Schilfrohr für den Senegal
Heidi SchillerBeruf
Diplom-Kauffrau
Position
Geschäftsführerin der KAITO Projekt GmbH
Beruf
Diplom-Kauffrau
Position
Geschäftsführerin der KAITO Projekt GmbH
Mit der KAITO Project GmbH hat Heidi Schiller bereits Strom aus erneuerbaren Quellen in den Senegal gebracht. Jetzt arbeitet sie daran, lokales Schilfrohr als nachhaltiges Baumaterial zu etablieren.
Noch immer gibt es viele Orte auf der Welt, an denen Menschen ohne Strom leben müssen. Bis vor Kurzem gehörten auch Teile des Senegal dazu - bis Heidi Schiller und ihr Familienunternehmen KAITO Projekt GmbH mit kleinen Solaranlagen buchstäblich Licht in die westafrikanischen Dörfer brachten. Jetzt widmet sie sich einem neuen Projekt vor Ort: SENtypha. Das lokale Schilfrohr (Typha australis) soll als nachwachsender Rohstoff für den Bau Verwendung finden. Dazu müssen nachhaltige Ernte- sowie Verarbeitungsmethoden etabliert werden. Gelingt das Vorhaben, könnten zahlreiche Arbeistplätze und eine eigenständige kleine Industrie geschaffen werden.
Wie kam es zu der Idee, im westafrikanischen Senegal Schilfrohr als nachhaltiges Baumaterial zu etablieren?
Wir haben zwei Jahre lang an Tests zur Entwicklung von ökologischen Baustoffen aus Typha australis im Rahmen eines UNDP-Projektes mitgearbeitet. Die Ergebnisse waren vielversprechend, eine produktive Umsetzung lag daher nahe und würde lokale Jobs und Wertschöpfung entstehen lassen. Wir wissen aber auch nach über zehn Jahren unternehmerischer Erfahrung im Land, dass wir ein verdammt dickes Brett bohren.
Warum ist das örtliche Schilfrohr so gut als Baumaterial geeignet?
Typha hat eine stabile Faserstruktur und hohe Dämmeigenschaften, ähnlich wie Hanf. Die Verarbeitung zu Bauplatten, vergleichbar etwa mit Stroh, ist technisch überschaubar. Erprobte Verfahren könnten also direkt angewandt werden. Dazu wächst es rasant: Die Schätzungen liegen bei 10% Zuwachs pro Jahr. Spannender wird die Kundenseite: Wir betreten da völliges Neuland, und die eingesessene Betonindustrie wird davon nicht nur begeistert sein.
Wie verbreitet ist der Ansatz einer nachhaltigen Wirtschaft im Senegal?
Der Ansatz der nachhaltigen Entwicklung zieht sich durch fast alle Ebenen, wenngleich ich die Interpretation als weniger akademisch erlebe. Vor allem in der Landwirtschaft und im Umweltschutz sind sich die Menschen der Problematik bewusst. Allerdings muss man schon eingestehen, dass die Mittel dagegen deutlich eingeschränkter sind. Was mich besonders ärgert, wenn ich an unsere fehlgeleitete EU-Politik beim Fischfang vor der westafrikanischen Küste denke oder den Export von subventioniertem Hähnchenfleisch, der vor Ort die Leute in den Ruin treibt.
Was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit und nachhaltiges Unternehmertum?
Nachhaltig wirtschaften und leben ist eine Grundeinstellung. Für mich heißt das, Ressourcen und Umwelt bewusst zu schonen und selbst dafür zu sorgen, dass Neues nachwächst. Und wenn es im eigenen Kleingarten ist. Faire Löhne sind selbstverständlich, überall auf der Welt. Unser täglicher Einkauf ist regional und in der Stadt bewege ich mich mit dem Fahrrad, den Öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Fuß. Unsere Kinder stöhnen zwar manchmal, wissen aber, warum kein eigenes Auto mehr vor die Tür kommt.
Welche Projekte stehen als Nächstes an?
Bis Typha tatsächlich vor Ort industriell verarbeitet werden kann, ist es noch ein weiter Weg. Den wollen wir schon weiter gehen, werden aber Partner mit ins Boot holen müssen, damit uns unterwegs nicht die Luft ausgeht. Und unser Ursprungsthema der dezentralen Stromversorgung mit Erneuerbaren Energien begleitet uns wieder intensiver, was mich sehr freut.
Interview: Judith Reichel