Kunststoff-Bausteine aus Chinaschilf
Schnellwachsende Pflanzenarten wie das Schilfgras Miscanthus als Rohstoff für die Produktion biobasierter Chemikalien stehen im Fokus eines von EU und Industrie finanzierten Projektes.
Erdölbasierte Farben, Lacke, Kunststoffe oder Benzin durch neue biobasierte Komponenten zu ersetzen, gehört zu den wichtigsten Aufgaben unsere Zeit. Vielversprechende Ansätze gibt es durchaus. So haben Orangenschalen oder Algen durchaus das Potenzial für neue Biokunststoffe, ohne in Konkurrenz zur Lebensmittelindustrie zu stehen wie es etwa beim Mais der Fall ist. Auch Hanf und Schilfgras könnten sich als Basis für neue Biokunststoffe als auch Biomasse zur Energiegewinnung eignen. Diese Optionen will ein europäischer Verbund aus Universitäten, Agrarunternehmen und Industrie in den kommenden Jahren ausloten.
Anbau neuer robuste Sorten
Das Projekt “Growing Advanced industrial Crops on Marginal Lands for Biorefineries (GRACE)” wird bis 2022 von der Europäischen Union sowie Partnern aus der Industrie mit insgesamt 15 Mio. Euro gefördert und von der Universität Hohenheim in Stuttgart geleitet. Im Fokus steht dabei auch der Anbau neu gezüchteter, robusterer Sorten wie das aus China stammende Schilfgras Miscanthus. Der Vorteil: Einmal auf einem Feld gebracht, wächst die Pflanze jahrzehntelang und bietet dabei einen hohen Flächenertrag. Die bis zu drei Meter hohe, genügsame und vergleichsweise robuste Pflanze kann daher sowohl als Biomasse zur Energiegewinnung dienen, als auch den Ausgangsstoff für neue biobasierte Produkte wie Biokunststoffe liefern.
Chinagras auf Europas Äckern
Im Vorfeld des Projektes wurden dafür neue Miscanthus-Sorten entwickelt, die sich erstmals über Samen vermehren lassen. Von jedem Züchtungsprogramm werden im Projekt jeweils sieben der neuen Sorten an insgesamt 21 Standorten in Europa getestet. Dabei wird auch der Anbau auf schwermetallbelasteten Böden wie neben dem Rollfeld eines Flughafens oder ehemaligen Schwerindustriegeländen erprobt.
Nachhaltige Wertschöpfungskette
Am Beispiel des Schilfgrases zeigen die Hohenheimer Forscher bereits wie eine lückenlose und nachhaltige Wertschöpfungskette von der Biomasse zum Produkt möglich ist. So kann aus dem Miscanthus-Stroh Zucker gewonnen und daraus eine der wichtigsten Basischemikalien für die Kunststoffherstellung, der Stoff Hydroxymethylfurfural produziert werden. HMF wird beispielsweise zur Herstellung von Plastikflaschen und Nylonstrümpfen verwendet. Aus Lignin, das der Pflanze als Stützmaterial dient, entsteht dann mit Phenol, ein weiterer für die Kunststoffherstellung wichtiger Zwischenstoff. Die Reste vom Gras können wiederum in der Hauseigenen Biogasanlage der Uni Hohenheim verarbeitet und anschließend als Dünger aufs Feld gebracht werden.
Trotz allem sind biobasierte Produkte noch eine Seltenheit. Daher will das EU-Projekt „GRACE“ etwaige Hürden abbauen und die Kooperation zwischen Biomasse-Produzenten und weiterverarbeitenden Unternehmen in Europa fördern sowie lückenlose Wertschöpfungsketten wie beim Schilfgras aufzuzeigen. Zugleich gilt es den Biomasseanbau attraktiver zu machen. Hier setzen die Forscher neben dem Anbau neuer Sorten auch auf innovative Anbaumethoden sowie die Erschließung bislang ungenutzter Flächen.
Ökobilanz und Vernetzung der Akteure
Im Blick der Forscher steht daher auch die Ökobilanz der Wertschöpfungskette. Wie schneidet jede Wertschöpfungskette im Vergleich zur konventionellen Kette ab? Ist die Biomasse wirklich ökologisch nachhaltiger als die fossile Alternative? Das sind nur einige der Fragen, die beantwortet werden sollen. Dabei gilt es auch positive und negative Auswirkungen des Bioökonomie-Ausbaus darzustellen. Neben der Erforschung neuer Optionen der Biomassenutzung sind die Vernetzung der Akteure sowie schnelle Weg neuer Erkenntnisse in die Praxis Kernanliegen von „GRACE“.
bb