schützen können. „Die größten Hotspots der Verwundbarkeit liegen in West-, Ost- und Zentralafrika, aber auch in Asien gibt es Bereiche wie Afghanistan, wo Armut mit politischer Instabilität gekoppelt ist“, erläutert Jörg Birkmann von der Universität Stuttgart und Leitautor des Kapitels über Armut und Existenzgrundlagen. Diese Länder seien deutlich verwundbarer als Deutschland, dass „fürs kleine Ahrtal in zwei Wochen 30 Mrd. Euro bereitgestellt“ habe. International müsse ein größerer Fokus auf Klimafinanzierung gelegt werden, denn obwohl die Kosten der Anpassung in Europa höher seien als in anderen Teilen der Welt seien diese Beträge relativ zum Bruttoinlandsprodukt bei uns geringer.
Der Mensch wird Lebensraum aufgeben müssen
„Es kann durchaus passieren, dass der Mensch Lebensraum aufgeben muss, weil die Extreme regional und örtlich so groß werden, dass keine gesicherte Existenz mehr möglich ist“, warnt Pörtner. Das betreffe aktuell kleine Inselstaaten und Küstenräume, aber auch Regionen, die durch Hitze und hohe Feuchtigkeit nicht mehr für Aufenthalt im Freien geeignet seien.
„Ich hoffe, dass die Leute, die den Bericht lesen, sehen werden, wie viele Möglichkeiten wir haben, wenn wir uns wirklich anpassen, ganz massiv unsere Auswirkungen auf den Klimawandel zu reduzieren“, resümierte Schmidt. „Wir warnen aber auch davor, wenn wir nicht anfangen, diese Möglichkeiten zu nutzen und den Klimawandel zu reduzieren, dann haben wir immer weniger Chancen.“
bl