Pilze als Kunststofffabriken

Pilze als Kunststofffabriken

Fraunhofer-Forschern in Stuttgart ist es gelungen, Pilze in Produktionsfabriken umzurüsten und zahlreiche Chemikalien wie Apfelsäure und Biotenside für neue Kunststoffe herzustellen.

Bioreaktor im Labormaßstab zur Optimierung der Fermentationsbedingungen.
Bioreaktor im Labormaßstab zur Optimierung der Fermentationsbedingungen.

Schimmelpilze befallen Lebensmittel und machen sie ungenießbar, daher sind sie im Haushalt nicht besonders beliebt. Obst oder Brot mit einem grün-blauen Film landen deshalb im Mülleimer, weil darin auch Krankheitserreger enthalten sein können. Im Labor hingegen sind diese fäulnisbildenden Pilze seit längerem begehrte Forschungsobjekte. So auch im Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart. Hier nehmen Biotechnologen gezielt Schimmelpilze der Gattung Aspergillus oder Hefe- und Braunpilze ins Visier, um sie in Chemiefabriken umzuwandeln.

Chemikalien CO2-neutral produzieren 

„Bei der Herstellung von Antibiotika oder in der Lebensmittelbranche sind Pilze ja schon lange unverzichtbar. Mit den von uns verwendeten Pilzen können wir verschiedene Chemikalien auf CO2-neutralem Wege produzieren: Diese dienen als Basis für Waschmittel, Emulgatoren, kosmetische und pharmazeutische Wirkstoffe, Pflanzenschutzmittel oder auch Kunststoffe“, sagt Steffen Rupp, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer IGB und Leiter der Abteilung Molekulare Biotechnologie.


Nachhaltige Chemikalien aus Pilzen haben das Potenzial, erdölbasierte Grundstoffe zu ersetzen. Anders als fossile Rohstoffe sind diese Organismen zudem ausreichend verfügbar. Das Besondere: Aufgrund vielfältiger Stoffwechselwege können sie verschiedene nachwachsende Rohstoffe umsetzen, die wiederum für zahlreiche Anwendungen geeignet sind.

Apfelsäure und Biotenside aus Pilzen 

Den Beweis liefert das Stuttgarter Team. Mithilfe von Aspergillus-Pilzen konnte es Apfelsäure und Biotenside herstellen. Apfelsäure ist aufgrund ihres sauren Geschmacks nicht nur bei der Marmeladenproduktion gefragt. Sie sorgt auch für eine längere Haltbarkeit bei Backwaren, und kann zudem als Baustein für biobasierte Polyester eingesetzt werden. Wie beim Bierbrauen, wo die Hefen den Malzzucker der Gerste fermentieren, verwerten bei der Apfelsäureherstellung die Schimmelpilze Zucker oder Pflanzenöle.

Holzbasierte Zuckerlösung als Pilznahrung

Um die gewünschte Apfelsäure herzustellen, wurden die Pilze beispielsweise mit einer Zuckerlösung auf Holzbasis gefüttert. Nach dem gleichen Prinzip ließen sich auch Biotenside produzieren, aus denen Waschmittel, Emulgatoren, kosmetische und pharmazeutische Wirkstoffe sowie Pflanzenschutzmittel hergestellt werden können. Hier nutzen die Stuttgarter allerdings Brandpilze als Produktionsfabriken. 

Neue Kunststoffe aus Hefepilzen

Auch Hefen haben sich in Stuttgart als zuverlässige Produzenten erwiesen. So konnten aus speziellen Hefen auch Moleküle hergestellt werden, die für die Produktion von neuartigen Kunststoffen benötigt werden. Dabei handelt es sich um langkettige Carbonsäuren. Hier gelang es dem Stuttgarter Team, ein Verfahren für die Herstellung von langkettigen Dicarbonsäuren aus einem Stamm des Hefepilzes Candida zu etablieren.

Nach dem Erfolg im Labor müssen die Herstellungsverfahren nun im großen Maßstab umgesetzt werden. „Um die Prozesse vom Kilogramm-Maßstab auf den Tonnen-Maßstab zu skalieren, ist viel Ingenieurskunst und Rechenarbeit nötig“, so Susanne Zibek, Leiterin der Gruppe Industrielle Biotechnologie am Fraunhofer IGB. Die Hochskalierung erfolgt in der Lignozellulose-Bioraffinerie-Pilotanlage des Fraunhofer-Zentrums für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna. Hier können die Prozesse bis zu zehn Kubikmeter Fermentationsvolumen produzieren. 

bb