Kann Paracoccus es besser?

Kann Paracoccus es besser?

Ein Forschungsteam der RWTH Aachen sucht einen neuen Plattformorganismus, der etablierten Zellfabriken überlegen ist.

Phasenkontrastbild von P. denitrificans (40x), links ohne PHA-Körperchen, rechts mit hellen PHA-Körperchen.
Phasenkontrastbild von P. denitrificans (40x) – links ohne PHA-Körperchen, rechts mit hellen PHA-Körperchen

Escherichia coli, Aspergillus niger oder auch Saccharomyces cerevisiae: Die meisten der heute bedeutsamen Plattformorganismen in der Biotechnologie sind eher zufällig zu solchen geworden. Sie waren die ersten mit einer bestimmten Eigenschaft, die entdeckt wurden, und haben sich etabliert. „Diese Organismen sind heute gut bekannt und bequem zu handhaben“, erzählt die Biotechnologin Denise Bachmann von der RWTH Aachen, „doch das heißt nicht, dass sie für den jeweiligen Prozess auch die Besten sind.“ Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat daher das Förderprogramm „Mikrobielle Biofabriken“ aufgelegt, um neue, industriell relevante Mikroorganismen zu identifizieren. Ein Projekt darin ist „ParaCoquette“, in dem sich Bachmann gemeinsam mit ihrer Kollegin Upasana Pal unter der Leitung von Lars Blank mit der Bakteriengattung Paracoccus befasst.

Viele Stämme mit breitem Stoffwechselspektrum

„Zu Paracoccus gehören viele unterschiedliche Stämme, die einen sehr breiten Stoffwechsel besitzen“, begründet Bachmann die Wahl. Vielleicht entstehen dabei Produkte, die das Bakterium besser herstellen kann als etablierte Mikroorganismen. Es gibt aber auch einige praktische Vorteile, die schon jetzt sicher sind: Während E. coli unter anaeroben Bedingungen beginnt, Säuren zu bilden, die den Prozess stören, produziert Paracoccus auch dann noch weiter, wenngleich in geringem Umfang. Zudem sind einige Paracoccus-Stämme leicht alkaliphil, wachsen also bei erhöhten pH-Werten. Weil das viele Mikroorganismen nicht können, senkt dies die Gefahr von Kontaminationen im Produktionsprozess.

Allzu viel ist über Paracoccus noch nicht bekannt, deshalb bestanden die ersten Monate des Projekts, das das BMBF von Februar 2020 bis Januar 2023 mit 458.000 Euro fördert, auch zu großen Teilen aus Literaturrecherchen. Für die Art P. pantotrophus ist zwar das Genom annotiert, sind also manchen Genen Funktionen zugeordnet, und es ist auch untersucht, welche Kohlenstoff- und Stickstoffquellen dieser Typstamm nutzt. „Aber das wissen wir so genau eben nur über diesen einen Stamm“, sagt Bachmann. Und es sind mehr als 70 Arten von Paracoccus bekannt. Rund 100 Stämme und Unterstämme sollen im Projekt ParaCoquette untersucht werden. Einige wurden zwar schon als nützliche Mitglieder von Klärschlamm-Bakteriengemeinschaften identifiziert, aber gezielt industriell werden davon keine eingesetzt. Als Produzent von Chemikalien ist kein Paracoccus-Stamm etabliert.

 

Lediglich in Kläranlagen kommt Paracoccus bislang in industriellem Umfeld vor.

Lediglich in Kläranlagen kommt Paracoccus bislang in industriellem Umfeld vor.

An nachhaltige Kohlenstoffquellen anpassen

Die bloße Information, dass ein Stamm eine bestimmte Kohlenstoffquelle nutzen kann, ist noch wenig hilfreich, wie Bachmann betont, denn wie gut er das tut, steht oft nicht dabei. Allerdings interessieren sich die beiden Forscherinnen auch besonders für Kohlenstoffquellen, welche nicht nativ von diesem Bakterium genutzt werden können, aber aus nachhaltigen Quellen stammen. Hier sollen gentechnische Mittel eingesetzt werden, um den Zellen beizubringen, diese zu verwenden. Ob und in welchen Mengen damit dann interessante Stoffwechselprodukte produziert werden können, muss als nächstes geklärt werden.

Interessante Produkte könnte es einige geben, von Grund- bis Feinchemikalien. Im Fokus des Projekts stehen Polyhydroxyalkanoate (PHA), die die Grundlage für biologisch abbaubare Kunststoffe bilden. Zunächst aber müssen mehr Werkzeuge her, um die Mikroorganismen genetisch effektiv bearbeiten zu können. „Bislang gibt es dazu nur wenige Transposons und ein paar Plasmide, die in Frage kommen“, schildert Bachmann. Genetische Werkzeuge zu etablieren, ist daher eine der zentralen Aufgaben im Projekt.

Stoffwechselwege verstehen

Für jeden interessanten Stamm, dessen Genom noch nicht sequenziert ist, soll dies geschehen. Für den Typstamm will das Team außerdem eine sogenannte „metabolic map“ erstellen, also eine Übersicht darüber, wie die einzelnen Stoffwechselwege aufgebaut und verbunden sind. Ob am Ende dann ein Stamm beide Produkte in einem wirtschaftlichen Prozess liefern kann oder ob besser für jedes Produkt ein eigener Stamm optimiert wird, auch das muss sich im Verlauf des Projekts noch erweisen, nachdem das Screening der verfügbaren Stämme abgeschlossen ist.

„Wir möchten gern einen vollständigen Fermentationsablauf am Ende des Projekts haben“, summiert Bachmann das Projektvorhaben. „Aber der wird sehr grundlegend sein.“ Damit der Prozess auch für die Industrie interessant ist, muss das Bakterium entweder das Produkt in hinreichend großer Menge produzieren oder ein entsprechend günstiges Substrat verwerten. „Ein Stamm, der schnell auf der eher teuren Glukose wächst, fällt raus“, gibt die Forscherin ein Beispiel. Außerdem bedeutet der begrenzte Zeitrahmen, dass eine Optimierung des Prozesses, wie sie für den industriellen Maßstab erforderlich ist, nicht mehr im Rahmen von ParaCoquette erfolgen wird.

Positive und negative Überraschungen

Zwei wichtige Erkenntnisse gibt es bereits nach den ersten Monaten des Projektes: „Bei Paracoccus gibt es weniger Extremophile als vermutet“, bedauert Bachmann. Das bedeutet, die Bakterien wachsen nicht bei ungewöhnlich „harten“ Bedingungen, wodurch sich Kontaminationen im Prozess hätten verringern lassen. Positiv hingegen ist, dass es Stämme gibt, die auf außergewöhnlichen Substraten wachsen. Mehr wollen die Forscherinnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht verraten. „Wir leisten echte Pionierarbeit“, freut sich Bachmann, „und das motiviert."

Autor: Björn Lohmann