Noch immer gelangt zu viel Nitrat durch unsachgemäßes Düngen in Böden, Grundwasser und Gewässer. Vor allem in landwirtschaftlich geprägten Regionen ist das Grundwasser daher häufig zu stark mit Nitrat belastet. Denn wird mehr gedüngt als Pflanzen und Böden aufnehmen können, sickert überschüssiges Nitrat in das Wasserreservoir unter unseren Füßen. Etwa 75 % der Nitrateinträge gehen laut Umweltbundesamt auf das Konto der Landwirtschaft. Doch das soll sich ändern. In Umsetzung der europäischen Nitratrichtlinie hat Deutschland 2020 die Düngeverordnung verschärft. Damit muss die Landwirtschaft neue Wege in der Düngepraxis beschreiten.
Statt künstlich hergestellte mineralische Dünger und Gülle auf die Felder zu bringen, könnte auch ein Mix aus natürlichen Reststoffen die nötigen Nährstoffe liefern. Eine Lösung kommt in Gestalt eines Gülle-Laub-Gemisches daher, das unter der Leitung von Michael Huster von der A+M Unternehmensberatung GbR in Bassum im Rahmen des Projektes „Gülle-2-Laub“ weiterentwickelt wird. Das Vorhaben, an dem Partner aus Forschung und Wirtschaft beteiligt sind, wird vom Bundesforschungsministerium von April 2021 bis März 2024 mit insgesamt 640.000 Euro gefördert.
Geruchsneutraler Dünger aus Gülle und Laub
Ziel des Projektes ist der Bau einer Pilotanlage zur Herstellung des organischen Düngers aus Gülle und Laub. „Primär wollen wir im kleinen Maßstab einen möglichst optimalen Prozess entwickeln, der wirtschaftlich ist und die großen Vorteile dieser beiden Zuschlagstoffe in den Vordergrund stellt“, so Projektleiter Michael Huster. Hauptanliegen ist jedoch, den Nitrateintrag ins Grundwasser zu reduzieren.
Um diesen Dünge-Effekt zu erreichen, muss das Laub zunächst getrocknet und zerkleinert werden, bevor es mit der Gülle vermischt wird. Hier musste das Team im Vorfeld einige Hürden nehmen. Ein wichtiger Punkt war das Zerkleinerungsverfahren. „Die spezielle mechanische Aufbereitung des Laubes führte dazu, dass sich die Kapillaren des Blattes öffneten und Flüssigkeit aufnehmen konnten“. Innerhalb von nur fünf Minuten, so Huster, habe sich eine erhebliche Geruchsreduzierung eingestellt. Im Ergebnis entstand ein organischer Dünger, der an Blumenerde erinnert und auch ähnlich riecht. „Es ist ein feuchtes, aber nicht schmieriges Produkt, das sich mit dem Miststreuer einfach auf dem Feld ausbringen lässt“, erklärt Huster.
Knapp zwei Jahre ist es her, als ein Freund Husters, Manfred Steen, die Idee hatte, aus Gülle und Laub einen Dünger zu entwickeln, der nachhaltig und umweltfreundlich ist und zudem die Geruchsbelastung erheblich dezimiert. Mit gewöhnlichen Haushaltsgeräten und Eimern wurde im Vorfeld des Projektes an der richtigen Zusammensetzung getüftelt und sogar eine mobile Demonstrationsanlage gebaut. Versuche zeigten, dass ein Laubanteil von 25 % optimal ist. Die Aufbereitung des Laubes war jedoch entscheidend. „Laub bringt einen sehr hohen Kohlenstoffanteil mit und der sorgt dafür, dass das Ammoniak in der Gülle, das für den beißenden Geruch verantwortlich ist, gebunden wird. Außerdem kann Laub den Humuseffekt im Boden verstärken, weil es das Sechs- bis Achtfache des Eigengewichts an Wasser aufnehmen kann – was in der trockenen Jahreszeit sehr vorteilhaft ist“, erklärt Huster.
Nachhaltigkeit durch Reststoffnutzung
Die Nachhaltigkeit des Gülle- Laub-Düngers liegt auf der Hand, denn es werden ausschließlich Abfallstoffe verwendet. Zum einen werden tierische Exkremente aus der Landwirtschaft genutzt, die sonst auf dem Feld als Dünger oder zur Energiegewinnung in der Biogasanlage genutzt würden. Zum anderen wird Laub recycelt, das in den Kommunen und Städten vor allem im Herbst zuhauf anfällt und teuer entsorgt werden muss. „Es ist erstaunlich, wie viel Geld die Entsorgung einer Tonne Laub kostet. In Städten wie Hamburg sind es mindestens 80 Euro pro Tonne. Und die Entsorgungsindustrie möchte das Laub eigentlich gar nicht haben, weil es sehr schwer zu kompostieren ist“, erzählt Huster. Er ist überzeugt, dass sich mit dem Recycling-Dünger für Landwirte und Kommunen ein neuer Verwendungszweck auftun wird.
Wirtschaftliche Vorteile aufzeigen
Was im Demonstrationsmodus funktionierte, will Huster mit seinen Projektpartnern in den kommenden Jahren nun im größeren Maßstab beweisen. Dafür sollen der Prozess sowie die Anlage weiter optimiert werden. Neben dem Bau einer Pilotanlage soll im Projekt der wissenschaftliche Nachweis erbracht werden, dass die Kombination beider Abfallstoffe Landwirten und Kommunen wirtschaftliche Vorteile bietet. Aber nicht nur das: „Außerdem wollen wir nachweisen, dass wir mit dem Laub auch den Humusaufbau auf den Flächen steigern und die Nährstoff- und Wasserverfügbarkeit für die Pflanze verbessern können“, so Huster. Denn – wird der Humusgehalt gesteigert – wird dadurch auch die Biodiversität erheblich verbessert. „Das bietet nicht nur für Kleinstlebewesen, sondern auch für alle weiteren Tiere in der Natur große Nahrungsquellen, und unterstützt die Artenvielfalt in hohem Maße“, fügte Huster hinzu.
Für die wissenschaftliche Nachweisführung ist die Hochschule Osnabrück verantwortlich, die als Projektpartner gewonnen werden konnte. Am Vorhaben beteiligt sind auch das Ingenieurbüro Grenzebach aus Bad Herzfeld, das für die Konzeption der Pilotanlage verantwortlich ist, sowie die Firma Schroer, die Unterstützung bei der technischen Umsetzung leistet und auf deren Gelände die Pilotanlage mittlerweile steht. Aktuell können darüber täglich zwischen drei bis fünf Tonnen organischer Dünger produziert werden. Zum Einsatz kommt derzeit vorwiegend Gülle aus der Schweinehaltung. Doch das sei variabel, sagt Huster. Auch Hühner- und Rindergülle sowie Gärsubstrate aus Biogasanlagen oder gar Kombinationen daraus, seien dafür geeignet.
Laub-Gülle-Gemisch sorgt für Mehrertrag bei Getreide
Erste Feldversuche mit dem Gülle-Laub-Gemisch wurden bereits durchgeführt und sind vielversprechend. „Auf den Flächen mit dem Laub-Gülle-Gemisch hatten wir einen Mehrertrag von 6 % beim Getreide. Auch die Qualität des Korns war besser. Hier hatten wir einen 10 % höheren Proteingehalt, was deutlich für die Nährstoffverfügbarkeit bei der Ährenbildung spricht.“
Das Verfahren zur Düngerherstellung aus Gülle und Laub ist bereits EU-weit patentiert. Nach dem Erfolg im ersten Feldversuch ist Huster zufolge auch das Interesse der Landwirtschaft an dem neuartigen Dünger stark gestiegen. Er ist optimistisch, dass am Ende der Projektlaufzeit ein „interessantes Produkt“ verfügbar ist, das Landwirte und Kommunen gleichermaßen zufriedenstellt.
Autorin: Beatrix Boldt